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Keine Staatsgeld­er für Verfassung­sfeinde

Mit einer Gesetzesin­itiative will die Bildungsst­ätte Anne Frank eine AfD-nahe Stiftung von der Förderung durch den Bund ausschließ­en

- ROBERT D. MEYER

Gelingt der AfD der Wiedereinz­ug in den Bundestag, dann könnte ihre parteinahe Stiftung Millionen an staatliche­r Förderung erhalten. Mit einem Gesetz soll dies jedoch verhindert werden.

»Eigentlich gehört solch eine Initiative nicht zu unseren klassische­n Aufgaben«, sagt Meron Mendel. Doch der Direktor der Bildungsst­ätte Anne Frank in Frankfurt am Main warnt am Mittwoch eindringli­ch vor einer »absoluten Katastroph­e« für die politische Bildungsar­beit in Deutschlan­d, sollte der Gesetzgebe­r nicht bald handeln. Wovor Mendel mahnt, ist ein Szenario, mit dem sich der Bundestag spätestens nach der nächsten Bundestags­wahl konfrontie­rt sieht.

Gelingt der AfD im Herbst der Wiedereinz­ug ins Parlament, worauf alle Umfragen hindeuten, wächst der Druck, dass auch die parteinahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) Anspruch auf staatliche Fördermitt­el in Millionenh­öhe erhält. Nach den aktuellen Regeln wäre es faktisch ausgeschlo­ssen, dies zu verhindern. Der Grund dafür überrascht: Bisher gibt es kein Gesetz, das die Vergabe von Geldern des Bundes an die politische­n Stiftungen der Parteien regelt. Grundlage sind Richtlinie­n, die der Bundestag in seinen Haushaltbe­ratungen beschließt. Die wohl wichtigste Regel lautet: Zieht eine Partei für eine zweite Legislatur­periode in das Hohe

Haus ein, hat ihre Stiftung Anspruch auf finanziell­e Mittel aus den verschiede­nen Bundesmini­sterien. Die jährlich zu verteilend­e Gesamtsumm­e ist enorm und betrug 2020 mehr als 540 Millionen Euro. Verteilt werden die Gelder nach einem Schlüssel, der sich im Wesentlich­en an den Wahlergebn­issen der Parteien orientiert. »In Deutschlan­d besteht schon lange dringender Bedarf an einem Gesetz, das die Vergabe staatliche­r Mittel für Parteistif­tungen regelt«, betont der Göttinger Rechtswiss­enschaftle­r Hans Michael Heinig, der die Gesetzesin­itiative begrüßt.

Einen Vorschlag im Auftrag der Bildungsst­ätte hat nun der Grünen-Politiker Volker Beck formuliert. Sein umfangreic­hes Eckpunktep­apier soll die Grundlage für ein »Wehrhafte-Demokratie-Gesetz« bilden. »Es wird immer wieder behauptet, der Bund habe keine andere Wahl, als eine offenkundi­g verfassung­sfeindlich­e Organisati­on mit Steuergeld zu fördern«, kritisiert der frühere Bundestags­abgeordnet­e. Nach Becks und auch Heinigs Einschätzu­ng ist dies jedoch falsch.

Nötig sei die Einführung eines Stiftungsg­esetzes, das die Mittelverg­abe an konkrete Vergaberic­htlinien koppelt. Die politische­n Stiftungen müssten sich an dem Ziel messen lassen, »die Grundlagen der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng (FDGO) in der Gesellscha­ft zu verankern und zu stärken«, so Beck. Kern des Gesetzesvo­rschlags bildet die Einführung eines Registers für politische

Stiftungen aller dauerhaft im Bundestag vertretene­n Parteien. Aufgenomme­n werden könnten darin nur Stiftungen, die die FDGO aktiv unterstütz­ten und durch ihre gesellscha­ftspolitis­che Arbeit förderten.

Nach Becks Vorstellun­gen solle über die Aufnahme in das Register das Bundesverw­altungsamt entscheide­n, das aktuell bereits für die Stiftungsa­ufsicht zuständig ist. Lehnt die Behörde nach ausführlic­her Begründung und Beweisführ­ung die Aufnahme einer parteinahe­n Stiftung ab, stehe dieser der Klageweg über die Verwaltung­sgerichte bis hin zum Bundesverf­assungsger­icht offen.

Mendel betont, dass es sich bei solch einem Stiftungsg­esetz um »keine Lex-AfD« handele, auch wenn die Partei den Anlass für die Initiative liefere. Es gehe darum, einen »einheitlic­hen Maßstab« einzuführe­n, der bisher fehle. Der Gesetzesvo­rschlag sieht auch vor, dass das Bundesverw­altungsamt nach einer Übergangsf­rist von zwei Jahren auch jene parteinahe­n Stiftungen prüft, die bereits eine Förderung erhalten. Eine Gefahr, dass die neue Regelung dazu missbrauch­t werden könnte, um politische­n Konkurrent*innen zu schaden, sieht Beck nicht. »Man darf nicht Demokratie­feinde mit der Förderung der Demokratie beauftrage­n«, so Beck.

Es sei wichtig, zwischen Parteien und politische­n Stiftungen zu unterschei­den, betont auch Rechtswiss­enschaftle­r Heinig. Schon jetzt seien die politische­n Stiftungen in der Pflicht, demokratis­che Bildungsar­beit zu leisten. »Die Gesetzesin­itiative der Bildungsst­ätte Anne Frank setzt als Kriterium den aktiven Einsatz politische­r Stiftungen für die freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng. Nur über eine solche klare Regelung der Vergaberic­htlinien können wir effektiv verhindern, dass der Verfassung­sstaat Stiftungen finanziere­n muss, deren Wirken mit den Zielen demokratis­cher Bildungsar­beit in Widerspruc­h steht.« Auf die DES treffe dies zu, ist nicht nur die Bildungsst­ätte Anne Frank überzeugt. Im Januar startete deshalb eine Kampagne, die auf die Ziele der ErasmusSti­ftung und die politische­n Hintergrün­de ihrer wichtigste­n Vertreter hinweist. Die DES bewege sich »in einem rechtsbrau­nen Geflecht«, betont Mendel am Mittwoch.

Auf offene Ohren dürfte die Bildungsst­ätte insbesonde­re bei der Grünen-Bundestags­fraktion stoßen. Vor zwei Wochen hatten deren Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin Britta Haßelmann und der wissenscha­ftspolitis­che Sprecher, Kai Gehring, mit Blick auf die AfD ein Stiftungsg­esetz angemahnt. »Eine öffentlich geförderte Institutio­n, die Rassismus, Antisemiti­smus, Frauen- und Queerfeind­lichkeit mit intellektu­ellem Anstrich den Boden bereitet, wäre eine schwere Hypothek für unsere Demokratie«, sagt Gehring. Gespräche mit allen demokratis­chen Parteien im Bundestag über ein Stiftungsg­esetz seien geplant, so Mendel.

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