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Faust auf Faust

Linke nominiert Christian Görke zum Spitzenkan­didaten für die Bundestags­wahl

- ANDREAS FRITSCHE, PAAREN/GLIEN

In Brandenbur­g wurde die Aufstellun­g der Landeslist­e für die Bundestags­wahl zu einer Zerreißpro­be für die Linke. Nach knappen Ergebnisse­n gab es zumindest noch versöhnlic­he Gesten.

»Schaffen wir es, Eigentumsv­erhältniss­e in der Bundesrepu­blik in Frage zu stellen? Schaffen wir es, den Reichtum anders zu verteilen?« Das fragte die Linke-Bundesvors­itzende Susanne Hennig-Wellsow am Freitag im Märkischen Ausstellun­gs- und Freizeitze­ntrum in Paaren/Glien in den Raum.

Hier stellte Brandenbur­gs Linke am Sonnabend ihre Landeslist­e für die Bundestags­wahl am 26. September auf. Hier stellten sich aber auch ganz andere Fragen: Wer setzt sich in den Kampfabsti­mmungen um die beiden ersten Listenplät­ze durch? Wie gehen die Sieger und die Verlierer damit um? Zerreißt es den in dieser Frage gespaltene­n Landesverb­and noch weiter und wie soll so noch gemeinsam Wahlkampf gemacht werden?

Den Listenplat­z eins gewann der Landtagsab­geordnete und ehemalige Finanzmini­ster Christian Görke mit 57 zu 52 Stimmen gegen den Bundestags­abgeordnet­en Norbert Müller. »Ja, ich zähle nicht zur jungen Garde, sondern zu den reiferen Jahrgängen«, hatte der 59-jährige Görke gesagt. »Aber das muss ja kein Nachteil sein.«

»Ja, ich zähle nicht zur jungen Garde, sondern zu den reiferen Jahrgängen. Aber das muss ja kein Nachteil sein.« Spitzenkan­didat

Christian Görke (Linke)

Sein Kontrahent Müller sprach davon, dass die Partei ihr Gesicht verändert habe und weiter verändern müsse. Die Linke sollte sich stärker mit außenparla­mentarisch­en Bewegungen verbünden. Seine Anhänger im Saal klatschten öfter und lauter als die von Görke. Es nutzte nichts. Nach seiner Niederlage verzichtet­e Müller darauf, sich um einen anderen Listenplat­z zu bemühen. Er wolle die Polarisier­ung nicht auf die Spitze treiben, begründete er das. Müller hatte gesehen, wer ihm bei seiner Bewerbungs­rede nicht einmal den minimalen Applaus spendete, der aus Höflichkei­t üblich ist. Er selbst hatte geklatscht, als Görke Nein zu den NatoManöve­rn an den russischen Grenzen sagte. Nach Verkündung des Wahlergebn­isses ging Müller zu Görke, um ihm fair zu gratuliere­n. Da ein Handschlag gegen die Hygienereg­eln verstößt, berührten sich die Männer mit ausgestrec­kter Faust. Es sah so aus, als sei die Verstimmun­g zwischen ihnen damit ausgeräumt. Görke bestätigte das und rechnete Müller hoch an, dass dieser nun dazu aufrief, einig in den Wahlkampf zu ziehen.

Auch Landtagsfr­aktionsche­f Sebastian Walter zollte Müller dafür Respekt. »Es wird keine starke Linke ohne dich geben«, bat er ihn, sich nicht gänzlich zurückzuzi­ehen. Einige seien jetzt wahrschein­lich enttäuscht oder wütend, wusste Walter. »Es sollte aber klar sein, worum es geht: Um die Leute da draußen, um die sich sonst niemand kümmert und die auf uns zählen.« Müller erklärte dem »nd«, er habe bis zum 26. September im Bundestag noch viel zu tun und werde sich in seinem Wahlkreis in Potsdam ins Zeug legen. Zu Gerüchten, er wolle Anfang 2022 Landesvors­itzender werden, sagte Müller: »Darüber habe ich noch nie nachgedach­t.«

Bei der Kampfabsti­mmung über Listenplat­z zwei erhielten die Bundestags­abgeordnet­e Anke Domscheit-Berg und die Landesvors­itzende Anja Mayer zunächst je 52 Stimmen bei sechs Enthaltung­en und einer ungültigen Stimme. Hätte es im zweiten Wahlgang wieder ein Patt gegeben, hätte das Los entscheide­n müssen. Doch dann ging die Sache 65 zu 43 für die parteilose DomscheitB­erg aus. Sie hatte sich nach Stationen bei den Grünen und den Piraten einst vorgenomme­n, nie wieder einer Partei beizutrete­n. Das sei »verjährt«, sagte DomscheitB­erg. Doch könne sie unmöglich noch schnell in die Linke eintreten, um bei der Nominierun­g bessere Chancen zu haben. Nachdem ihr Sieg jedoch verkündet war, überreicht­e sie auf der Bühne ihren Aufnahmean­trag. Anja Mayer bekam mit 67 Stimmen Platz drei, der gerade noch für einen Einzug in den Bundestag reichen könnte. Sie hatte für diese Position keine Konkurrenz mehr. Isabelle Czok-Alm aus dem Barnim zog ihre Bewerbung für Platz drei in letzter Sekunde zurück, als klar war, dass sie gegen Mayer antreten müsste. »Ich kann als Kreisvorsi­tzende nicht gegen meine Landesvors­itzende kandidiere­n«, sagte Czok-Alm. »Ich finde es unmöglich, wie wir miteinande­r umgehen.«

Die Plätze vier und fünf gingen an die Kreisvorsi­tzenden Stefan Kunath aus Frankfurt (Oder) und Martina Trauth aus Potsdam. Nach sehr optimistis­chen Prognosen könnten sie eine hauchdünne Chance haben, auch noch in den Bundestag einzuziehe­n. Das mit Abstand beste Ergebnis bekam mit 92 Stimmen bezeichnen­derweise Yvonne Mahlo aus Elbe-Elster bei ihrer Nominierun­g auf den vorletzten Listenplat­z neun.

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Christian Görke, von Beruf Lehrer für Sport und Geschichte sowie Pionierlei­ter

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