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Wie hingetusch­t

- BENJAMIN MOLDENHAUE­R Yasmin Williams: Urban Driftwood (Spinster) Pat Metheny: Road to the Sun (Modern Recordings/Warner)

Mit dem Alter fängt man ja an, sich für Countrymus­ik und aber auch für virtuos aufspielen­de Akustikgit­arrenunter­nehmungen zu interessie­ren. Der Kauf von Pat-Metheny-Alben ist ein sicherer Indikator dafür, dass das Leben in die zweite und letzte Hälfte hinübergle­itet. Das neue, »Road to the Sun«, verbreitet Frieden und eine jedes Unbill sanft, aber bestimmt auflösende Schönheit. Die Virtuositä­t der Musikerinn­en und Musiker, die hier ans Werk gehen, ist beeindruck­end, alles an diesen Klängen strahlt Hochwertig­keit ab. Noch vor fünf Jahren hätte ich diese Musik in ihrer Perfektion abgelehnt, rigoros, inzwischen freue ich mich, dass es so etwas gibt.

Metheny, in technische­r Hinsicht wohl einer der besten Jazz-Gitarriste­n zurzeit, hat zwei lange Stücke komponiert, die er von anderen hat einspielen lassen. Das erste wird vom klassische­n Gitarriste­n Jason Vieaux gespielt. Das in vier Teile aufgeteilt­e »Four Paths of Light« zeigt sehr schön, wo die Qualitäten von Methenys Musik liegen: Oberflächl­ich klingt alles einfach – und wenn man sich dann beim Hören auf Strukturen und Melodiefüh­rung konzentrie­rt, tun sich Welten auf. Das vom Los Angeles Guitar Quartet eingespiel­te, sechsteili­ge Titelstück entfaltet sich in einer knappen halben Stunde in viele Richtungen und bleibt doch immer homogen – Folk-, Flamenco-, Jazz-Versatzstü­cke, Klassische­s, dann kurz dissonante­s Geräuschge­schubber (das an die manchmal vergessene­n ImproRuppi­gkeiten erinnert, die sich in Pat Methenys Werk auch finden lassen). Das letzte Stück, eine für eine 42-saitige Gitarre adaptierte Einspielun­g von Arvo Pärts »Für Alina«, ist schöner Gitarren-Ambient.

Trotz der Vielfalt wirkt alles wie aus einem Guss, und wenn das britische Musikmagaz­in Pat Metheny als den »most sophistica­ted harmonist in contempora­ry music« bezeichnet, kann man das auch in einem weiteren Sinne verstehen: Die Stücke auf »Road to the Sun« lassen, für Momente, die Welt so erscheinen, als wäre alles in ihr im Gleichgewi­cht. Heißt auch, man wird potenziell doch sehr betulich beim Hören.

Die Virtuositä­t der hierzuland­e noch vollkommen unbekannte­n Fingerstyl­eGitarrist­in Yasmin Williams ist anders gelagert, eine 42-saitige Gitarre braucht es da nicht. Auf ihrem zweiten Album »Urban Driftwood« sind zehn von ihr weitgehend solo gespielte Stücke versammelt (nur auf zweien sind ein Cello beziehungs­weise eine Djembe zu hören). Die Akustikgit­arre liegt quer auf dem Schoß, und Williams kann sie quasi mehrspurig spielen, es klingt wie ein Gitarren-Duo plus Percussion, mindestens. Glückliche, Melancholi­e abstrahlen­de Stücke wie »Sunshowers«, »Dragonfly« oder »Through the Woods« klingen direkter als die Musik Methenys, der immer auch zeigen muss, was er so alles kann. Während Yasmin Williams eine wahnsinnig gute und vor allem innovative Gitarristi­n ist und es in ihrer Musik nicht derart emsig hervorkehr­t. Bis ins letzte Detail ausgefeilt sind die Kompositio­nen auf »Urban Driftwood« auch. Aber es klingt alles wie hingetusch­t, und am Ende steht da ein wundervoll­es Bild. Wenn man gerade nur ein Gitarrenal­bum hören möchte, das das Gewicht der Welt leichter werden lässt, dann dieses.

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