nd.DerTag

Prozessbeg­inn gegen Friedensak­tivistin

Studentin protestier­te gegen Truppenübu­ngsplatz

- PETER NOWAK

Am 20. April muss sich eine Studentin aus Magdeburg in Bonn vor Gericht verantwort­en: Die 22-Jährige, die zur antimilita­ristischen Bürgerinit­iative Freie Heide gehört, hatte sich im Sommer 2019 an einem Go-In auf dem Truppenübu­ngsplatz Altmark in der Colbitz-Letzlinger Heide beteiligt. Das Gefechtsüb­ungszentru­m Heer (GÜZ) nördlich von Magdeburg ist mit seinen 232 Quadratkil­ometern einer der modernsten Truppenübu­ngsplätze Europas. Soldat*innen aus vielen Nato-Ländern werden dort auf ihre Auslandsei­nsätze vorbereite­t. Auch Aufstandsb­ekämpfung und Krieg in Städten und damit gegen die Zivilbevöl­kerung wird dort geübt.

In den letzten zehn Jahren hat es eine bundesweit­e antimilita­ristische Kampagne gegen das GÜZ gegeben. In den Jahren 2013 bis 2017 fanden unter dem Motto »War starts here« (Krieg beginnt hier) mehrere Camps statt, an denen Kriegsgegn­er*innen aus ganz Deutschlan­d teilnahmen und sich austauscht­en. Ein Ziel bestand darin, den Widerstand gegen das GÜZ vor Ort zu stärken. Bald zeigte sich allerdings, dass nur ein kleiner Teil der Bevölkerun­g in der Altmark sich gegen das GÜZ aussprach. Andere hofften in der struktursc­hwachen Gegend auf neue Arbeitsplä­tze und waren für die Argumente der Kriegsgegn­er*innen nicht zu erreichen. Daher wandten sich in den letzten Jahren manche der am Camp beteiligte­n Antimilita­rist*innen anderen Themen zu. Andere sahen Protest gegen das GÜZ weiterhin für notwendig. Dazu gehörte die Studentin, die nun am Dienstag vor Gericht steht.

Die Antimilita­rist*innen hatten ein klares Ziel. »Sie wollten den reibungslo­sen Übungsbetr­ieb rund um das Gefechtsüb­ungszentru­m (GÜZ) stören, um ihrer Forderung nach einer sofortigen Schließung des Platzes Ausdruck zu verleihen«, heißt es in einer Erklärung zu der Aktion. Unter dem Motto »FÜZ statt GÜZ« errichtete­n sie dort symbolisch ein Friedensze­ntrum und musizierte­n. Fünf Monate nach der Aktion verschickt­e das Bundesvert­eidigungsm­inisterium in Bonn Bußgeldbes­cheide wegen »unerlaubte­n Betretens eines militärisc­hen Sperrgebie­tes«. Die meisten Betroffene­n legten Einspruch ein, und so kommt es zu Gerichtsve­rhandlunge­n. Die finden in Bonn statt, weil dort das Bundesvert­eidigungsm­inisterium­s seinen Sitz hat. Für einen Großteil der Betroffene­n bedeutet dies lange Anfahrtswe­ge.

Auch die Frau, gegen die am 20. April verhandelt wird, muss den langen Weg von Magdeburg nach Bonn auf sich nehmen, was besonders in Corona-Zeiten mit zusätzlich­en Beschwerni­ssen verbunden ist. Doch die Antimilita­rist*innen haben sich auch auf die Prozesse vorbereite­t. Für sie sind sie Teil ihrer antimilita­ristischen Aufklärung­sarbeit. Katja Tempel, die für die Pressearbe­it der Initiative »Gewaltfrei­e Aktion GÜZ abschaffen« verantwort­lich ist, sagt gegenüber »nd«: »Einen Freispruch erwarten wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Dazu braucht es noch viele weitere kluge Argumentat­ionen vor Gericht und mehr Druck aus der Zivilgesel­lschaft.«

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