Sanktionen vorerst vom Tisch
Konferenz der EU-Außenminister hat besonders Ukraine-Konflikt und Umgang mit Moskau im Blick
Die EU-Außenminister sondierten Möglichkeiten, um in der zugespitzten Ukraine-Krise auf Russland Einfluss zu nehmen. Vorerst gibt es keine neuen Sanktionen.
Die EU hat die Türen für einen Dialog mit Moskau nicht geschlossen. Neue Sanktionen werden nicht vorbereitet. Es gebe keine Bewegung in diese Richtung, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag nach einer Videokonferenz der Außenminister der Mitgliedstaaten.
An Forderungen nach neuen Strafmaßnahmen als Reaktion auf die Konzentration russischen Militärs in der Grenzregion zur Ukraine und auf der Halbinsel Krim hatte es im Vorfeld wie auf der Konferenz nicht gefehlt. Insbesondere Polen und die baltischen Staaten verlangten eine harte Haltung gegenüber Russland. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis sagte am Montag, Russland sollte klargemacht werden, dass Europa bei weiteren Feindseligkeiten bereit sei zu handeln. Bei der »Überschreitung von roten Linien« sollten Sanktionen in Erwägung gezogen werden. Für solche ist allerdings ein einstimmiges Votum aller 27 EU-Staaten nötig. Auch der zeitweise der EU-Konferenz zugeschaltete ukrainische Außenminister Dmitri Kuleba forderte die EU auf, zur Abschreckung Russlands zusätzliche Wirtschaftssanktionen vorzubereiten. Unter anderem Österreich sprach sich gegen solche Maßnahmen aus, um einer Deeskalation keine weiteren Steine in den Weg zu legen.
Sevim Dagdelen, Außenpolitikerin der Linke-Fraktion im Bundestag, warnt vor einem deutschen Einstimmen in den »KalteKriegs-Chor«: »Wir brauchen stattdessen dringend eine Entspannungspolitik gegenüber Russland. Kriegsgeheul und Säbelrasseln mit Überlegungen einer neuen Nato-Erweiterung und Nato-Großmanövern in Osteuropa verfestigen lediglich die Konfrontation«, erklärte sie zur Videokonferenz der EU-Außenminister.
Moskau weist die Vorwürfe im Zusammenhang mit der militärischen Machtdemonstration zurück. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte zuletzt beschwichtigt und die Verlegung Tausender Soldaten als Übung bezeichnet. Zuvor hatten die USA die Entsendung zweier Kriegsschiffe ins Schwarze Meer abgesagt.
Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich angesichts des russischen »Militäraufmarsches« tief besorgt. Es gehe darum zu verhindern, dass »auch durch unbeabsichtigte Ereignisse eine militärische Eskalationsspirale in Gang gesetzt wird«, sagte er in Berlin. Die Ukraine und Russland forderte Maas zu einem »vernünftigen Dialog« auf. Er bestätigte Sondierungen für ein Treffen im Normandie-Format, also unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs.
Mit Sorge verfolgen die EU-Außenminister auch das Schicksal des in Russland inhaftierten und schwer kranken Oppositionellen Alexej Nawalny. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International fürchtet um sein Leben und verurteilt die Haft als »willkürlich und politisch motiviert«. Die nun erfolgte Verlegung des Erkrankten in ein Gefängniskrankenhaus sei ungenügend.
Neben dem Ukraine-Konflikt waren die Rettung des Atomabkommens mit dem Iran sowie die Entwicklungen in Georgien, Indien, Myanmar, Mosambik und Äthiopien Gegenstand der Konferenz.
Moskau weist die Vorwürfe im Zusammenhang mit der militärischen Machtdemonstration zurück.
Wenn Annalena Baerbock Kanzlerin werden möchte, ist sie womöglich auch auf Stimmen der Linken angewiesen. Dort gibt es unterschiedliche Meinungen über ein Zusammengehen mit den Grünen.
Ein Mitte-links-Bündnis kann nach der Bundestagswahl im September nur zustande kommen, wenn die Abgeordneten einen Spitzenkandidaten aus diesem Lager zum Bundeskanzler beziehungsweise zur Bundeskanzlerin wählen würden. Nachdem sich die SPD schon vor Monaten auf den Bundesfinanzminister Olaf Scholz als Spitzenmann festgelegt hat, haben nun die Grünen nachgezogen und Annalena Baerbock nominiert. In allen bundesweiten Umfragen liegen die Grünen, zum Teil mit deutlichem Vorsprung, vor den Sozialdemokraten und auf dem zweiten Platz hinter der Union.
