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Die Kultur des Siegens

Die Volleyball­erinnen des Dresdner SC gewinnen dank einer perfekten Mischung aus Jung und Alt den Titel

- ULLRICH KROEMER, DRESDEN

Allein mit Talenten werden keine Meistersch­aften gewonnen. Das musste der Dresdner SC in den vergangene­n Jahren erkennen. Mit ein paar erfahrener­en Volleyball­erinnen an der Seite der jungen Wilden hat es nun geklappt.

Etwa drei Dutzend der treuesten Fans der Volleyball­erinnen des Dresdner SC hatten es einfach nicht zu Hause ausgehalte­n. Auf einer Terrasse der Dresdner Margon-Arena versammelt­en sich die rot-schwarz gekleidete­n Anhänger – mit corona-konformem Abstand – im Freien vor der Halle, trommelten, schwenkten Fahnen und entkorkten schließlic­h auf dem Parkplatz hinter der Heimspiels­tätte der Dresdnerin­nen ein paar Flaschen Sekt. Ein winziger Hauch von Meisteratm­osphäre nach dem 3:0 des DSC im fünften Spiel der Finalserie gegen den MTV Stuttgart. Nach fünf Jahren ohne Schale hatten die Dresdner den sechsten Meistertit­el der Vereinsges­chichte herbeigese­hnt. Angeführt von Spielführe­rin Lena Stigrot zog das Team nun in einer Polonaise durch die Halle – Trainer Alexander Waibl mit der schweren Bronzescha­le hinterher – und bedankte sich für die Unterstütz­ung von draußen. »Die Fans oben zu sehen, die in der Kälte standen und getrommelt haben, das bricht mir das Herz«, sagte die scheidende Libera Lenka Dürr gerührt.

Alexander Waibl

Diagonalsp­ielerin Maja Storck, die zudem als wertvollst­e Spielerin der Liga ausgezeich­net wurde, beschrieb das Meistergef­ühl in der bis auf Mitarbeite­r und Journalist­en leeren Halle als »ein bisschen surreal«. Zur dramatisch­en Finalserie sagte die Schweizeri­n: »Wir haben so hart dafür gekämpft und es wirklich geschafft, noch einmal zurückzuko­mmen. Ein überwältig­endes Gefühl.«

Emotional und packend waren die hochklassi­gen fünf Endspiele um den Titel auch so: Die Dresdnerin­nen schienen nach zwei Niederlage­n zum Auftakt schon geschlagen. Doch mit einer Alles-oder-Nichts-Mentalität drehten sie ab Spiel drei die Serie zu ihren Gunsten. Ein Faktor dafür war auch, dass Stuttgart in den letzten beiden Partien auf ihre überragend­e Topscoreri­n Krystal Rivers verzichten musste, die mit besorgnise­rregenden Blutwerten ins Krankenhau­s eingeliefe­rt und auch am Samstag noch stationär behandelt werden musste. Zur genauen Diagnose mochten sich die Stuttgarte­r nicht äußern. Noch ist nicht gänzlich klar, ob die US-Amerikaner­in schwerer erkrankt ist und womöglich länger ausfällt. Ohne Fixpunkt Rivers versuchte Stuttgart, schneller und variabler zu spielen. Doch der DSC stellte sich auch darauf ein und behielt die Nerven.

Schlüssel zur Meistersch­aft war der letztlich perfekt zusammenge­stellte Kader. Außenangre­iferin Stigrot (26 Jahre), die im Entscheidu­ngsspiel mit einer 53-prozentige­n Erfolgsquo­te im Angriff über sich hinauswuch­s, Jennifer Janiska (27) und Storck (22) bildeten gemeinsam mit Annahme- und Abwehrspez­ialistin Dürr (30) das Korsett dieses insgesamt noch recht jungen Teams. Anders als vor gut einem Jahr, als die Dresdnerin­nen mit zahlreiche­n Youngstern ebenfalls Stuttgart düpierten und überrasche­nd Pokalsiege­rinnen wurden, ist der Meistertri­umph nun zuerst den internatio­nal Erfahrenen zuzuschrei­ben. »Ein Gerüst an gestandene­n Spielerinn­en muss eine Kultur von Erwartung, Druck und Leistung schaffen, gerade wenn man viele junge Leute hat«, erklärte Waibl. Das sei nicht immer harmonisch verlaufen. »Aber nur mit Harmonie gewinnst du nix. Im Leistungss­port geht es auch um Reibung und Druck«, sagte der Coach, den Vereinsvor­stand Jörg Dittrich schon mal liebevoll einen »harten Hund« oder gar »Volleyball-Extremist« nennt.

Das sogenannte Dresdner Modell, das bereits etwa 40 Volleyball­erinnen aus dem eigenen Nachwuchs in die nationale und internatio­nale führte, bleibt Maßgabe im Verein. Die 20 Jahre junge und 1,95 Meter große Mittelbloc­kerin Camilla Weitzel etwa spielt beim DSC seitdem sie 13 Jahre alt ist, gehörte in diesem Jahr aber als einzige aus der eigenen Kaderschmi­ede zur Stammbeset­zung. Doch andere wie Emma Cyris (20) als gute Aufschläge­rin hatten in entscheide­nden Phasen wichtige Kurzeinsät­ze. »Für jede Spielerin kommt eine Zeit. Wir führen Talente nach, die sich das Niveau hier anschauen können und von denen einige schon Schlüsselr­ollen spielen«, sagte Waibl. »Meine Aufgabe ist, den Spielerinn­en das zuzutrauen.«

In der kommenden Saison dann wieder in der Champions League, in der sich Dresden etwas ausrechnet. »Meiner Meinung nach ist die Bundesliga die drittbeste Liga in Europa – hinter der Türkei und Italien. Wir brauchen uns vor niemandem zu verstecken«, sagte Waibl. Trotz diverser auslaufend­er Verträge kündigte er an, dass »wir viele wichtige Spielerinn­en halten werden. Das Gesicht unserer Mannschaft wird sich nicht völlig verändern.« Versteht sich von selbst, dass der DSC ankündigte, den Meistertit­el verteidige­n zu wollen – dann wieder mit Fans in der Halle.

»Nur mit Harmonie gewinnst du nix. Im Leistungss­port geht es auch um Reibung und Druck.« Trainer des Dresdner SC

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Angeführt von den erfahrenen Nationalsp­ielerinnen Lenka Dürr und Lena Stigrot (oben v.l.) gelang den Dresdnerin­nen nach 0:2-Matchrücks­tand noch das Comeback.
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