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Managua gleicht teils Belagerung­szustand

Regierung scheut keine Mühen, um Proteste im Keim zu ersticken

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Nach dem Sturz der Familiendi­ktatur der Somozas 1979 regierte Daniel Ortega als Kopf einer revolution­ären Junta für elf Jahre. Nach drei gescheiter­ten Anläufen gelangte er als gewählter Präsident 2007 erneut ins Amt.

Sein Stil nahm zunehmend autoritäre Züge an, er schuf sich ein Machtmonop­ol und besetzte wichtige Institutio­nen wie das Oberste Gericht oder den Wahlrat mit Gefolgsmän­nern. Die Regierung bedient sich einer nahezu absoluten Macht und verfolgt Gegner*innen unerbittli­ch. Dementspre­chend zeichnet sich ab, dass die Geschicke des Landes auch nach den Wahlen in den Händen des autokratis­ch regierende­n Präsidente­nehepaars Ortega/Murillo verweilen.

Eine systematis­che Verletzung der Menschen- und Bürgerrech­te kennzeichn­et weiterhin die staatliche Reaktion auf sämtliche Nachwehen der vor drei Jahren an einer umstritten­en Sozialrefo­rm entfachten politische­n Krise. In der Nacht des 19. Aprils beklagte man erste Tote. Die anfänglich­e Etappe des Aufbegehre­ns allein forderte binnen ihrer ersten drei Monate einen täglichen Blutzoll von vier Menschenle­ben. Besetzte Universitä­ten wurden im Mai zu Bastionen des Widerstand­s. Allzu oft verbuchen die Jüngsten im Zuge von Volksaufst­änden große Opfer.

Das historisch­e Datum schenkte der studentisc­hen Opposition ihren Namen: Bewegung des 19. April. Heute scheint die entlang ideologisc­her Linien gespaltene Studentenb­ewegung gefährdet und – inmitten eines Wahlkampfs unter widrigen Konditione­n – Spielball äußerer Interessen zu werden. Eine Vielzahl ihrer Wortführer*innen wurden politische Gefangene, flüchteten ins Exil oder fristen ihr Dasein in klandestin­en Verstecken, den sogenannte­n casas seguras, sprich sichere Häuser.

Die öffentlich­en Universitä­ten bleiben trotz Pandemie geöffnet und in dieser dritten Aprilwoche ist die Ungewisshe­it einmal mehr ständige Begleiteri­n. Um jegliche Anzeichen des Protests im Keim zu ersticken, scheut die Regierung keine Kosten und Mühen. Sie zeigt, wer die Straßen kontrollie­rt. Dies ist auch an Ausbildung­sstätten zu spüren, wo Rucksäcke der Student*innen an den Eingängen kontrollie­rt werden. Nicaragua hat sich in einen Polizeista­at verwandelt, in dem de facto kein Recht existiert, und Managua gleicht beim Erwachen zuweilen einer Stadt im Belagerung­szustand.

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