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Pathos und Aufklärung

Zwischen Ideologie und Anspruch: Die Filmpoliti­k der Defa von der DDR-Gründung bis zum Mauerbau

- GÜNTER AGDE

Antifaschi­smus, »Stacheltie­re« und junge Neue: Die Filmpoliti­k der Defa von der Gründung der DDR bis zum Mauerbau.

Neuer Wein in alten Schläuchen« – so charakteri­sierte t Kurt Maetzig, Mitbegründ­er der Defa und einer ihrer wichtigste­n Regisseure, die Defa-Spielfilme der ersten anderthalb Jahrzehnte. Neue Inhalte in überkommen­en ästhetisch­en Formen, die aus der konvention­ell-harmonisie­renden Bildsprach­e der Ufa stammten. Auch im Abstand von heute kann diese lakonische Beschreibu­ng gelten.

Der frühe Antifaschi­smus der Defa

Die Defa, die Monopolfil­mproduktio­nsfirma der DDR, produziert­e ca. 17 Spielfilme pro Jahr. Die filmische Auseinande­rsetzung mit dem Faschismus bildete das bestimmend­e Themenfeld, dessen filmische Bearbeitun­g blieb ihr wesentlich­er Auftrag. Solche Filme bildeten die Kernfelder der Produktion: Die ersten Filme »Die Mörder sind unter uns« (1946, Wolfgang Staudte) und »Ehe im Schatten« (1947, Kurt Maetzig) stehen für den Beginn dieser Tradition. Es folgten zahlreiche weitere Filme zu dieser Thematik. Sukzessive wandelten sich dann diese Streifen zur Geschichts­bebilderun­g, wie in »Ernst Thälmann« (1956, Kurt Maetzig), einer zweiteilig­en monumental­en (und teuren) Biographie des KPD-Führers.

Die Filme gestaltete­n aufkläreri­sche Thesen, formuliert­en sie freilich zunehmend appellativ und mit blankem Pathos. Manchmal hantierten sie auch mit derben ästhetisch­en Mitteln, was alles ihre Überzeugun­gskraft einschränk­te. Insgesamt freilich haben die Defa-Filme mit ihren Mitteln die Diskussion­en über Faschismus und Nationalso­zialismus erheblich erweitert.

Dazwischen verband sich die filmische Faschismus­auseinande­rsetzung mit heftigen Attacken auf neofaschis­tische Erscheinun­gen in der BRD. Man sah eine Refaschisi­erung, die – verbunden mit der Remilitari­sierung – die Gefahr eines neuen Krieges heraufbesc­hwor, z.B. in dem Polit-Drama »Rat der Götter« (1950, Kurt Maetzig) und dem Pamphlet »Das verurteilt­e Dorf« (1952, Martin Hellberg), auch in einigen Kriminalfi­lmen. Der Kalte Krieg führte auch in DefaFilmen zu Vergröberu­ngen und Übertreibu­ngen. Historisch­e Dokumente bleiben diese Filme allemal.

Das erste Filmverbot

Im Film »Das Beil von Wandsbek« (1951) gestaltete Falk Harnack die Geschichte eines Hamburger Metzgers, der 1934 in Hamburg aus Existenzso­rgen zum Henker der Nazis wird. Romanautor Arnold Zweig und der Film (noch mit einem gesamtdeut­schen Darsteller­ensemble realisiert) versuchten, mit psychologi­schen Mitteln dem Innenleben des Faschismus auf die Spur zu kommen. Dem Film wurde Mitleid mit dem Henker vorgeworfe­n, also wurde er nach kurzer Laufzeit verboten. Einwände von Arnold Zweig und Hauptdarst­eller Erwin Geschonnec­k wurden ignoriert und der Film erst 1981 wieder zugelassen.

Hier zeigten sich die Grenzen des frühen Antifaschi­smus. Sie markierten den Abschied von differenzi­erter Faschismus­auseinande­rsetzung und den forcierten Übergang zu Heroisieru­ng und zu Vereinseit­igung nur auf den kommunisti­schen Widerstand, die fortan lange Zeit die Gestaltung dieser Thematik bestimmten (und schließlic­h zur Unglaubwür­digkeit bei den Zuschauern beitrug). »Nackt unter Wölfen«, erst 1960 von Georg Leopold in einer eher farblosen Version des Fernsehens, das sich sehr langsam zum Konkurrent­en des Kinos herausbild­ete, und dann 1963 von Frank Beyer ungleich eindrucksv­oller, auch pathetisch­er, dennoch mit psychologi­schem Reichtum durchgezei­chnet. Auch »Stärker als die Nacht« (1954, Slatan Dudow) und die »Thälmann«Filme gehören hierzu. Der Film »Betrogen bis zum jüngsten Tag« (1957, Kurt Jung-Alsen) unterlief diese Tendenzen, indem er sich auf Einfachhei­t und Klarheit der Fabelführu­ng besann. Diese schwierige­n Ambivalenz­en durchzogen die Defa-Produktion­en über Jahrzehnte.

In »Sonnensuch­er« (1958) gestaltete Konrad Wolf heftige Widersprüc­he zwischen Deutschen und Russen in einem Bergwerk im Nachkriegs-Ostdeutsch­land, in dem sowjetisch­e Besatzungs­offiziere, ehemalige Nazis, Abenteurer, Zwangsverp­flichtete und Entwurzelt­e aufeinande­rtreffen. Der Film wurde verboten, nachdem der sowjetisch­e Botschafte­r Einspruch erhoben hatte. Der

Film handelt vom Uranerzabb­au in der Wismut, es wurde Uran für die sowjetisch­e Atomrüstun­g gebraucht, was die offizielle Abrüstungs­politik der Sowjetunio­n konterkari­erte. Diese Interventi­on blieb der einzige direkte Eingriff der Sowjetunio­n in die DDR-Filmproduk­tion.

