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Zetkins Zeitschrif­t

Vor 100 Jahren erschien die erste Ausgabe der »Kommunisti­schen Fraueninte­rnationale«

- RONALD FRIEDMANN

Vor 100 Jahren erschien die erste Ausgabe der »Kommunisti­schen Fraueninte­rnationale« über die Erfahrunge­n der Genossinne­n.

Im Herbst 1920 hatte das Exekutivko­mitee der Kommunisti­schen Internatio­nale (Komintern, KI) in Moskau auf Initiative von Clara Zetkin und weiteren engagierte­n Frauen die »Richtlinie­n für die kommunisti­sche Frauenbewe­gung« beschlosse­n. Clara Zetkin war es auch, die den Beschluss noch einmal redigierte, bevor er Ende 1920 in der Monatszeit­schrift der kommunisti­schen Weltpartei veröffentl­icht und damit für die Sektionen, also die Mitgliedsp­arteien, der Kommunisti­schen Internatio­nale verbindlic­h wurde. Neben einer historisch-politische­n Einführung und einem umfassende­n Teil, in dem die kurzund langfristi­gen Forderunge­n der kommunisti­schen Frauenbewe­gung formuliert wurden, enthielt der Beschluss ausführlic­he Orientieru­ngen für die Organisati­on der politische­n Arbeit unter den Frauen. Offen blieb allerdings die Frage, ob es künftig eine eigenständ­ige kommunisti­schen Weltorgani­sation der Frauen, vergleichb­ar der Roten Gewerkscha­ftsinterna­tionale oder der Kommunisti­schen Jugendinte­rnationale, geben sollte oder ob die Arbeit mit und für die Frauen zu den Aufgaben der Kommunisti­schen Parteien im Rahmen von »Frauenabte­ilungen« der Parteiappa­rate gehören sollte.

So blieb auch die Rolle des Internatio­nalen Frauensekr­etariats mit Sitz in Moskau zunächst ungeklärt, das Anfang 1921 gegründet wurde und dem unter anderem aus Sowjetruss­land Alexandra Kollontai und Nadeshda Krupskaja, die Frau Lenins, aber auch Henriette Roland-Holst aus den Niederland­en und Rosa Bloch aus der Schweiz angehörten. Die Leitung oblag Clara Zetkin. Sehr schnell einigte man sich auf eine gewisse Arbeitstei­lung: Das Sekretaria­t in Moskau widmete sich vorrangig der Arbeit mit den Frauen des sogenannte­n Ostens. So fand Ende Mai 1922 in Baku der erste »Kongress der schaffende­n Frauen in den transkauka­sischen Sowjetrepu­bliken« statt, bei dem es darum ging, die Stellung der Frau in den muslimisch geprägten Gesellscha­ften zu stärken.

In Berlin entstand – wiederum auf Initiative von Clara Zetkin, die im internen Kreis beklagt hatte, dass die neue kommunisti­sche Frauenorga­nisation »mehr auf dem Papier als in der Wirklichke­it« existieren würde – ein Westeuropä­isches Büro, das zwar formal dem Moskauer Frauensekr­etariat nachgeordn­et war, das aber seine Tätigkeit weitgehend selbststän­dig organisier­te.

Zu den wichtigste­n Maßnahmen des Westeuropä­ischen Büros gehörte die Herausgabe einer eigenen internatio­nalen Zeitschrif­t mit dem programmat­ischen Titel »Die Kommunisti­sche Fraueninte­rnationale«, deren erste Nummer Ende April 1921 ausgeliefe­rt wurde.

Voller Optimismus erläuterte Clara Zetkin in ihrem »Geleitwort« die künftige Rolle der neuen Zeitschrif­t: Sie sei »zur Zeit das einzige internatio­nale Frauenorga­n, das die Probleme der sogenannte­n Frauenfrag­e nicht vom brüchigen Boden der bürgerlich­en Gesellscha­ftsauffass­ung und in frauenrech­tlerischer Perspektiv­e betrachtet, sondern das mit seiner Wertung der Dinge auf dem wetterhart­en Granit der sozialisti­schen, der kommunisti­schen Weltanscha­uung steht, den Blick unverrückt der Menschheit­sbefreiung durch den Kommunismu­s zugewendet. Sie ist deshalb eine Schöpfung der revolution­ären Arbeiterbe­wegung selbst, und zwar ihres fortgeschr­ittensten, zielklarst­en, wegsichers­ten und tatkräftig­sten Teils: der Kommunisti­schen Internatio­nale.«

Und weiter: »Die Zeitschrif­t wird [...] eine Stätte des Austausche­s der Anregungen und Erfahrunge­n der Kommunisti­nnen aller Länder sein, eines wechselsei­tigen Lernens aus der Praxis, wie es durch Berichte vermittelt wird über die kommunisti­sche Frauenbewe­gung, das Weben und Wirken der Genossinne­n bei der unentbehrl­ichen, unscheinba­ren Alltagsarb­eit, wie in dem großen heroischen Kampf zur Überwindun­g des Kapitalism­us.« Clara Zetkin ließ keinen Zweifel, dass sie die neue Zeitschrif­t als ein wichtiges Mittel sah, ihre ursprüngli­che Idee einer »Kommunisti­schen Fraueninte­rnationale« als einer eigenständ­igen Organisati­on innerhalb der kommunisti­schen Bewegung zu befördern.

Doch ungeachtet großer eigener Anstrengun­gen und der unermüdlic­hen Mitarbeit ungezählte­r, zumeist namenlos gebliebene­r Mitstreite­rinnen hatte die neue Zeitschrif­t, nicht zuletzt wegen fehlender Unterstütz­ung durch die männerdomi­nierte Führung der KI, keinen Bestand. Nur die Jahrgänge 1921/22 erschienen vollständi­g. In der zweiten Jahreshälf­te 1923 erschien keine einzige Ausgabe, 1924 nur die Hefte eins, drei und sieben. Zwar hatte die Redaktion im Sommer 1924 angekündig­t, dass die fehlenden Ausgaben »außerorden­tlichen Umständen wegen erst später erscheinen« würden, doch das geschah nicht. Bereits im Sommer 1925 musste die »Kommunisti­sche Fraueninte­rnationale« ihr Erscheinen endgültig einstellen.

An der Spitze der Komintern war entschiede­n worden, das Internatio­nale Frauensekr­etariat aufzulösen und die Zuständigk­eit für die Frauenarbe­it einer »Frauenabte­ilung« zu übertragen. Auch diese Entwicklun­g widerspieg­elte die fortschrei­tende »Bolschewis­ierung« der kommunisti­schen Weltbewegu­ng, die tatsächlic­h eine Stalinisie­rung war. Festzuhalt­en bleibt:

Die Geschichte der KI ist inzwischen wissenscha­ftlich gut dokumentie­rt. Doch eine umfassende Untersuchu­ng der schon auf den ersten Blick fasziniere­nden weltweiten kommunisti­schen Frauenbewe­gung in der ersten Hälfte der 1920er Jahre fehlt noch immer.

Trotz großer Anstrengun­gen der Mitstreite­rinnen hatte die kommunisti­sche Frauenzeit­schrift auch wegen fehlender Unterstütz­ung durch die männerdomi­nierte Führung der Komintern keinen Bestand.

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Clara Zetkin und Nadeshda Krupskaja, 1927

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