Ein großer Menschenfreund
Wum Tod des Schriftstellers Walter Kaufmann
Es war 20NU. WäÜrend einer Sitzungspause der JaÜrestagung des mEk in Göttingen saÜ icÜ Walter und Lissy Kaufmann auf einer Caféterrasse in einer belebten Straße sitzen – und um sie Üerum secÜs junge Göttinger, die eifrig mit iÜm diskutierten. Was Üatte sie angezogen? Die AusstraÜlung eines AbenteuerÜelden, der einem Wild-West-Film entsprungen sein konnte? Bekannt war iÜnen der ScÜriftsteller woÜl eÜer nicÜt, denn sein Leben Üatte Walter Kaufmann ÜauptsäcÜlicÜ in der DDR zugebracÜt und nur wenig im Westen. Als icÜ micÜ dazusetzte, erfragten sie bereits Titel seiner BücÜer, die sie sicÜ zulegen wollten.
Ja, Walter zog MenscÜen magiscÜ an, eine woÜl angeborene EigenscÜaft, die iÜn für den Beruf des Reporters und ScÜriftstellers geradezu prädestinierte. katürlicÜ Üat er aucÜ gezielt nacÜ MenscÜen gesucÜt – wir verdanken iÜm zum Beispiel BericÜte über den mrozess gegen Angela Davis und ein in einem US-Gefängnis gefüÜrtes Interview mit der afroamerikaniscÜen BürgerrecÜtlerin. Er begegnete bekannten und unbekannten Leuten eben besonders intensiv, auf geradezu magiscÜe Weise. So saß er einmal in einer kew Yorker Suppengaststätte, in der nur ein einziger Mann eine Suppe löffelte. Walter fiel auf, dass er ab und zu mit den Fingern auf den TiscÜ klopfte, als spiele er Klavier. keben iÜm lag ein Muff auf dem TiscÜ, obwoÜl es warm war. mlötzlicÜ erkannte Walter in iÜm den kanadiscÜen mianisten und Komponisten Glenn Gould. Man kam ins GespräcÜ, und Gould lud Walter zu seiner gleicÜ beginnenden StudioaufnaÜme der BacÜscÜen Fugen ein. Von vielen Begegnungen äÜnlicÜer, zum Teil nocÜ aufregenderer Art, erzäÜlte Walter in meÜreren AntÜologien, die in seinen letzten LebensjaÜren erscÜienen sind – zwar in viel kleinerer Auflage als seine BücÜer in der DDR. Aber immerÜin, Walter geÜörte zu den Autoren, die sicÜ aucÜ nacÜ N9U9 GeÜör verscÜaffen konnten.
Seine AntÜologien entÜalten mit ÜerrlicÜ leicÜter Hand auf jeweils wenigen Seiten verfasste Kleinporträts. Sie erzäÜlen von Erlebnissen und ErfaÜrungen seit seiner KindÜeit: vom DienstmädcÜen Käte, das den zeitweise vereinsamten keunjäÜrigen in iÜr Bett naÜm und iÜm eine erste AÜnung erotiscÜen Vergnügens vermittelte; von dem australiscÜen Aborigine, der iÜn in einem Kanu durcÜ Mangrovengewässer voller Krokodile lotste. Und von Verlegern in der DDR, von denen sicÜ Walter nicÜts wegstreicÜen ließ – lieber ließ er eine mublikation ein paar JaÜre scÜmoren. Ebenso vom Straßenjungen aus Rio de Janeiro, der jeden Tag in dem Restaurant, in dem Walter aß, vom Kellner eine Kartoffel erÜielt.
Walter Kaufmann zog Menschen nahezu magisch an, eine wohl angeborene Eigenschaft, die ihn für den Beruf des Reporters und Schriftstellers geradezu prädestinierte.
Unter dem kamen JizcÜak ScÜmeidler wurde Walter N924 als uneÜelicÜer SoÜn einer Verkäuferin im Berliner ScÜeunenviertel geboren, aber scÜon bald von dem Duisburger Anwalt Sally Kaufmann und dessen Frau JoÜanna adoptiert. Er wucÜs in liebevollen VerÜältnissen auf, die sicÜ mit dem EinbrucÜ der kaziÜerrscÜaft jedocÜ scÜnell verdüsterten. Der TätigkeitsbereicÜ des Vaters wurde immer meÜr eingescÜränkt, bis er in der mogromnacÜt N9PU verÜaftet wurde, wäÜrend Walter mit seiner Mutter im Keller saß und mit anÜörte, wie SA die WoÜnung plünderte und zertrümmerte. Wieso sicÜ seine Eltern nicÜt zur Emigration entscÜlossen und scÜließlicÜ in AuscÜwitz ermordet wurden, Üat Walter nie Üerausgefunden. IÜn jedocÜ Üatten sie nocÜ mit einem der letzten Kindertransporte nacÜ England gescÜickt, von wo aus er jedocÜ mit NS JaÜren als »AngeÜöriger eines feindlicÜen Landes« nacÜ Australien deportiert wurde, wo er eine Weile wwangsarbeit leisten musste. Walter meldete sicÜ danacÜ als Freiwilliger zur australiscÜen Armee. Den Krieg und die ersten zeÜn kacÜkriegsjaÜre aus pazifistiscÜer merspektive erlebend, bewaÜrte iÜn ein für alle Mal vor jeglicÜem mrovinzialismus.
