Mehr Rückhalt für Jarasch denn je
Grüne-Spitzenfrau mit 98 Prozent auf Platz 1 gewählt
Die grüne Kandidatin für das Berliner Bürgermeisterinnenamt genießt absoluten Rückhalt bei den Delegierten ihrer Partei. Der linke Flügel kann sich beim Parteitag eine Mehrheit auf den vorderen Plätzen der Kandidierendenliste sichern.
»Ich danke und ich liebe Euch«, sagt Bettina Jarasch, nachdem die Delegierten der Berliner Grünen sie am Samstag beim Parteitag mit fast 98 Prozent Zustimmung auf Platz eins der Liste für das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt haben. Sie erntet stehende Ovationen im Moabiter Hotel »Mercure«. »Das ist einfach geil«, so Jarasch zu »nd«.
In ihrer Bewerbungsrede hatte sie zuvor die langjährige SPD-Regentschaft im Roten Rathaus mit »Mehltau« verglichen. Es beginne eine neue Zeit. »Und es wird unsere Zeit sein! Mit einer grünen Kanzlerkandidatin. Mit einer grünen Berliner Bürgermeisterkandidatin. Mit Frauen ganz oben«, macht sie den Anspruch der Grünen klar. Klimaschutz soll Chefinnensache werden, kündigt sie an. Die Grünen wollen ein Klimabudget in Berlin einführen, »damit wirklich alle Berliner Senatsressorts, alle Verwaltungsebenen und Behörden, aktiv Klimaschutz betreiben und CO2-Emissionen einsparen müssen«.
Auch das Thema Mieten bekommt breiten Raum. Der jüngst vom Bundesverfassungsgericht kassierte Mietendeckel sei »keineswegs revolutionärer Sozialismus«, widerspricht sie der Argumentation der Opposition. Preisregulierung gehöre zur Marktwirtschaft. »Die soziale Frage wird nicht im Neubau, sondern im Bestand gelöst«, so Jarasch.
Die Verkehrswende will sie in der nächsten Legislaturperiode auch endlich auf die Straße bringen, kündigt sie im Gespräch mit »nd« an. »Je länger ich mich mit den Fragen beschäftige, desto mehr Respekt habe ich vor der Aufgabe«, verteidigt sie Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne). Vor allem in den Außenbezirken müsse der ÖPNV durch Taktverdichtungen und zusätzliche Buslinien schnell verbessert werden. »Mit einer Schienen-Infrastrukturplanungsgesellschaft könnten Planung und Bau neuer Straßenbahnstrecken beschleunigt werden«, glaubt Jarasch.
Auf Platz 2 der Liste folgt Antje Kapek, Co-Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus. »Klimaschutz-Ultras« nennt sie ihre Partei. Um Platz 3 kommt es zur Kampfabstimmung zwischen zwei Newcomerinnen mit Migrationsgeschichte, den Bahar Haghanipour aus Neukölln für sich entscheidet. Jeder dritte Platz ist für Kandidierende reserviert, die bisher nicht in Parlamenten vertreten sind.
Fraktionsgeschäftsführer Daniel Wesener, dem Ambitionen auf das Finanzressort nachgesagt werden, kommt auf Platz 4, Co-Fraktionschefin Silke Gebel wird an die fünfte Stelle gewählt. Es folgt Noch-Landesparteichef Werner Graf.
»Es wird unsere Zeit sein! Mit einer grünen Kanzlerkandidatin. Mit einer grünen Berliner Bürgermeisterkandidatin.« Bettina Jarasch (Grüne) Spitzenkandidatin
Der linke Flügel kann sich rund drei Viertel der ersten 20 Listenplätze sichern. Die Fraktion wird deutlich jünger als bisher. Rund 11 000 Mitglieder haben die Berliner Grünen derzeit – fast doppelt so viele wie vor fünf Jahren. Die Parteilinken haben davon profitiert. Die Fraktion dürfte künftig auch deutlich migrantischer geprägt sein als bisher.
Geachtet wurde auch darauf, in der Liste Vertreterinnen und Vertreter aus den Außenbezirken abzusichern. Trotz des Aufschwungs der Grünen auch in Gegenden mit bisher eher überschaubaren Wahlergebnissen könnte ansonsten der eine oder andere Bezirk nicht in der Abgeordnetenhausfraktion vertreten sein.
Sollten die Grünen bei der Wahl im September auf 25 Prozent der Stimmen kommen, könnten sie im Abgeordnetenhaus 40 Mandate erhalten. Die mögliche Dominanz in einigen Bezirken könnte jedoch auch zahlreiche Direktkandidierende ins Abgeordnetenhaus spülen, die gar nicht auf der Liste vertreten sind. Das könnte das sich abzeichnende Übergewicht des linken Flügels noch relativieren.