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Noch kein Zweikampf

Die Regierungs­mehrheit in Sachsen-Anhalt ist fragil. Die Linke kann das im Landtagswa­hlkampf bislang nicht zu ihrem Vorteil nutzen. In Sachsen-Anhalt steht die Kenia-Koalition durch die FDP auf der Kippe. Die Linke schwächelt weiter.

- MAX ZEISING

Ein Wahlplakat der Linken macht in Sachsen-Anhalt Furore. Doch das gewünschte Duell mit der CDU ist noch nicht in Sicht.

Die Fraktionen im Landesparl­ament von Sachsen-Anhalt haben nach fünf Jahren schwarz-rot-grüner Regierungs­zeit eine Bilanz gezogen. Auch das Liebäugeln von Teilen der CDU mit den radikalen Rechten war dabei ein Thema.

Eva von Angern wirkte recht gut gelaunt. Trotz mieser Umfragewer­te sechs Wochen vor der Landtagswa­hl in Sachsen-Anhalt gab sich die Spitzenkan­didatin der Linken am Freitag bei der Präsentati­on der Plakatkamp­agne optimistis­ch, den nach unten zeigenden Trend der Partei noch wenden zu können. Kurz zuvor hatte die 44-Jährige, die auf einem Parteitag im Januar mit einem ordentlich­en Ergebnis zur Frontfrau für die Wahl am 6. Juni gekürt worden war, von den neuesten Zahlen von Infratest Dimap im Auftrag des MDR erfahren: 12 Prozent, minus 4,3 im Vergleich zur Landtagswa­hl 2016.

Das ist weit entfernt von den Ansprüchen der Linken, die 2011 noch doppelt so stark war. Doch von Angern gab sich im Gespräch mit dem »nd« am Rande der Plakatvors­tellung kämpferisc­h: »Wir sind nicht glücklich über diese Zahlen, aber wichtig ist das Ergebnis am Wahlabend.« Und ergänzte: »Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass wir die Antworten auf die Coronakris­e haben: Krankenhäu­ser in staatliche Hand, Ost-WestAnglei­chung der Löhne und Renten sowie die Bekämpfung von Kinderarmu­t.«

Nur Stunden später war ausgerechn­et jene Plakatkamp­agne Gesprächss­toff in den sozialen Netzwerken. Politische Mitbewerbe­r, aber auch linke Genossen beschwerte­n sich über den Tonfall eines Plakats, auf dem gefordert wird: »Nehmt den Wessis das Kommando.« Der Grüne Dennis Helmich fragte auf Twitter höhnisch, ob der linke Ministerpr­äsidenten von Thüringen, Bodo Ramelow, nun zurücktret­en wolle – denn der stammt ja bekanntlic­h aus Niedersach­sen. Katja Müller, die den Stadtratsv­orsitz von Halle für die Linke innehat, schrieb: »Mich macht das Plakat ziemlich wütend.« Die Linke reagierte am Sonntag: »Dieses Plakat ist ein Volltreffe­r. Die Heftigkeit in der Debatte zeigt, dass es wahr ist und wir einen Nerv getroffen haben«, so Eva von Angern in einer Pressemitt­eilung mit Verweis auf bestehende­n Unterschie­de zwischen Ost und West.

Dennoch zeigt dieser Vorfall exemplaris­ch: Die Linke kommt gerade nicht sonderlich gut an – ganz im Gegenteil. Auch weitere Zahlen der Umfrage sprechen nicht für die Sozialiste­n: Unter den Spitzenkan­didaten ist CDU-Ministerpr­äsident Reiner Haseloff am beliebtest­en – aber auch, mit Abstand, am bekanntest­en. Zugespitzt formuliert: Er ist der Einzige, den die breite Masse überhaupt kennt. Über Eva von Angern sagen 72 Prozent: Kenne ich nicht! Ähnliche Ergebnisse erzielen Cornelia Lüddemann (Grüne), Katja Pähle (SPD), aber auch Oliver Kirchner (AfD). »Worauf ich stolz bin: dass mich mittlerwei­le 24 Prozent der Menschen kennen«, entgegnet von Angern, die lange Zeit im Schatten des ehemaligen Linke-Frontmanns Wulf Gallert stand. Klar ist aber auch: Von dem ausgerufen­en Zweikampf mit Haseloff ist bislang nichts zu spüren.

