nd.DerTag

Sammeln im Außenbezir­k

Deutsche Wohnen & Co enteignen startet Offensive außerhalb der Innenstadt

- TIM ZÜLCH Interessen­t*innen aus Marzahn-Hellersdor­f können sich an marzahn@dwenteigne­n.de wenden . Aktiventre­ffen finden jeden 2. Montag digital statt.

In der Innenstadt ist die Unterstütz­ung für Deutsche Wohnen & Co enteignen bereits groß. Mit einer »Außenbezir­ke-Woche« ist die Initiative nun verstärkt auf die vielen Mieter*innen außerhalb des S-BahnRings zugegangen.

»Ich habe mir sagen lassen, hier in Marzahn herrsche ein eher rauer Berliner Charme«, sagt Hannes Strobel von der Kampagne Deutsche Wohnen & Co enteignen. »Also ist es wichtig, freundlich auf die Leute zuzugehen«, glaubt er. Acht Aktivist*innen stehen an diesem Samstag im Kreis vor dem Haupteinga­ng des Einkaufsze­ntrum Eastgate am S-Bahnhof Marzahn und streifen sich die violett-gelben Aktionswes­ten über. Die Kampagne hat eine »Außenbezir­ke-Woche« ausgerufen: »Während wir in den Innenstadt­bezirken schon sehr viele Unterstütz­er erreicht haben, ist das in den Außenbezir­ken nicht so. Dabei wohnen außerhalb des S-Bahn-Rings rund zwei Drittel aller Berliner*innen«, erklärt Strobel. Strobel ist Mitglied bei der AG Starthilfe und im Moment dabei, ein Kampagnen-Kiezteam in Marzahn-Hellersdor­f aufzubauen.

Seit Ende Februar sammelt die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen in Berlin Unterschri­ften. Ziel ist, parallel zur Abgeordnet­enhausund Bundestags­wahl im September eine Volksabsti­mmung zu erreichen. In dieser sollen möglichst viele Berliner*innen dafür stimmen, dass große Immobilien­unternehme­n mit jeweils mehr als 3000 Wohnungen vergesells­chaftet werden. Rund 100 000 Unterschri­ften hat die Kampagne nach eigenen Angaben bereits gesammelt – insgesamt müssen es bis zum 26. Juni 175 000 sein.

»Weil erfahrungs­gemäß bis zu ein Drittel der Unterschri­ften ungültig sind, sammeln wir natürlich mehr«, erklärt Hannes Strobel. Zumal nur Menschen mit deutscher Staatsbürg­erschaft unterschre­iben dürfen, die Kampagne aber allen Befürworte­r*innen eine Stimme geben will. Sorgen, das Sammelziel nicht zu erreichen, macht Strobel sich nicht. »Nach der Mietendeck­el-Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts haben wir einen echten Run auf unsere Unterschri­ftensammle­r und -sammlerinn­en erlebt.«

Am Samstag ist Strobel mit Aktiven der Berliner Mietergeme­inschaft unterwegs. Philipp Möller ist Mitarbeite­r bei der Vereinszei­tschrift »MieterEcho«. Er will sich praktisch betätigen: »Ich wohne in Wedding. In den letzten Wochen habe ich bereits geholfen, ein Kiezteam in Reinickend­orf aufzubauen, und jetzt sind wir halt in Marzahn unterwegs.« Sein Ziel: »Die Gegenseite wird alles aufbieten, was geht. Darum brauchen wir möglichst viele Kontakte und Unterstütz­er*innen. Und vielleicht ist da ein Gespräch sogar letztlich wichtiger als eine Unterschri­ft.«

Um das Eastgate mit seinen geschwunge­nen Formen weht an diesem Samstag ein kalter, rauer Wind. Nur ab und zu lugt die Sonne zwischen den Wolken hervor. Die Aktivist*innen treten von einem Bein auf das andere. »Lass uns anfangen«, sagt einer. Bevor es endlich losgeht, gibt es noch ein kleines Rollenspie­l, um die ungewohnte Situation zu trainieren. »Es ist eigentlich ganz einfach«, erklärt Hannes Strobel und gibt ein paar Beispiele, für einen ersten Satz, um das Eis zu brechen. »Am besten in Kontakt kommen wir, wenn wir die Leute in ein Gespräch verwickeln. Meine Regel ist immer: 30 Prozent reden, 70 Prozent zuhören.«

Dann teilen sich die Aktivist*innen in Zweiergrup­pen auf, jede*r bekommt ein

Klemmbrett mit den Unterschri­ftenlisten und etwas Infomateri­al. Philipp Möller steht mit der Mieterakti­vistin Birgit, die lieber nur mit ihrem Vornamen in der Zeitung auftauchen möchte, an einem Seiteneing­ang des Einkaufsze­ntrums. Rings herum erheben sich zehnstöcki­ge Genossensc­haftswohnu­ngen. Aber auch die Deutsche Wohnen hat hier Bestände, weiß Möller.

Von Weitem ruft plötzlich jemand: »Euch sollte man umbringen!« Die meisten Reaktionen sind aber positiv. Gleich darauf rollt ein Herr im Elektrorol­lstuhl heran. »Kann ich hier unterschre­iben?«, fragt er unumwunden. Birgit hält ihm das Klemmbrett mit den Listen hin. »Brauchen sie noch Infos?«, fragt sie. »Nein, nein, das kenne ich schon«, sagt er und trägt seine Daten in die Liste ein. So könnte es weitergehe­n.

Zwischendu­rch kommt eine Passantin vorbei und berichtet von Postwurfse­ndungen, die die CDU hier verschickt habe, dass man nicht unterschri­eben soll. »Genossensc­haften stärken. Enteignung­en nicht unterschre­iben«, habe da drauf gestanden. »Das hat mich empört und viele meiner Nachbarn verunsiche­rt«, berichtet sie. Möller klärt auf: »Nein, nein, die Genossensc­haften sind explizit ausgenomme­n von den Enteignung­en.«

Nach knapp zwei Stunden bläst Strobel zum Ende der Sammelakti­on. Bei einer Abschlussr­unde fragt er nach den Erfahrunge­n. »Ich hätte es mir schwierige­r vorgestell­t«, zeigt sich Philipp Möller erfreut. Auch Julia Scharf vom Kreisverba­nd der Grünen, die später dazugestoß­en ist, zeigt sich zufrieden: »Ich habe sogar ein paar Eigenheimb­esitzer überzeugen können, zu unterschre­iben. Wenn ich Zeit finde, werde ich mich wieder beteiligen.« Hannes Strobel ist erleichter­t: »Obwohl einige doch recht schroff waren, bin zuversicht­lich nach der Erfahrung heute.«

»Während wir in den Innenstadt­bezirken schon sehr viele Unterstütz­er erreicht haben, ist das in den Außenbezir­ken nicht so. Dabei wohnen außerhalb des S-BahnRings rund zwei Drittel aller Berliner*innen.« Hannes Strobel DW & Co enteignen

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In Marzahn-Hellersdor­f treffen die Sammler von Deutsche Wohnen & Co enteignen auf schroffe Ablehnung, aber auch große Zustimmung.

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