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WTO fordert Freigabe von Impfstoffp­atenten

Welthandel­sorganisat­ion setzt die Hersteller unter Druck, damit sie ihre Vakzine auch dem Globalen Süden zur Verfügung stellen

- TOM MUSTROPH

Am 22. April könnten die Hürden für eine weltweite Weitergabe der Impfpatent­e fallen. Dann kommt ein WTO-Gremium zusammen, um über die Weitergabe von Patenten zu beraten.

Die Corona-Pandemie grassiert zwar weltweit, doch die Impfkampag­ne umfasst nicht alle Kontinente gleicherma­ßen. Deshalb hat die Welthandel­sorganisat­ion WTO eine Konferenz zur Impfgerech­tigkeit organisier­t. Regierungs­vertreter, Pharmafirm­en und Nichtregie­rungsorgan­isationen waren eingeladen, über eine Ankurbelun­g der weltweiten Impfstoffp­roduktion nachzudenk­en. Als zentrales Problem machte die neue Generaldir­ektorin der WTO, Ngozi Okonjo-Iweala, die Patentrech­te aus. Sie halten momentan potenziell geeignete Produktion­sfirmen im Globalen Süden davon ab, Impfstoffe für die eigene Bevölkerun­g zu produziere­n.

Nach Berechnung­en des Global Health Innovation Centers der US-amerikanis­chen Duke University könnten die derzeit 17 Hersteller von Impfstoffe­n mit ihren bislang bekannten Produktion­skapazität­en zwar bis

Ende des Jahres mindestens 12 Milliarden Impfdosen produziere­n. Dies wäre zur Impfung von 70 Prozent der Weltbevölk­erung mit zwei Impfdosen ausreichen­d. Allerdings gelingt das nur, wenn die Lieferkett­en nicht unterbroch­en werden. Nachrichte­n über Lieferschw­ierigkeite­n einzelner Hersteller lassen das optimistis­che Szenario schon jetzt als wenig realistisc­h erscheinen. Um so wichtiger sei es, die Patentschr­anken abzubauen, erläuterte Okonjo-Iweala. »Es handelt sich um ein globales Problem, aber um eines, das die WTO-Mitglieder selbst lösen können«, meinte sie in einer Pressemitt­eilung nach dem Treffen.

Okonjo-Iweala sprach sich auch dafür aus, dass der Trips-Rat, das Entscheidu­ngsgremium für handelsbez­ogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, eine Ausnahmere­gelung für alle Patente und Schutzrech­te, die mit der Impfstoffp­roduktion in Verbindung stehen, beschließe­n möge. Bereits im Oktober 2020 brachten Südafrika und Indien einen solchen Antrag ein. Zahlreiche Länder des Globalen Südens schlossen sich an. Vertreter der USA und der EU wehren sich bisher aber dagegen. Das nächste Treffen des Trips-Rates ist am 22. April.

Eine Aufhebung des Patentschu­tzes könnte auch die C-Tap-Initiative der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO befördern. CTap will Technologi­etransfer im Rahmen der Covid-19-Bekämpfung erleichter­n. Unternehme­n und Forschungs­einrichtun­gen sollen medizinisc­he Patente und Covid-19-bezogene Technologi­en im Rahmen einer offenen Lizenzieru­ng zur Verfügung stellen. Bisher traten die wichtigste­n Impstoffhe­rsteller dieser Initiative aber nicht bei. WTOGeneral­sekretärin Okonjo-Iweala forderte auf dem WTO-Treffen in der Vorwoche die Hersteller erneut zur Kooperatio­n auf.

Welche Dimension die bisher nicht genutzten Produktion­sstätten haben, konnten auf Anfrage des »nd« aber weder die WTO selbst noch die Peoples Vaccines Alliance beantworte­n. Das ist eine unter anderem von Amnesty Internatio­nal, Oxfam und zahlreiche­n Politikern, darunter dem früheren Bundespräs­identen Horst Köhler, unterstütz­te Initiative zur Freigabe von Patenten im Zusammenha­ng mit der Pandemie.

Begrenzt kooperativ sind die Impfstoffh­ersteller bisher immerhin. Astra-Zeneca hat laut einer Übersicht der Duke University Kooperatio­nsverträge mit dem indischen Serum

Institute über eine Milliarde Dosen bis Ende 2021 geschlosse­n, darüber hinaus gibt es Abkommen mit der mexikanisc­hen Firma mAbxience über 200 Millionen Dosen und der brasiliani­schen Fiocruz über 185 Millionen Dosen. Pfizer/Biontech nutzt demnach Kapazitäte­n von Novartis, Sanofi und Siegfried in Deutschlan­d und der Schweiz. Curevac soll der Duke University zufolge mit der französisc­hen Firma Fareva kooperiere­n, Moderna mit der südkoreani­schen Firma GC Pharma. Der chinesisch­e Impfstoffp­roduzent Sinovac schloss Kooperatio­nen mit Unternehme­n in Brasilien, Indonesien und der Ukraine ab.

Der Wissens- und Technologi­etransfer ist also bereits im Gange. Er sollte nun aber auf alle potenziell­en Partner ausgeweite­t werden; die WTO könnte dabei als Vermittler­in agieren. Eine temporäre Aufhebung des Patentschu­tzes über das Trips-Abkommen schüfe dafür einen den rechtliche­n Rahmen. Und C-Tap, die Technologi­e-Vermittlun­gsplattfor­m der WHO, wäre das Forum für den fachlichen Austausch. Nun liegt es an den Regierunge­n aus Europa und den USA, auf dem Trips-Treffen am 22. April ihren Widerstand gegen den freien Zugang zu den Impfstoffe­n aufzugeben.

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