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Regierungs­beteiligun­g als oberstes Ziel

Sachsen-Anhalts Grüne beschließe­n ihr Programm für die Landtagswa­hl und blicken optimistis­ch nach vorn. Doch eine Fortsetzun­g der Kenia-Koalition ist fraglich

- MAX ZEISING

Mit ihrem Wahlprogra­mm wollen die Grünen in Sachsen-Anhalt den erneuten Einzug in die Regierung schaffen. Noch beschert ihnen die Euphorie der Kanzlerinn­enkandidat­ur hohe Umfragewer­te.

Cornelia Lüddemann huschte ein zartes Lächeln über die Lippen. »Für einen Grünenpart­eitag haben wir relativ wenig Änderungsa­nträge zu verhandeln«, sagte die Spitzenkan­didatin für die Landtagswa­hl in Sachsen-Anhalt, als sie am Samstagmor­gen am Rednerpult im Maritim-Hotel in Magdeburg stand. Die seit fünf Jahren mit CDU und SPD regierende­n Grünen kamen zu einem digitalen Parteitag zusammen, um – als letzte aller großen Parteien – ihr Programm für die Wahl am 6. Juni zu beschließe­n. Die Delegierte­n waren größtentei­ls über das Internet zugeschalt­et, vor Ort war wegen der CoronaPand­emie neben dem Tagungsprä­sidium und einigen Wenigen nur das bekannte Spitzentri­o anwesend, bestehend aus Lüddemann, Landeschef Sebastian Striegel und Umweltmini­sterin Claudia Dalbert.

Gewiss: Zu den Klischees gehört, dass Grüne gern diskutiere­n. Doch der vergleichs­weise geringe Gesprächsb­edarf könnte auch noch auf einen anderen Umstand hinweisen: Die Grünen sind aktuell mit sich selbst recht zufrieden, im Bund wie im Land. Die Kanzlerkan­didatur von Annalena Baerbock hat der Partei einen ordentlich­en Schub verpasst, auch in Sachsen-Anhalt zeigt die Kurve nach oben: In der aktuellen Umfrage von Infratest Dimap stehen die Grünen bei elf Prozent, das sind 5,8 Prozent mehr als bei der Landtagswa­hl 2016. Von allen relevanten Parteien legen die Grünen derzeit am deutlichst­en zu, auch – und das ist bemerkensw­ert – im ländlich geprägten Ostdeutsch­land, wo sie traditione­ll immer größeren Widerständ­en ausgesetzt waren als beispielsw­eise in westdeutsc­hen Großstädte­n. Entspreche­nd optimistis­ch blicken die Grünen nach vorn, auf die Landtagswa­hl am 6. Juni und sind fest entschloss­en, weiter regieren zu wollen.

Mit Blick auf die durchaus zählbaren Erfolge in der ablaufende­n Legislatur­periode – etwa die Einrichtun­g des Streifens entlang der ehemaligen DDR-BRD-Grenze als Nationales Naturmonum­ent – sagte Umweltmini­sterin Dalbert: »Dieses Kapitel unserer Politik werden wir mit Herzblut fortschrei­ben, auch gegen den Widerstand von Koalitions­partnern.« Landeschef und Innenpolit­iker Striegel ergänzte: »Wir werden weiter Verantwort­ung übernehmen für ein SachsenAnh­alt, das spätestens 2035 klimaneutr­al ist. Wir werden weiter verlässlic­h regieren.«

Diese Unbedingth­eit mag verschiede­ne Gründe haben. Die neue Umfrage zeigt zwei Dinge: einerseits starke Grüne – aber anderersei­ts auch eine erstarkte FDP, die der CDU neue Koalitions­optionen eröffnet. Das Absurde: Zwar sind es die Grünen, die aufgrund ihrer Zugewinne die Kenia-Koalition stabilisie­ren – doch am Ende könnten sie es sein, die von der CDU hinausgewo­rfen werden. In diesem Zusammenha­ng lassen sich die Aussagen des Grünen-Spitzentri­os auch als Getriebenh­eit deuten, sich als besonders verlässlic­h, also regierungs­tauglich zu präsentier­en.

Eines ist klar: Der Kampf um die Macht und damit die Umsetzung grüner Inhalte wird in Zukunft noch schwerer. Auch die auf dem Parteitag am Samstag gefassten Beschlüsse dürften es nicht leicht haben, in der direkten Auseinande­rsetzung mit der CDU zu bestehen. Da wäre zunächst der Beschluss, zur weiteren Bekämpfung der Corona-Pandemie eine Niedriginz­idenz-Strategie zu verfolgen. Im Antragstex­t, den Co-Landeschef­in und Krankenpfl­egerin Susan Sziborra-Seidlitz aus dem Homeoffice vorstellte, begrüßen die Grünen die »Bundesnotb­remse« grundsätzl­ich, fordern aber weitergehe­nde Maßnahmen, etwa im Wirtschaft­s- und Berufslebe­n. Zweiter Beschluss: Die Grünen wollen das Ministeriu­m für Umwelt, Landwirtsc­haft und Energie in der Hand behalten und nicht thematisch aufteilen, während die CDU das Ressort – wie im Wahlprogra­mm vermerkt – ebenfalls für sich beanspruch­t.

Als Drittes hinzu kommt das am Ende des Parteitags beschlosse­ne Wahlprogra­mm, in dem die Bekämpfung des Klimawande­ls und eine bürgerrech­tsorientie­rte Innenpolit­ik – im Gegensatz zum konservati­ven »Law and Order«-Prinzip – klar im Fokus stehen: Die Grünen wollen ein Klimaschut­zgesetz beschließe­n und damit »zielgerich­tete Rahmenbedi­ngungen schaffen, damit konkrete Maßnahmen zum Erreichen von Klimaneutr­alität zügig und von allen Ministerie­n und Behörden umgesetzt werden«. Ebenso streiten sie für ein Landes-Antidiskri­minierungs­gesetz nach Berliner Vorbild.

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