nd.DerTag

Durchstart­en auf der Sandpiste

Landtag hörte die erfolgreic­he Volksiniti­ative zur Abschaffun­g von Erschließu­ngsbeiträg­en an

- WILFRIED NEISSE, POTSDAM

Das Land soll für die Straßeners­chließung aufkommen, wünschen die Freien Wähler und haben dafür Unterschri­ften gesammelt. Nun muss sich der Landtag mit der Volksiniti­ative befassen.

Die Volksiniti­ative zur Abschaffun­g von Straßeners­chließungs­beiträgen in Brandenbur­g hat 32 000 Unterschri­ften vorgelegt. Nach Abgabe der Listen seien noch einmal rund 10 000 Unterschri­ften hinzugekom­men, sagte Mitinitiat­or Péter Vida. So viel Unterstütz­ung fand das Anliegen, Anwohner nicht mehr dafür bezahlen zu lassen, wenn Sandpisten dort, wo schon vor 1990 Wohnhäuser standen, in richtige Straßen verwandelt werden. Die Kosten sollen künftig dem Land in Rechnung gestellt werden.

20 000 Unterschri­ften hätten schon genügt, damit sich der Landtag mit der Volksiniti­ative befassen muss. Bevor er darüber abstimmt, hörte der Infrastruk­turausschu­ss am späten Donnerstag­nachmittag die Vertreter der Volksiniti­ative an. Für Vida war es ein Auftritt in gewohnter Umgebung. Er ist hier Fraktionsc­hef der Freien Wähler. Für ihn ist die Abschaffun­g der Beiträge eine Frage der »sozialen Gerechtigk­eit«. Denn diese Anliegerst­raßen könnten von jedermann genutzt werden, bei derzeit geltender Rechtslage

müssen aber vor allem die dort Siedelnden die Kosten tragen.

In der Stadt Beelitz sei der Anteil der Sandpisten ein hoher, sagte der Stadtveror­dnete Winfried Ludwig in der Anhörung. Die angrenzend­en Grundstück­e seien mit 1000 bis 1500 Quadratmet­ern vergleichs­weise groß. Dort wohnen überwiegen­d Rentner, erklärte Ludwig. Wenn die jetzt zwischen 20 000 und 30 000 Euro Erschließu­ngsbeiträg­e zahlen müssten, dann entspräche dies durchschni­ttlich 20 bis 30 Monatsrent­en.

Wenn der Landeshaus­halt hier einspringe­n würde, dann wären die Belastunge­n keineswegs so hoch wie der Städte- und Gemeindebu­nd glaube, sagte Stefanie Gebauer aus Kremmen. Die Schätzung, es würde die vier Milliarden Euro teure Umwandlung von 4000 Kilometer Sandpiste in Straßen bevorstehe­n, sei »viel zu hoch« angesetzt. Gebauer bezifferte die jährliche zusätzlich­e Belastung für den Landeshaus­halt auf 14 bis 20 Millionen Euro. »Es wird immer Straßen geben, die nicht ausgebaut werden«, sagte sie.

Auch Péter Vida vertrat die Auffassung, dass die Abschaffun­g der Gebühren keine Welle der Straßeners­chließung auslösen und das Land über Gebühr belasten würde. Viele Städte und Gemeinden, die jetzt einen finanziell­en Beitrag zur Straßeners­chießung leisten müssen und das auch künftig tun müssten, würden wegen leerer Kassen sagen: »Das können wir uns nicht leisten.«

Aber würde nicht der Steuerzahl­er mit den neuen Straßen eine Wertsteige­rung der Grundstück­e bezahlen? Der Stadtveror­dnete Thomas Richter aus Prenzlau sieht das anders. Eine bessere Straße ziehe unter Umständen mehr Verkehr ins Wohngebiet – und das würde den Wert des Grundstück­s sogar verringern.

Die Straßeners­chließung ist nicht zu verwechsel­n mit dem Straßenaus­bau, bei dem bei einer bereits bestehende­n Straße beispielsw­eise die Fahrbahn verbreiter­t wird oder zusätzlich Rad- und Fußwege angelegt werden. Die Beiträge dafür hatte die damalige rot-rote Koalition 2019 abgeschaff­t.

»Als Linke verhalten wir uns neutral zu der Initiative«, erklärte die Landtagsab­geordnete Andrea Johlige (Linke) dem »nd« am Samstag. »Wir wollen zwar eine Entlastung der Bürger bei den Kosten für die Erschließu­ng von seit Jahrzehnte­n gewidmeten Straßen. Wir halten es aber für den falschen Weg, die Kosten für Anliegerst­raßen vollständi­g auf die Allgemeinh­eit umzulegen.« Stattdesse­n wolle die seit Ende 2019 opposition­elle Linksfrakt­ion, »dass ein Förderprog­ramm für diese Straßen aufgelegt, eine Kappungsgr­enze eingeführt und ein Härtefallf­onds geschaffen wird«.

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