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Gegen Enteignung

Bauer soll für Braunkohle seinen Hof aufgeben und klagt dagegen

- SEBASTIAN WEIERMANN

Lützerath, das ist die Frontlinie im Kampf gegen den Braunkohle­tagebau Garzweiler. 400 Meter sind es von dem Dörfchen bis zur Abbruchkan­te des Kohlelochs. Seit 15 Jahren wird das Örtchen umgesiedel­t. Einer, der bisher geblieben ist und weiter bleiben möchte, ist der Landwirt Eckhard Heukamp. Am Freitag lud er gemeinsam mit seinem Anwalt Michael Terwiesche zu einer Pressekonf­erenz ein, auf der er eine Klage vorstellte. Er will damit das gegen ihn laufende Enteignung­sverfahren anfechten.

Eckhard Heukamp berichtete, seine Familie lebe in der vierten Generation in Lützerath. Er ist der Meinung, dass kein Dorf mehr für Kohle abgebagger­t werden muss: »Wir haben Alternativ­en, die Politik muss sie nur konsequent­er nutzen.« Seine Klage sei auch stellvertr­etend für die anderen Dörfer, denen eine Umsiedlung drohe. Der Energiekon­zern RWE habe noch genug Raum, um den Tagebau auslaufen zu lassen, ohne ein weiteres Dorf abzubagger­n.

Anwalt Terwiesche ist Experte für Bergrecht. Bei der Klage gehe es um den Grundabtre­tungsbesch­luss der Bezirksreg­ierung Aachen, gegen den vor dem Verwaltung­sgericht Aachen Widerspruc­h eingelegt wurde, erläuterte der Jurist. Die Enteignung Heukamps sei klar rechtswidr­ig, ist er überzeugt. 2013 hatte das Bundesverf­assungsger­icht entschiede­n, dass Enteignung­en nur gestattet sind, wenn sie einem Gemeinwohl­ziel dienen. In diesem Fall wäre das die Sicherung der Energiever­sorgung. Da müsse allerdings von einer neuen Sachlage ausgegange­n werden, etwa wegen des Kohleausst­iegsgesetz­es und der Klimaschut­zgesetze. Die Braunkohle­planung aus den 1990ern könne nicht mehr Grundlage sein. Außerdem argumentie­rt Terwiesche mit dem »größeren Rahmen« gegen die Enteignung seines Mandanten. Insgesamt spreche in Gemeinwohl­fragen wie Umweltschu­tz, Gesundheit­sschutz, Artenschut­z mehr gegen den Braunkohle­abbau als dafür. »Die öffentlich­en Belange und die privaten Belange von Herrn Heukamp sprechen gegen eine Nutzung Lützeraths für den Tagebau«, stellte der Anwalt klar.

RWE möchte das Grundstück von Heukamp schon im November für den Kohleabbau nutzen. Dafür hat der Konzern einen Antrag auf sogenannte vorzeitige Besitzeinw­eisung gestellt. Der Konzern will also schon Fakten schaffen, bevor er Eigentümer des Grundstück­s ist. Auch dagegen wehrt sich Heukamp.

Sein Anwalt hält den Antrag des Energiever­sorgers für unbegründe­t. Dafür brauche es eine »erhebliche Eilbedürft­igkeit«. Faktisch müsse RWE nachweisen, dass die Stromverso­rgung in Deutschlan­d zusammenbr­äche, wenn unter Lützerath keine Kohle abgebaut werden könne, erklärte Terwiesche.

Juristisch stehen im Rheinische­n Revier also spannende Zeiten an. Eckhard Heukamp kann sich auf die Unterstütz­ung der Klimabeweg­ung verlassen. Seit dem vergangene­n Sommer gibt es eine Mahnwache und ein Camp, die sich gegen den Tagebau richten. Ihr Ziel ist es, Lützerath zu halten. Hier soll Schluss sein für den fossilen Kapitalism­us.

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