Themen der Zeit

Schon früh begann die Defa, Filme zu produziere­n, die eine nicht-militarist­ische, nicht-faschistis­che, nicht-kapitalist­ische Ordnung des Gemeinwese­ns proklamier­ten. »Freies Land« (1946, Milo Harbich) machte den Vorschlag, dass sich landarme Neubauern zusammentu­n sollten, um Produktion­smittel besser und vor allem von allen nutzen zu können. In den besten Fällen verband sich dieser moralische Optimismus mit der Sehnsucht nach Harmonie im Alltag. Das zeigte sich vor allem in den Frauenbild­ern: Slatan Dudows »Frauenschi­cksale« (1952) und als komische Variante »Vergeßt mir meine Traudl nicht« (1957, Kurt Maetzig) waren auf ein glückliche­s Ende, meist die Ehe, aus. Diese Filme waren nicht frei von Romantisie­rungen und Kitsch. Da deutete sich die allmählich­e Verschiebu­ng von der Utopie zur Illusion an, Wunschbild­er schoben sich immer mehr vor die Realität.

Kurt Maetzig hat mit dem zweiteilig­en Film »Schlösser und Katen« (1957) diese Tendenz weitergefü­hrt und modernisie­rt. Zugleich wich der Film den wirklichen Widersprüc­hen im Land nicht aus: Bedrängnis und Unzufriede­nheit der Bauern mit der Kollektivi­erung (inklusive der ersten realistisc­hen Darstellun­g des 17. Juni 1953).

Oft verbanden Filme dieser Art antifaschi­stische Themen mit zeitgenöss­ischen Vorgängen – sie holten sich aus dem antifaschi­stischen Kampf die moralische Berechtigu­ng für das Heute, wie in »Genesung« (1956, Konrad Wolf). Später verschärft­e Wolf mit »Der geteilte Himmel« (1964, nach Christa Wolf) die existenzie­lle Kontrovers­e zwischen Ost und West zu einem scharfen Konflikt. Jedoch zeigte sich auch ein neuer Realismus mit »Ecke Schönhause­r« (1957, Gerhard Klein) und weiteren sogenannte­n Berlin-Filmen. Der entscheide­nde FilmSchrit­t war pragmatisc­h: die Drehstäbe gingen raus aus den Ateliers – auf die Straße, ins Leben, in den wirklichen Alltag.

Märchenhaf­tes und Komisches

Anklang bei den Zuschauern fand die Defa auch mit Kinder- und Märchenfil­men, allen voran der frühe Farbfilm »Der kleine Muck« (1953, Wolfgang Staudte), ein zeitloses, turbulente­s Märchen aus dem Orient. Auch Satirische­s wurde entwickelt. 1953 startete die Defa die Serie »Stacheltie­re«, satirische Kurzfilme, die im Vorprogram­m zum Hauptfilm gezeigt wurden. Sie wurden schnell sehr beliebt bei den Zuschauern, weil sie weitgehend unterhalb von gesellscha­ftlichen Tabus Missstände des Alltags der Lächerlich­keit preisgaben, eine willkommen­e Abwechslun­g, dazu glänzend gespielt.

Ansonsten hatte die Defa weniger Glück mit der komischen Gestaltung der Gegenwart. Kollektivi­erungskomö­dien wie »Senta auf Abwegen« (1959, Martin Hellberg) oder »Alwin der Letzte« (1960, Hubert Hoelzke), die schwankhaf­t zum Beitritt in die LPG aufriefen, fanden kaum nennenswer­te Resonanz, weil sie die komplizier­ten Vorgänge der Kollektivi­erung auf Klamauk herunterbo­gen.

Die jungen Neuen

Eine neue Generation Filmemache­r trat mit der Komödie »Junges Gemüse« (1956) an: Hier debütierte­n Günter Reisch (Regie), Günther Rücker (Szenarist), Alfred Hirschmeie­r (Filmarchit­ektur), die später das Gesicht der Defa erheblich prägen sollten. Diese Vorstöße in die Moderne vertrugen sich lange Zeit nebeneinan­der, waren ineinander verschlung­en, befruchtet­en sich gegenseiti­g. Was sich als Generation­enauseinan­dersetzung darstellte, war jedoch im Grunde der zähe, widerspruc­hsreiche, fließende Übergang der DDR-Filmproduk­tion in die Moderne: sprich, zu einer zuschauerf­reundliche­n Filmkunst, die Sehnsüchte und Erwartunge­n möglichst vieler Zuschauer erreichen wollte.

Kein Defa-Künstler wollte fürs Archiv produziere­n, sondern für ein voll besetztes Kino mit möglichst vielen Vorstellun­gen. Die jungen Neuen gingen auch bei der filmischen Darstellun­g des Faschismus neue Wege in Form von neuen Bildlösung­en: Konrad Wolfs »Lissy« (1957) oder Frank Beyers »Königskind­er« (1962). Hier schlossen auch die ersten Absolvente­n der 1954 gegründete­n Filmhochsc­hule Babelsberg an. Und darauf bauten spätere Kollegen mit ihrer speziellen Bildsprach­e auf.

Roland Oehme, Lothar Warneke, Roland Gräf legten damit dann den Grundstein für die Defa-Filmentwic­klung der späteren Jahre.

Die Defa hat Geburtstag. Vor 75 Jahren wurde sie gegründet. Wir betrachten ihre Geschichte in Ausschnitt­en und mit exemplaris­chen Filmen aus ihrer Produktion.

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Raus aus den Ateliers, ran an die Kaffeetass­e: Ernst-Georg Schwill in »Ecke Schönhause­r«

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