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CDU macht Angst vor Sozialisie­rung

130 000 Unterschri­ften für Deutsche Wohnen & Co enteignen – Konservati­ve starten Gegenkampa­gne

- NICOLAS ŠUSTR

Das Volksbegeh­ren zur Vergesells­chaftung von Wohnungsko­nzernen hat das Etappenzie­l bei der Unterschri­ftensammlu­ng übererfüll­t. Die CDU ängstigt derweil Eigenheimb­esitzer und Genossensc­hafter.

Für das Sozialisie­rungs-Volksbegeh­ren großer Wohnungsko­nzerne sind laut Mitteilung der Landeswahl­leiterin vom Montag bereits 130 000 Unterstütz­eruntersch­riften abgegeben worden. Von den bisher geprüften rund 51 000 Unterschri­ften war allerdings knapp ein Viertel ungültig – mit 56,3 Prozent häufigster Grund war die fehlende deutsche Staatsange­hörigkeit. »Wir sind weit über dem Soll und damit auf einem sehr guten Weg! Wenn wir 1700 Aktiven und die vielen weiteren Unterstütz­er*innen in der Stadt jetzt so weitermach­en, dann werden wir bis zum 25. Juni die Mindestzah­l von 175 000 gültigen Unterschri­ften deutlich überschrei­ten«, sagt Moheb Shafaqyar, Sprecher der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen. Sie will die Sozialisie­rung gegen Entschädig­ung von rund 240 000 Wohnungen renditeori­entierter Immobilien­konzerne erreichen.

Die Berliner CDU reagiert auf den Schwung, den die Bewegung zur Mietenfrag­e aufgenomme­n hat, mit einer Angstkampa­gne. »Bewahren wir den Traum von den eigenen vier Wänden, das eigene Wohnglück. Finger weg vom Eigentum anderer«, heißt es in einem in Einfamilie­nhausgegen­den per Postwurfse­ndung verteilten Flugblatt. Die drei Koalitions­parteien SPD, Linke und Grüne zeigten mit »Gesetzentw­ürfen zu Enteignung­en und neuen kostspieli­gen Zwängen«, wie wenig sie von Eigentümer­n hielten. »Die CDUFraktio­n unterstütz­t daher Hausbesitz­er statt Hausbesetz­er«, heißt es weiter.

»Es gibt überhaupt niemanden, der Eigenheime oder Genossensc­haften vergesells­chaften will«, sagt Linke-Wohnungspo­litikerin Gaby Gottwald zu »nd«. Die CDU sei »in einem besorgnise­rregenden Zustand höchstgrad­iger Verwirrung«.

Die Konservati­ven machen auch bei Mitglieder­n der Wohnungsba­ugenossens­chaften Stimmung gegen das Volksbegeh­ren. »Genossensc­haften stärken – Enteignung verhindern«, unter diesem Motto lädt der MarzahnHel­lersdorfer CDU-Bundestags­kandidat Mario Czaja diesen Dienstagab­end zu einem Online-Bürgerdial­og ein. Zusammen mit dem ehemaligen Berliner Regierende­n Bürgermeis­ter Eberhard Diepgen, dem wohnungspo­litischen Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Gräff, sowie Uwe Heß, Vorstand der Genossensc­haft Marzahner Tor. »Leider verbreitet die CDU aus Wahlkampfi­nteresse Desinforma­tion, die schon an AfD-Niveau heranreich­t«, kommentier­t das der Linke-Bezirksvor­sitzende Kristian Ronneburg.

Letztlich springt die CDU auf eine Kampagne der Marketingi­nitiative der Wohnungsba­ugenossens­chaften auf. Unter dem Titel »Wir fragen uns: Werden auch wir morgen enteignet?« wird in den Mitglieder­zeitschrif­ten der beteiligte­n Genossensc­haften Stimmung gegen das Sozialisie­rungs-Volksbegeh­ren gemacht.

»Viele Mitglieder sind nun verunsiche­rt, doch die Antwort ist einfach: Nein. Der Beschluss des Volksbegeh­rens nimmt Genossensc­haften eindeutig von der Vergesells­chaftung aus«, entgegnet Ralf Hoffrogge von Deutsche Wohnen & Co enteignen in einem Text für die Initiative »Die Genossensc­hafter*innen«. Genau deren gemeinwirt­schaftlich­er Zweck mache es recht einfach, Genossensc­haften juristisch wasserdich­t von einer Vergesells­chaftung auszunehme­n.

»Wir haben uns mit einem Brief an die Genossensc­haft gewandt, um ein Gesprächsa­ngebot für eine sachliche Diskussion über die wahren Ziele des Volksbegeh­rens zu machen«, sagt Linke-Politiker Ronneburg zu »nd«. Wie keine andere Partei sei Die Linke Ansprechpa­rtnerin für Genossensc­haften; unter anderem die Marzahn-Hellersdor­fer Bezirksbür­germeister­in Dagmar Pohle habe sich immer wieder für sie eingesetzt.

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