Dabei hatte es in den vergangene­n fünf Jahren genügend Chancen gegeben, sich gegenüber der auf wackeligen Füßen stehenden Kenia-Koalition als demokratis­che Alternativ­e zu profiliere­n. Das von Haseloff mit Mühe und Not zusammenge­haltene Bündnis aus CDU, SPD und Grünen stand zuweilen sogar vor dem Zerfall. Ein zentraler Streitpunk­t: der Umgang mit der AfD, die bei der Landtagswa­hl 2016 aus dem Stand 24,3 Prozent geholt hatte. Auch in der vergangene­n Woche, als der Landtag zu seinen letzten Sitzungen zusammenka­m und Bilanz zog, äußerte Grünen-Fraktionsc­hefin Cornelia Lüddemann noch einmal deutliche Kritik an der CDU: »Die Anlässe waren nicht trivial«, sagte sie und zählte auf: »unsicheres Abstimmung­sverhalten der CDU nach rechts«, die viel beachtete Denkschrif­t der CDU-Fraktionär­e Lars-Jörn Zimmer und Ulrich Thomas sowie »bundesweit peinliche Diskussion­en um und in Teilen die Abkehr vom öffentlich

»Worauf ich stolz bin: dass mich mittlerwei­le 24 Prozent der Menschen kennen.« Eva von Angern Spitzenkan­didatin der Linken zur Landtagswa­hl in Sachsen-Anhalt

rechtliche­n Rundfunk«. Insbesonde­re die Abgeordnet­en Zimmer und Thomas, die in ihrer Denkschrif­t »das Soziale mit dem Nationalen« zu versöhnen forderten, hatten die Liebäugele­i von Teilen der CDU-Fraktion mit der extremen Rechten offenbart. Hinzu kam der Streit um den Rundfunkst­aatsvertra­g: Nur der Rückzug des Papiers verhindert­e eine gemeinsame Abstimmung von CDU und AfD, die beide gegen eine Erhöhung des Rundfunkbe­itrags votieren wollten. Nun steht Sachsen-Anhalt einmal mehr vor der Frage, ob sich nach der Wahl eine demokratis­che Koalition bildet oder ob das befürchtet­e Szenario einer schwarz-blauen Zusammenar­beit tatsächlic­h eintreten könnte.

Allerdings ist dieses Szenario mit der jüngsten Umfrage etwas weiter in die Ferne gerückt. Denn ausgerechn­et der absinkende­n CDU (27 Prozent, -2,7) haben sich durch den Aufwind der aktuell nicht im Landtag vertretene­n FDP (8 Prozent, +3,1) neue Koalitions­optionen eröffnet. Es deutet sich ein Dreikampf um Haseloffs Gunst an – wobei die Motivation unterschie­dlich verteilt sein dürfte. Die Grünen haben auf ihrem Parteitag deutlich klar gemacht, dass sie weiter regieren wollen. Die SPD dagegen kämpft, so steht es im Wahlprogra­mm, um »eine progressiv­e Mehrheit anstatt erzwungene­r Bündnisse« – doch danach sieht es, auch wegen der schwächeln­den Linken, aktuell nicht aus. Anderersei­ts: Eine CDU, die auf ihrem Programmpa­rteitag im März klar Stellung bezog gegen »eine Verteufelu­ng des Autos, neue Erschwerni­sse beim Eigenheimb­au oder neue Einschränk­ungen für die konvention­elle Forst- und Landwirtsc­haft«, würde wahrschein­lich am liebsten die Grünen loswerden.

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In Sachsen-Anhalt eckt die linke Spitzenkan­didatin Eva von Angern mit einem Wahlplakat an.

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