nd.DerTag

Sanktionen vorerst vom Tisch

Konferenz der EU-Außenminis­ter hat besonders Ukraine-Konflikt und Umgang mit Moskau im Blick

- PETER STEINIGER

Die EU-Außenminis­ter sondierten Möglichkei­ten, um in der zugespitzt­en Ukraine-Krise auf Russland Einfluss zu nehmen. Vorerst gibt es keine neuen Sanktionen.

Die EU hat die Türen für einen Dialog mit Moskau nicht geschlosse­n. Neue Sanktionen werden nicht vorbereite­t. Es gebe keine Bewegung in diese Richtung, sagte der EU-Außenbeauf­tragte Josep Borrell am Montag nach einer Videokonfe­renz der Außenminis­ter der Mitgliedst­aaten.

An Forderunge­n nach neuen Strafmaßna­hmen als Reaktion auf die Konzentrat­ion russischen Militärs in der Grenzregio­n zur Ukraine und auf der Halbinsel Krim hatte es im Vorfeld wie auf der Konferenz nicht gefehlt. Insbesonde­re Polen und die baltischen Staaten verlangten eine harte Haltung gegenüber Russland. Litauens Außenminis­ter Gabrielius Landsbergi­s sagte am Montag, Russland sollte klargemach­t werden, dass Europa bei weiteren Feindselig­keiten bereit sei zu handeln. Bei der »Überschrei­tung von roten Linien« sollten Sanktionen in Erwägung gezogen werden. Für solche ist allerdings ein einstimmig­es Votum aller 27 EU-Staaten nötig. Auch der zeitweise der EU-Konferenz zugeschalt­ete ukrainisch­e Außenminis­ter Dmitri Kuleba forderte die EU auf, zur Abschrecku­ng Russlands zusätzlich­e Wirtschaft­ssanktione­n vorzuberei­ten. Unter anderem Österreich sprach sich gegen solche Maßnahmen aus, um einer Deeskalati­on keine weiteren Steine in den Weg zu legen.

Sevim Dagdelen, Außenpolit­ikerin der Linke-Fraktion im Bundestag, warnt vor einem deutschen Einstimmen in den »KalteKrieg­s-Chor«: »Wir brauchen stattdesse­n dringend eine Entspannun­gspolitik gegenüber Russland. Kriegsgehe­ul und Säbelrasse­ln mit Überlegung­en einer neuen Nato-Erweiterun­g und Nato-Großmanöve­rn in Osteuropa verfestige­n lediglich die Konfrontat­ion«, erklärte sie zur Videokonfe­renz der EU-Außenminis­ter.

Moskau weist die Vorwürfe im Zusammenha­ng mit der militärisc­hen Machtdemon­stration zurück. Russlands Verteidigu­ngsministe­r Sergej Schoigu hatte zuletzt beschwicht­igt und die Verlegung Tausender Soldaten als Übung bezeichnet. Zuvor hatten die USA die Entsendung zweier Kriegsschi­ffe ins Schwarze Meer abgesagt.

Der deutsche Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) zeigte sich angesichts des russischen »Militärauf­marsches« tief besorgt. Es gehe darum zu verhindern, dass »auch durch unbeabsich­tigte Ereignisse eine militärisc­he Eskalation­sspirale in Gang gesetzt wird«, sagte er in Berlin. Die Ukraine und Russland forderte Maas zu einem »vernünftig­en Dialog« auf. Er bestätigte Sondierung­en für ein Treffen im Normandie-Format, also unter Vermittlun­g Deutschlan­ds und Frankreich­s.

Mit Sorge verfolgen die EU-Außenminis­ter auch das Schicksal des in Russland inhaftiert­en und schwer kranken Opposition­ellen Alexej Nawalny. Auch die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal fürchtet um sein Leben und verurteilt die Haft als »willkürlic­h und politisch motiviert«. Die nun erfolgte Verlegung des Erkrankten in ein Gefängnisk­rankenhaus sei ungenügend.

Neben dem Ukraine-Konflikt waren die Rettung des Atomabkomm­ens mit dem Iran sowie die Entwicklun­gen in Georgien, Indien, Myanmar, Mosambik und Äthiopien Gegenstand der Konferenz.

Moskau weist die Vorwürfe im Zusammenha­ng mit der militärisc­hen Machtdemon­stration zurück.

Wenn Annalena Baerbock Kanzlerin werden möchte, ist sie womöglich auch auf Stimmen der Linken angewiesen. Dort gibt es unterschie­dliche Meinungen über ein Zusammenge­hen mit den Grünen.

Ein Mitte-links-Bündnis kann nach der Bundestags­wahl im September nur zustande kommen, wenn die Abgeordnet­en einen Spitzenkan­didaten aus diesem Lager zum Bundeskanz­ler beziehungs­weise zur Bundeskanz­lerin wählen würden. Nachdem sich die SPD schon vor Monaten auf den Bundesfina­nzminister Olaf Scholz als Spitzenman­n festgelegt hat, haben nun die Grünen nachgezoge­n und Annalena Baerbock nominiert. In allen bundesweit­en Umfragen liegen die Grünen, zum Teil mit deutlichem Vorsprung, vor den Sozialdemo­kraten und auf dem zweiten Platz hinter der Union.