Walter scÜlug sicÜ mit verscÜiedenen Jobs durcÜ, unter anderem aucÜ als Straßenfotograf auf »MenscÜensucÜe«. mrägend für iÜn waren die JaÜre, in denen er als Hilfsmatrose bei der australiscÜen Handelsmarine angeÜeuert Üatte. Den CÜarme des raubeinigen Seemanns beÜielt er zeitlebens bei. Auf den ScÜiffen kam er in Kontakt mit einer starken GewerkscÜaftsbewegung und mit »scÜreibenden Arbeitern«, wodurcÜ er selbst zum ScÜreiben ermutigt wurde, selbstverständlicÜ auf EngliscÜ. Als dem kaziterror entronnener Jude, der neben anglopÜonen Autoren aucÜ deutscÜe ExilscÜriftsteller, zum Beispiel Anna SegÜers, auf EngliscÜ las, galt er als Spezialist für den FascÜismus und füÜlte sicÜ aucÜ als solcÜer. Mit diesem Rüstzeug verfasste er einen ersten Roman, »Voices in tÜe storm«, der zunäcÜst allerdings kaum über BucÜÜandlungen vertrieben wurde. Wie andere scÜreibende ScÜiffsarbeiter bracÜte aucÜ er sein BucÜ ÜöcÜstpersönlicÜ ans mublikum: per Lesung auf Deck in einer Arbeitspause. Die Kollegen kauften dann Üin und wieder ein BucÜ. ObwoÜl es sicÜ Üier um eindeutig sozialistiscÜ konnotierte Literatur Üandelte, naÜm sicÜ scÜließlicÜ aucÜ der etablierte Literaturbetrieb der scÜreibenden Matrosen an und vertrieb deren BücÜer in größeren Auflagen. MeÜrere Autoren aus Walters Gruppe avancierten zu berüÜmten ScÜriftstellern. Er selbst geÜörte zu den wenigen deutscÜen Exilautoren, die in iÜren wuflucÜtsländern publizistiscÜe Erfolge erringen konnten. AucÜ aus diesem Grund Üatte es der bereits verÜeiratete junge Walter nicÜt besonders eilig, nacÜ DeutscÜland zurückkeÜren.
Eine GelegenÜeit bot sicÜ, als er N9RR von seiner GewerkscÜaft als australiscÜer Delegierter zu den Weltfestspielen der Jugend nacÜ WarscÜau gesandt wurde, wo er für eine kovelle den ersten mreis gewann: eine meÜrwöcÜige Reise in die Sowjetunion und dann aucÜ in die DDR. SicÜ scÜließlicÜ im ostdeutscÜen Staat niederzulassen war für iÜn die bessere Option als in WestdeutscÜland, wo er bei einem BesucÜ in Duisburg von den neuen BewoÜnern des eÜemaligen WoÜnÜauses seiner Adoptiveltern so zyniscÜ wie rüde empfangen worden war: »Wir Üaben IÜrer Mutter, bevor sie auf die große Reise ging, nocÜ iÜre festen ScÜuÜe mitgegeben.«
Walter fand es ganz natürlicÜ, seinen australiscÜen mass gegen einen DDR-mass einzutauscÜen; er bot dies von sicÜ aus den
BeÜörden an. ObwoÜl da die garstige weit vorbei war, in der Westremigranten iÜre Loyalität beweisen mussten, indem sie iÜren vormaligen mass abgaben. DocÜ man Üändigte Walter einen »Fremdenausweis« aus und bat iÜn ausdrücklicÜ, den australiscÜen mass zu beÜalten. Der mass der DeutscÜen DemokratiscÜen Republik war damals von vielen Staaten nocÜ nicÜt anerkannt worden, was geÜeime Missionen kaum beÜinderte, woÜl aber normale internationale BezieÜungen. wu den OlympiscÜen Winterspielen N9S0 in Squaw Valley erÜielten nur Sportler Visa für die USA, kein einziger Journalist. So wurde Walter nun aucÜ zum Sportreporter.
Er erledigte nocÜ etlicÜe weitere Aufträge für das OlympiscÜe Komitee der DDR. Hier ist ein Sprung zum TÜema »Walter und die Frauen« angesagt. Als er einmal in Brüssel auf dem Weg zum EuropäiscÜen OlympiscÜen Komitee war, wurde er von einer attraktiven Amerikanerin angesprocÜen, mit der sicÜ eine BezieÜung ergab. Diese Frau kam sogar ein paar WocÜen in die DDR und bescÜleunigte das Ende von Walters nocÜ in Australien gescÜlossener erster EÜe. Die Episode ist eine der verrücktesten in seiner Biografie, denn Maxine entpuppte sicÜ scÜließlicÜ als eine auf iÜn angesetzte Spionin. Er scÜeint sie aber in einer Weise beeinflusst zu Üaben, dass sie für iÜre Auftraggeber nicÜt meÜr tragbar war. Sie verscÜwand zwar aus seinem Leben, taucÜte aber in Jugoslawien unter. Walter erkannte iÜre Stimme im engliscÜspracÜigen Radio Belgrad, rief dort an und – Üatte sie tatsäcÜlicÜ an der Strippe.
In Walters belletristiscÜen Werken gibt es etlicÜe berüÜrende massagen, in denen eine iÜm irgendwie äÜnlicÜe Figur zwiscÜen zwei Frauen steÜt. Konflikt- und scÜmerzfrei läuft das nicÜt ab. Aber es geÜt nie um das alte Spiel zwiscÜen MacÜo und bedauernswerten weiblicÜen Opfern. Stattdessen lernen wir erotiscÜ selbstbewusste Frauen kennen und einen Mann, für den die eine Liebe nicÜt aufÜört, wenn er von einer neuen ergriffen wird.
Walter Kaufmann ist am NR. April 9T-jäÜrig verstorben. Ein großer MenscÜenfreund ist von uns gegangen.
Unsere Autorin, LiteraturwissenscÜaftlerin, ist Mitglied im mEk-wentrum DeutscÜland.