Die Grünen können nach dem jetzigen Stand nur die Kanzlerin stellen, wenn sie ein Bündnis mit SPD und FDP oder mit den
Sozialdemokraten und der Linkspartei schmieden würden. In den Reihen der letztgenannten Partei gibt es aber zum Teil erhebliche Vorbehalte gegen das Spitzenpersonal der Grünen. Die Linke-Außenpolitikerin und Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen sagte am Montag gegenüber »nd«, sie sehe die größten Differenzen zwischen Linkspartei und Grünen »beim Thema Nato-Aggression gegen Russland und China«. Mit den Grünen sei zurzeit eine Entspannungspolitik gegenüber Russland offenkundig nicht machbar, sagte Dagdelen. »Im Gegenteil gehören die Grünen noch vor der Union und der FDP zu denjenigen, die stetig nach weiteren Sanktionen rufen.« Gemeinsamkeiten sieht die Linke-Obfrau im Auswärtigen Ausschuss dagegen beim Thema Rüstungsexporte. »Aber auch hier muss man sehen, dass sich die Grünen einem Verbot von Rüstungsexporten verweigern und in ihrer Regierungszeit zu den größten Förderern von Rüstungsexporten gehörten«, erklärte Dagdelen.
Ein Konfliktthema zwischen Sozialdemokraten und Grünen auf der einen sowie der Linkspartei auf der anderen Seite sind die zahlreichen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Allerdings wird bald ein besonders umstrittener Einsatz beendet. Nach der Ankündigung von US-Präsident Joe Biden, die Kriegsbeteiligung seines Landes in Afghanistan zu beenden, erklärte auch die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), alle deutschen Kräfte bis Mitte August aus dem Land abziehen zu wollen.
Dagdelen wies gegenüber dem »nd« darauf hin, dass mit Afghanistan nun »einer von insgesamt 19 Auslandseinsätzen der Bundeswehr nach 20 Jahren beendet« werde. Das sei gut so. »Es wäre wünschenswert, wenn der Abzug ein Umdenken bei SPD und Grünen im Hinblick auf Auslandseinsätze der Bundeswehr befördert. Ich bin da allerdings skeptisch, denn der Abzug aus Afghanistan wurde allein in Washington entschieden, während SPD und große Teile der Grünen bis zuletzt an dem Nato-Krieg um geopolitischen Einfluss festhielten«, erklärte Dagdelen. Die Linkspartei bleibe aus guten Gründen bei ihrem Nein zu Auslandseinsätzen.
Als im Bundestag über eine letzte Verlängerung des Einsatzes in Afghanistan abgestimmt wurde, hatte sich Baerbock enthalten. Die Abgeordneten der Grünen entscheiden von Fall zu Fall. Baerbock hat beispielsweise gegen die Weiterführung der Militärmission im Irak gestimmt. Dagegen befürwortet sie die Beteiligung der Bundeswehr an der UN-Mission in Mali.
Die Linksparteichefin Susanne HennigWellsow erklärte am Montag vor Journalisten in der Berliner Parteizentrale, dass sie der Kanzlerkandidatin der Grünen »von Frau zu Frau« gratuliere. »Es braucht mehr Frauen in der Politik und in der Spitze, um andere Frauen zu ermutigen, in die Politik zu gehen«, sagte sie. Hennig-Wellsow stellte klar, dass sich die Linkspartei nicht in personelle Fragen anderer Parteien einmische. »Es geht uns um Inhalte. Für uns ist es entscheidend, dass es in eine soziale, solidarische und ökologische Richtung geht. Alles Weitere wird sich nach der Bundestagswahl zeigen«, sagte die Parteivorsitzende. Es dürfe nicht nur über die Bekämpfung des Klimawandels geredet werden. Es müsse auch begriffen werden, dass der Kampf gegen den Klimawandel mit sozialer Absicherung und Existenzsicherung einhergehen müsse. Dann käme die Linke mit den Grünen übereinander, so Hennig-Wellsow.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, er freue sich »auf den politischen Ideenaustausch im Wahlkampf mit Baerbock«. FDPGeneralsekretär Volker Wissing nannte es »problematisch«, dass die Kanzlerkandidatin der Grünen ihr Verhältnis zur Linkspartei offen gelassen habe. »Eine Regierung anführen zu wollen, ist ein legitimer Wunsch. In diesem Fall ist man den Wählerinnen und Wählern allerdings eine klare Aussage schuldig, welche Richtung man einschlagen möchte«, erklärte Wissing.