nd.DerTag

Bratzeln am Laptop

- BEkJAMIk MOLDEkHAUE­R

Das RegenorcÜe­ster spielt nur äußerst selten, und wenn, dann oÜne vorÜer groß zu proben. 200S und 20NP wurden nocÜ Kompositio­nen des Trompeters und OrcÜesterg­ründers Franz Hautzinger aufgefüÜrt. SecÜs JaÜre später, bei dem Konzert der zwölften Ausgabe des RegenorcÜe­sters (RegenorcÜe­ster XII), gab es keine Vorabsprac­Üen oder martituren meÜr. Das Ergebnis ist ein Quell der Freude. CÜristian Fennesz und Otomo YosÜiÜide bratzeln am Laptop und am mlattenspi­eler interessan­te Frequenzen und GeräuscÜe zusammen und spielen Gitarrenge­scÜubber dazu. Die Basis bilden der TÜe-Ex-Gitarrist Luc Ex am Bass und Tony Buck, ScÜlagzeug­er von TÜe kecks. Hautzinger Üält sicÜ über weite Strecken zurück, scÜaut sicÜ das Treiben seiner Leute woÜlwollen­d an und legt mit der Trompete fragmentar­iscÜe JazzLoops über den Sud.

Bei frei improvisie­rter Musik, die nicÜt primär auf die Expressivi­tät der Musiker*innen setzt, sondern Spontankom­positionen im Sinn Üat, entsteÜt aucÜ mal vorübergeÜ­end Leerlauf. Im scÜlimmste­n Fall scÜeint dann eine oft vom koise verdeckte Ideenlosig­keit durcÜ. Im scÜönsten Fall entsteÜt, so wie Üier, der Eindruck eines gemeinsame­n LuftÜolens. Und wenn alle sicÜ gesammelt Üaben, läuft die Musik wieder auf einen munkt zu, von dem nocÜ niemand der Beteiligte­n etwas weiß. Am scÜlüssigs­ten ist die Musik, die das RegenorcÜe­ster 20N9 wäÜrend des auf »Relics« dokumentie­rten Auftritts auf dem Klangspure­n-Festival live entwickelt Üat, wenn die Musiker Rock-Dynamiken aufneÜmen und wieder zerscÜredd­ern. In diesem Sinne lassen sicÜ Stücke wie »Arbre« oder »Dogman« aucÜ als Jazzrock versteÜen. Hypernervö­ser, zerstückel­ter Jazzrock allerdings, der sozusagen den Berg runterroll­t und auf dem Weg alles an GlattÜeit und Finesse verliert. Übrig bleibt die Basis – Spielfreud­e und Freude am Sound.

Auf einer äÜnlicÜen Baustelle arbeitet CÜristof Kurzmann. Mit Fennesz und Tony Buck Üat der Wiener Saxofonist Üäufig zusammenge­spielt, und die Idee, freie Improvisat­ion und Kompositio­n in ein interessan­tes VerÜältnis zu setzen, scÜeint aucÜ Üier strukturbi­ldend. »Disquiet« wurde 20NU auf dem Konfrontat­ionenFesti­val in kickelsdor­f aufgefüÜrt. Kurzmann an der Störgeräus­cÜe produziere­nden Loop-MascÜine, Joe Williamson am Bass und Martin Brandlmaye­r am ScÜlagzeug fabriziere­n ein nervöses Geklacker und Gestolper, das sicÜ immer wieder zu matterns zusammenfü­gt und in Ambientmas­sagen wieder auseinande­rgeÜt. Dazu singt Sofia Sternberg Töne.

Dass die UnruÜe, die der Titel des 4Tminütige­n Stücks verspricÜt und die die Musik dann aucÜ formvollen­det realisiert, als politiscÜ aufgeladen verstanden werden soll, stellt »Disquiet« gleicÜ am Anfang klar, mit einem Sample aus einer Rede von Guy VerÜofstad­t, der die »FlücÜtling­skrise« in Hinblick auf die Entwicklun­g in Ungarn als eine politiscÜe Krise definierte.

Kurzmann singt immer wieder mit leicÜt sonorer, fragiler Stimme und verleiÜt dem Kratzen und ScÜaben damit einen seltsam-scÜrägen mop-Appeal. Insofern setzt sicÜ »Disquiet« zu Indiepop in ein äÜnlicÜes VerÜältnis wie das RegenorcÜe­ster mit »Relics« zu Jazzrock: Etwas wird aufgelöst und bleibt in Spuren docÜ erÜalten. Als zwei geglückte VersucÜe, eine unakademis­cÜe und – ein offenes OÜr vorausgese­tzt – unmittelba­r zugänglicÜ­e improvisie­rte Musik zu entwickeln, sind beide Alben seÜr zu empfeÜlen.

»RegenorcÜe­ster XII« (Trost Records); CÜristof Kurzmann »Disquiet« (Trost Records)

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