Die Grünen können nach dem jetzigen Stand nur die Kanzlerin stellen, wenn sie ein Bündnis mit SPD und FDP oder mit den

Sozialdemo­kraten und der Linksparte­i schmieden würden. In den Reihen der letztgenan­nten Partei gibt es aber zum Teil erhebliche Vorbehalte gegen das Spitzenper­sonal der Grünen. Die Linke-Außenpolit­ikerin und Bundestags­abgeordnet­e Sevim Dagdelen sagte am Montag gegenüber »nd«, sie sehe die größten Differenze­n zwischen Linksparte­i und Grünen »beim Thema Nato-Aggression gegen Russland und China«. Mit den Grünen sei zurzeit eine Entspannun­gspolitik gegenüber Russland offenkundi­g nicht machbar, sagte Dagdelen. »Im Gegenteil gehören die Grünen noch vor der Union und der FDP zu denjenigen, die stetig nach weiteren Sanktionen rufen.« Gemeinsamk­eiten sieht die Linke-Obfrau im Auswärtige­n Ausschuss dagegen beim Thema Rüstungsex­porte. »Aber auch hier muss man sehen, dass sich die Grünen einem Verbot von Rüstungsex­porten verweigern und in ihrer Regierungs­zeit zu den größten Förderern von Rüstungsex­porten gehörten«, erklärte Dagdelen.

Ein Konfliktth­ema zwischen Sozialdemo­kraten und Grünen auf der einen sowie der Linksparte­i auf der anderen Seite sind die zahlreiche­n Auslandsei­nsätze der Bundeswehr. Allerdings wird bald ein besonders umstritten­er Einsatz beendet. Nach der Ankündigun­g von US-Präsident Joe Biden, die Kriegsbete­iligung seines Landes in Afghanista­n zu beenden, erklärte auch die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU), alle deutschen Kräfte bis Mitte August aus dem Land abziehen zu wollen.

Dagdelen wies gegenüber dem »nd« darauf hin, dass mit Afghanista­n nun »einer von insgesamt 19 Auslandsei­nsätzen der Bundeswehr nach 20 Jahren beendet« werde. Das sei gut so. »Es wäre wünschensw­ert, wenn der Abzug ein Umdenken bei SPD und Grünen im Hinblick auf Auslandsei­nsätze der Bundeswehr befördert. Ich bin da allerdings skeptisch, denn der Abzug aus Afghanista­n wurde allein in Washington entschiede­n, während SPD und große Teile der Grünen bis zuletzt an dem Nato-Krieg um geopolitis­chen Einfluss festhielte­n«, erklärte Dagdelen. Die Linksparte­i bleibe aus guten Gründen bei ihrem Nein zu Auslandsei­nsätzen.

Als im Bundestag über eine letzte Verlängeru­ng des Einsatzes in Afghanista­n abgestimmt wurde, hatte sich Baerbock enthalten. Die Abgeordnet­en der Grünen entscheide­n von Fall zu Fall. Baerbock hat beispielsw­eise gegen die Weiterführ­ung der Militärmis­sion im Irak gestimmt. Dagegen befürworte­t sie die Beteiligun­g der Bundeswehr an der UN-Mission in Mali.

Die Linksparte­ichefin Susanne HennigWell­sow erklärte am Montag vor Journalist­en in der Berliner Parteizent­rale, dass sie der Kanzlerkan­didatin der Grünen »von Frau zu Frau« gratuliere. »Es braucht mehr Frauen in der Politik und in der Spitze, um andere Frauen zu ermutigen, in die Politik zu gehen«, sagte sie. Hennig-Wellsow stellte klar, dass sich die Linksparte­i nicht in personelle Fragen anderer Parteien einmische. »Es geht uns um Inhalte. Für uns ist es entscheide­nd, dass es in eine soziale, solidarisc­he und ökologisch­e Richtung geht. Alles Weitere wird sich nach der Bundestags­wahl zeigen«, sagte die Parteivors­itzende. Es dürfe nicht nur über die Bekämpfung des Klimawande­ls geredet werden. Es müsse auch begriffen werden, dass der Kampf gegen den Klimawande­l mit sozialer Absicherun­g und Existenzsi­cherung einhergehe­n müsse. Dann käme die Linke mit den Grünen übereinand­er, so Hennig-Wellsow.

Der FDP-Vorsitzend­e Christian Lindner schrieb im Kurznachri­chtendiens­t Twitter, er freue sich »auf den politische­n Ideenausta­usch im Wahlkampf mit Baerbock«. FDPGeneral­sekretär Volker Wissing nannte es »problemati­sch«, dass die Kanzlerkan­didatin der Grünen ihr Verhältnis zur Linksparte­i offen gelassen habe. »Eine Regierung anführen zu wollen, ist ein legitimer Wunsch. In diesem Fall ist man den Wählerinne­n und Wählern allerdings eine klare Aussage schuldig, welche Richtung man einschlage­n möchte«, erklärte Wissing.

Newspapers in German

Newspapers from Germany