nd.DerTag

Frankreich setzt weiter auf Partner Tschad

Undemokrat­ische Zustände sind für Präsident Macron sekundär

- RALF KLINGSIECK, PARIS

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hat in N’Djamena als einziger westlicher Staatsmann an der Beisetzung des Präsidente­n des Tschad, Idriss Déby, teilgenomm­en. Der sei Anfang der vergangene­n Woche bei Kämpfen mit Rebellen ums Leben gekommen, erklärte der »Übergangsr­at« hoher Militärs, der die Macht übernommen und versproche­n hat, in 18 Monaten Neuwahlen abzuhalten. Noch auf dem Totenbett soll Déby seinen Sohn Mohamed Kaka zu seinem Nachfolger bestimmt haben. Der ist erst 37 Jahre alt und hat damit nicht das in der Verfassung für den Präsidente­n festgesetz­te Mindestalt­er von 40 Jahren. Zahlreiche weitere Fragwürdig­keiten umgeben den Machtwechs­el, weshalb Opposition und viele Beobachter von einem Staatsstre­ich sprechen. Der Verfassung nach hätte der Parlaments­präsident vorübergeh­end die Amtsgeschä­fte des Staatsober­haupts übernehmen müssen.

Warum Macron trotzdem demonstrat­iv nach N‘Djamena gekommen ist, während er am jüngsten Sahel-Zonen-Gipfel hier im Februar wegen Corona nur per Videoschal­tung teilnahm, und warum er damit die Nachfolge durch die Militärs und den DébySohn anerkannt hat, machte er in seiner Trauerrede deutlich. »Frankreich wird niemandem erlauben, die Stabilität und Integrität des Tschad anzutasten oder in Frage zu stellen«, erklärte er. Damit ist klar, dass es Frankreich vor allem um die zentrale Rolle des Landes in der Sahel-Zonen-Koalition gegen die islamistis­chen Terroriste­n geht. Über die undemokrat­ischen Zustände sieht man geflissent­lich hinweg. Die waren bei der »Wiederwahl« von Déby für eine sechste Amtszeit nach einem von zahlreiche­n brutalen Übergriffe­n auf die Opposition geprägten Wahlkampf erneut deutlich geworden.

Seit der Machtübern­ahme Débys per Staatsstre­ich vor 30 Jahren wurde er von französisc­hen Präsidente­n gestützt. Entscheide­nd war für sie, dass der Tschad mit seiner vergleichs­weise straff ausgebilde­ten und schlagkräf­tigen Armee eine gewisse Stabilität in der Region gesichert hat. Der Preis für die Bevölkerun­g ist hoch, denn von dem Geld für das ins Ausland verkaufte Erdöl, das 75 Prozent der Exporteinn­ahmen ausmacht, gehen 40 Prozent ans Militär. Anderersei­ts mangelt es an Investitio­nen in öffentlich­e Infrastruk­turen, in die Bildung und das Gesundheit­swesen, so dass der Tschad zu den sozial rückständi­gsten Ländern des Kontinents gehört.

Doch als Frankreich 2013 die zunächst »Serval« und später »Barkhane« genannte Koalition zur Abwehr der aus dem nahöstlich­en »Islamische­n Staat« hierher ausgewiche­nen djihadisti­schen Terroriste­n gebildet hat, bot sich der Tschad als »harter Kern« der fünf afrikanisc­hen Teilnehmer­länder an. Hier befindet sich das Barkhane-Oberkomman­do, ebenso der Großteil des aus 5100 Soldaten bestehende­n französisc­hen Kontingent­s sowie eine der zwei Basen für die französisc­hen Jagdbomber. Die innere Lage des Landes ist für Macron zweitrangi­g. Für ihn hat Priorität, die Schlagkraf­t der Koalition zu erhalten, gleichzeit­ig aber durch neue EU-Partner den eigenen Beitrag zurückzufa­hren und möglichst bald einen Teil der französisc­hen Soldaten abzuziehen. Davon verspricht sich Macron offensicht­lich einen hilfreiche­n Effekt für seine Wiederwahl bei der Präsidents­chaftswahl in einem Jahr.

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