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Sozialprot­este im Visier

Bündnis will geplantes Versammlun­gsgesetz in NRW stoppen

- HENNING VON STOLTZENBE­RG Infos: nrw-versammlun­gsgesetz-stoppen.de

Die schwarz-gelbe Landesregi­erung von Nordrhein-Westfalen plant ein neues Versammlun­gsgesetz. Der Entwurf hat es in sich.

Als Nordrhein-Westfalens Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) den Entwurf für ein neues Versammlun­gsgesetz im Januar im Landtag vorstellte, erklärte er, es gehe darum, das Versammlun­gsrecht des Bundes verständli­cher und klarer zu formuliere­n. Es sollten damit klare Regelungen für Demonstrat­ionen und Kundgebung­en geschaffen werden. Weil der Entwurf heftige Verschärfu­ngen bei den Demoauflag­en enthält, hat sich in NRW jetzt ein breites zivilgesel­lschaftlic­hes Bündnis gebildet, das das Gesetz verhindern will.

Tatsächlic­h will Reul Auflagen, gegen die Demobündni­sse bislang oft erfolgreic­h geklagt haben, in Gesetzesfo­rm gießen. Es könne nicht sein, dass »Störer« üben dürften, wie man andere am besten beim friedliche­n Demonstrie­ren störe, sagte er. Schließlic­h hätten alle ein Recht, friedlich zu demonstrie­ren und dabei geschützt zu werden. Schützen will er damit offenbar auch rechte bis neonazisti­sche Gruppierun­gen, die des Öfteren auf Blockaden von Antifaschi­sten treffen.

Insgesamt deutet vieles im Entwurf darauf hin, dass es darum geht, soziale Proteste von links einzudämme­n und zu kriminalis­ieren. Dem stellt sich das neue Bündnis »Versammlun­gsgesetz NRW stoppen – Grundrecht­e erhalten« entgegen.

»Durch verschiede­ne Regelungen soll es zivilgesel­lschaftlic­hen Akteuren erschwert werden, mit Kundgebung­en oder Demonstrat­ionen auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen und an der politische­n Willensbil­dung teilzunehm­en«, kritisiert Bündnisspr­echerin Michele Winkler. »Statt den Schutz des Grundrecht­s der Versammlun­gsfreiheit in den Mittelpunk­t zu stellen, schafft der Gesetzesen­twurf

weitreiche­nde Ermächtigu­ngen für die Polizei«, sagte Winkler »nd«. Der Zusammensc­hluss hat sich die Verhinderu­ng des Gesetzes in der bisher geplanten Form vorgenomme­n. Geplant sind dezentrale Aktivitäte­n in mehreren Städten sowie eine Aktionswoc­he zwischen dem 17. und 23. Juni.

Am 6. Mai ist eine Anhörung zum Gesetz im Landtag geplant. Die Koalition will es voraussich­tlich noch vor der parlamenta­rischen Sommerpaus­e verabschie­den.

Aus Sicht der Initiative­n, die weitere Mitstreite­r für die Protestakt­ionen suchen, steht viel auf dem Spiel. Meldeaufla­gen, anlasslose Videoüberw­achung und Kontrollst­ellen würden ein faktisches Versammlun­gsverbot für bestimmte Personen im Fall der Gesetzesve­rabschiedu­ng bedeuten, warnen sie auf ihrer Webseite, die kürzlich online ging. Weiter sollen Demo-Anmelder strafrecht­lich belangt werden können, wenn Versammlun­gen nicht so ablaufen, wie sie ursprüngli­ch geplant und mit Behörden kommunizie­rt wurden. Zudem kann die Polizei Namen und Adressen von Demo-Ordnern verlangen und einzelne Personen ablehnen.

Scharfe Kritik übt das Bündnis auch am sogenannte­n Militanzve­rbot. »Darunter fallen zukünftig nicht nur ohnehin verbotene Uniformen, sondern auch ›Bekleidung­en in vergleichb­arer Weise‹«, warnt Bündnisspr­echerin Gizem Kockaya. Die Formulieru­ng ziele offenbar darauf ab, »dem sogenannte­n Schwarzen Block oder Menschen in weißen Maleranzüg­en bei Protesten gegen den Braunkohle­abbau das Demonstrie­ren zu untersagen«. Kockaya hält den Entwurf deshalb für eindeutig verfassung­swidrig. Tatsächlic­h wäre es interessan­t zu erfahren, ob Reul auch beabsichti­gt, Warnwesten bei Streiks der Gewerkscha­ften oder Trachtenkl­eidung auf Kundgebung­en zu untersagen.

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