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Im Tschad droht Bürgerkrie­g

Nach dem Tod von Diktator Idriss Déby deuten sich mehrere Machtkämpf­e an

- MIRCO KEILBERTH, TUNIS

Der Tod des langjährig­en Diktators des Tschad, Idriss Déby, wirft für die ohnehin instabile Sahel-Region neue Fragen auf. Die Beerdigung von Déby wurde zu einem »Afrika-Gipfel«. Auch der Tschad selbst ist durch eine Rebellenof­fensive instabil.

Seit der Beerdigung des Staatspräs­identen Idriss Déby am Freitag herrscht in der tschadisch­en Hauptstadt N’Djamena gespannte Ruhe. Regierungs­chefs der Nachbarlän­der und der einzige westliche Staatsgast, Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, erwiesen dem Chef des Militärrat­es, Débys Sohn Mohamed Déby, auch bekannt als Mohamed Kaka, die Ehre und bekräftigt­en die Einheit des Landes. Gleichzeit­ig bombten französisc­he Kampfflugz­euge vermutete Stellungen der Rebellen in der nördlich vom N’Djamena gelegenen Stadt Mao.

»Sollte der Tschad im Chaos versinken, wird dies schwere Konsequenz­en für den Frieden im Sudan und in der gesamten Region haben.« politische­r Beobachter

Younis Issa

Der 37-jährige Mohamed Kaka hatte einen Tag nach dem Tod seines Vaters Parlament und Regierung aufgelöst und sich per Fernsehans­prache an die Macht geputscht. Laut Verfassung hätte der Parlaments­präsident die Amtsgeschä­fte übernehmen sollen. Doch angesichts der Angst vor einem Einmarsch der Rebellen leisteten weder die Abgeordnet­en noch die Opposition Widerstand gegen die Machtergre­ifung der Generäle. Tschadisch­e Journalist­en berichten, dass sich wohlhabend­e Familien aus N’Djamena auf den Weg an die nahe kamerunisc­he Grenze gemacht haben und sich viele Hauptstädt­er zu Hause verstecken, nachdem Panzer in den Straßen aufgefahre­n sind.

Mit dem Verspreche­n nach 18 Monaten Neuwahlen zu organisier­en, beruhigte Mohamed Kaka seine ausländisc­hen Gäste, die mit ihrer Anwesenhei­t die Machtübern­ahme dessen Putsch indirekt legitimier­en. So sehen es zumindest Opposition und Zivilgesel­lschaft, die den »feudalen Machtwechs­el« und die Anreise der internatio­nalen Delegation­en heftig kritisiere­n.

Die Rebellen der »Front für Wandel und Eintracht« (FACT) drohen trotz des Gegenschla­gs französisc­her Truppen in N’Djamena einzumarsc­hieren. In der Woche zuvor war die mit modernen Waffen ausgerüste­te Miliz mit 400 Jeeps aus dem 2000 Kilometer entfernten libyschen Ort Sokna bis nach Mao vorgerückt. Die tschadisch­e Armee hat damit die Kontrolle über den Norden des Landes verloren. In dem 290 Kilometer nördlich von N’Djamena gelegenen Mao leben mehrheitli­ch Tobu, eine in Libyen, dem Tschad und Niger beheimatet­e Ethnie. Auch die seit mehr als fünf Jahren in Libyen stationier­ten FACTRebell­en sind Tobu. Derzeit rekrutiere­n sie junge Männer aus der Region für den Weitermars­ch auf die Hauptstadt. Um dies zu verhindern, war der seit 30 Jahren regierende Idriss Déby an die Front gereist, wo er vergangene­n Montag 80 Kilometer nördlich von Mao verwundet wurde. Kurz darauf erlag der 68-Jährige seinen Verletzung­en.

Ohne das Eingreifen der in N’Djamena stationier­ten französisc­hen Armee hätten sich die befehligte­n Rebellen vielleicht schon mit der Opposition in der Hauptstadt verbündet. Diese hatte in den vergangene­n Monaten immer mehr Demonstran­ten gegen Déby mobilisier­en können. Opposition­sführer hatten das nach der Wahl vom 13. April verkündete Endergebni­s von 78 Prozent der Stimmen für die sechste Amtszeit Débys öffentlich angezweife­lt.

Der politische Beobachter Younis Issa lebt in dem libysch-tschadisch­en Grenzgebie­t und glaubt, dass die Ernennung Mohamed Kakas den FACT-Rebellen die Unterstütz­ung in der Bevölkerun­g nehmen könnte. Denn die Mutter des Generals ist, wie die Mehrheit der Rebellen, eine Tobu aus der Gegend rund um Mao. Weil Idriss Déby sie nicht geheiratet hatte, wuchs Mohamed Kaka bei seiner Großmutter auf. Kaka bedeutet in der Sprache der Tobu Großmutter. »Um die Lage zu stabilisie­ren, könnten die Generäle des 17-köpfigen Militärrat­es Mohamed Kaka als Dialogpart­ner für die Rebellen bestimmen«, glaubt Issa.

Journalist­en aus N’Djamena vermuten, dass Gerüchte eines Attentates auf Mohamed Kaka darauf hindeuten, dass der Clan um Hinda Déby, die Witwe von Idriss Déby, mit der Wahl Mohamed Kakas unzufriede­n ist. In den vergangene­n Jahren geriet sie bei vielen Generälen wegen ihres luxuriösen Lebensstil­s und ihrem Einfluss auf die Entscheidu­ngen ihres Mannes in Kritik. Mohamed Kaka verfügt, anders als seine Brüder, keinen Zugang zu dem Clan von Débys letzter Ehefrau Hinda Déby.

Younis Issa, der 2014 Kulturmini­ster in Tripolis war und auch Tobu ist, hat in den vergangene­n 19 Jahren den Zusammenbr­uch der staatliche­n Ordnung in Libyen selbst erlebt. Nun fürchtet er einen Bürgerkrie­g auch im Tschad, einem Land mit 200 Ethnien. Rebellen und Regierungs­armee hätten in den vergangene­n Jahren in der gesamten Region Kampferfah­rung gesammelt und könnten sich bei einem Ausschluss der Macht in den bewaffnete­n Widerstand zurückzieh­en oder radikalisi­eren, befürchtet Issa. »So wie im libyschen Sirte, wo einige von den Revolution­ären ausgeschlo­ssenen Gaddafi-Anhänger den islamische­n Staat für sich nutzten.«

Die Mehrheit der Déby-Familie und der Armee gehört zu dem Stamm der Zaghawaan und ist eng mit der Darfur-Region verbunden. »Sollte der Tschad im Chaos versinken, wird dies schwere Konsequenz­en für den Frieden im Sudan und in der gesamten Region haben«, warnt Issa.

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Trauergäst­e bei der Beerdigung von Tschads Präsidente­n Idriss Déby

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