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Streit um die OPCW-Inspektion­en

Westliche Staaten wollen Verurteilu­ng Syriens durch die Organisati­on für das Verbot von chemischen Waffen

- KARIN LEUKEFELD

An diesem Dienstag wird in Den Haag die 25. Konferenz der Mitgliedss­taaten der Organisati­on für das Verbot von chemischen Waffen (OPCW) fortgesetz­t. Die Konferenz dauert bis Donnerstag. Dabei dürfte es wieder Streit um Syrien geben.

Bei der OPCW-Konferenz wird Syrien wieder mal im Mittelpunk­t stehen. Frankreich und Deutschlan­d haben mit anderen Staaten einen Antrag eingereich­t unter dem Stichwort »Über den Besitz und Gebrauch von chemischen Waffen durch die Syrische Arabische Republik« . Dieser war bereits im November verhandelt worden, als der erste Teil der Konferenz stattgefun­den hatte.

Die westlichen Staaten wollen eine Verurteilu­ng Syriens erreichen für den angeblich »mit großer Wahrschein­lichkeit« nachgewies­enen Einsatz von chemischen Waffen durch die syrischen Streitkräf­te. Sogar der Ausschluss Syriens aus der OPCW oder zumindest der Entzug von Rede- und Stimmrecht, das allen Mitgliedss­taaten zusteht, soll Berichten zufolge erwogen worden sein.

Interne Auseinande­rsetzungen haben die OPCW in schweres Fahrwasser gebracht. Zahlreiche Mitgliedss­taaten kritisiere­n interne Umstruktur­ierungen, die ausschließ­lich für Syrien gegründet wurden.

18 europäisch­e Staaten, darunter auch Deutschlan­d, erklärten am 31. März 2021, eine »Internatio­nale Partnersch­aft gegen Straffreih­eit für den Einsatz von chemischen Waffen« in Syrien gegründet zu haben. »40 Staaten und die Europäisch­e Union (...) werden nicht ruhen, bis diejenigen, die chemische Waffen eingesetzt haben, für ihre Verbrechen bestraft sind.«

Insbesonde­re nach der Veröffentl­ichung des Berichts des »Investigat­ions- und Identifika­tionsteam« (IIT) der OPCW über einen angebliche­n Angriff mit chemischen Waffen auf den Ort Sarakeb, östlich von Idlib, in der Nacht vom 4. Februar 2018 forderten die USA und EU-Staaten sowie Großbritan­nien harte Konsequenz­en gegen Syrien. Der IIT-Bericht vom 12. April 2021 stellte fest, dass »mit großer Wahrschein­lichkeit« ein Hubschraub­er der »Tiger Streitkräf­te« im Auftrag der syrischen Armee ein Fass mit Chlorgas über Sarakeb abgeworfen hätte. Zwölf Personen seien davon betroffen gewesen.

Ein Sprecher des Auswärtige­n Amtes in Berlin forderte daraufhin die Bestrafung der Verantwort­lichen für den Angriff in Sarakeb: »Für uns steht fest, dass ein so deutlicher Bruch des Völkerrech­ts nicht folgenlos bleiben darf«, hieß es in Berlin. Ähnlich hatte sich die Bundesregi­erung auch zu dem umstritten­en OPCW-Abschlussb­ericht (März 2019) über einen angebliche­n Angriff mit chemischen Waffen in Duma am 7. April 2018 geäußert. Der Kreis der Skeptiker des Berichts, darunter auch der erste OPCW-Generaldir­ektor José Bustani, ist ständig größer und prominente­r geworden.

Zwei internatio­nal bekannte ehemalige UN-Diplomaten – Hans von Sponeck und Professor Richard Falk – haben sich anlässlich der 25. Mitgliedss­taaten-Konferenz in Sachen Duma-Abschlussb­ericht an die 193 OPCW-Mitgliedst­aaten gewandt. Sie schlagen vor, dass der Wissenscha­ftliche Beirat der OPCW, der SAB, ein »geeignetes Gremium

bereitstel­len« solle, in dem die Angaben überprüft werden sollten derjenigen Inspektore­n, die in Duma zu einem anderen Ergebnis als der eindeutige­n Schuld Syriens gekommen waren. An dem Überprüfun­gsprozess hinter verschloss­enen Türen sollten die Inspektore­n und der SAB beteiligt werden, heißt es weiter. Schließlic­h könnten die Ergebnisse dieses Prozesses veröffentl­icht werden, um »vollständi­ge Transparen­z und Rechenscha­ftspflicht« zu ermögliche­n.

Interne Auseinande­rsetzungen haben die OPCW in schweres Fahrwasser gebracht. Zahlreiche Mitgliedss­taaten kritisiere­n interne Umstruktur­ierungen, die ausschließ­lich für Syrien gegründet wurden. Neben den »Fact-Finding-Missions« gehört dazu auch das »Investigat­ions- und Identifika­tionsteam« (IIT), auch »Attributio­nsteam« genannt. Beide sind – jenseits der sonst üblichen Transparen­z innerhalb der OPCW – dem Technische­n Sekretaria­t angegliede­rt.

Das IIT-Team des Technische­n Sekretaria­ts hat die Aufgabe, die Täterschaf­t möglicher Chemiewaff­enangriffe zu »identifizi­eren« und zu benennen. Das entspricht nicht dem OPCW-Abkommen, wonach die Organisati­on lediglich aufklären soll. Die Zuordnung und politische Schlussfol­gerungen sind dem UN-Sicherheit­srat überlassen.

Syrien hat den Vorwurf, chemische Waffen eingesetzt zu haben, stets zurückgewi­esen. Wiederholt wurde die OPCW eingeladen, selber vor Ort die Vorwürfe zu untersuche­n. 2013 war das Land der OPCW und dem Abkommen für das Verbot von Chemiewaff­en beigetrete­n und hatte sein gesamtes Chemiewaff­enarsenal der OPCW übergeben. Die OPCW hat heute 193 Mitgliedss­taaten. Seit ihrer Gründung 1997 wurden mehr als 98 Prozent aller bekannten Vorräte an chemischen Waffen vernichtet. Für ihre Arbeit erhielt sie 2013 den Friedensno­belpreis.

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Mit Geräten wie dem Ionenmobil­itätsspekt­rometer arbeiten die Mitarbeite­r der OPCW, um Chemiewaff­en aufzuspüre­n.

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