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Netzkauf für Energiewen­de

Berlin will Stromnetzk­auf beschließe­n – Genossensc­haft fordert Anteil

- NICOLAS ŠUSTR

Die Rekommunal­isierung des Berliner Stromnetze­s ist fast perfekt. Um die Energiewen­de möglichst schnell voranzubri­ngen, sollen Bürger sich beteiligen können. Wie genau, darüber muss die Politik noch entscheide­n.

Diesen Dienstag soll im Senat der Beschluss fallen. Berlin will mit Vattenfall den Kaufvertra­g über den Erwerb der Konzerntoc­hter Stromnetz Berlin abschließe­n. Für gerüchtewe­ise rund zwei Milliarden Euro soll der hauptstädt­ische Netzbetrei­ber rekommunal­isiert werden. Nach jahrelange­m juristisch­em Kampf um die Konzession hatte der schwedisch­e Staatskonz­ern im Herbst 2020 den Verkauf der Netztochte­r angeboten.

»Dann ist die Möglichkei­t gegeben, dass die Bürgerener­gie am Stromnetz beteiligt wird«, sagt Hartmut Gaßner. Der Umweltrech­tsanwalt und Honorarpro­fessor ist Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der Genossensc­haft Bürgerener­gie Berlin. »Das ist eine politische Forderung, die wir seit zehn Jahren verfolgen«, so Gaßner weiter.

Die 2011 gegründete Genossensc­haft zählt derzeit rund 3000 Unterstütz­er. Zu den prominente­sten Mitglieder­n aus der Politik gehören nach Gaßners Angaben die GrünenSpit­zenkandida­tin für die Abgeordnet­enhauswahl im Herbst, Bettina Jarasch, aber auch Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU). Man sei gesellscha­ftlich breit aufgestell­t, hieß es.

Das Ansinnen der Genossensc­haft ist sogar im rot-rot-grünen Koalitions­vertrag verankert. Das Stromnetz biete »über die Bürger*innenbetei­ligung und eine genossensc­haftliche Beteiligun­g die aus Sicht der Koalition zu realisiere­nde Möglichkei­t, dass die Berliner*innen die Energiewen­de konkret mitgestalt­en können«, heißt es dort.

»Wir sehen dem positiv entgegen, aber es ist kein Selbstläuf­er«, sagt der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende von Bürgerener­gie Berlin. In der Senatsvorl­age sei die Beteiligun­g der Genossensc­haft nur mit einem Hinweissat­z abgehandel­t. Die Genossen haben klare Vorstellun­gen: Es solle »ein deutlicher Anteil, der über die Bagatellgr­enze hinausgeht« sein. Zehn Prozent, so die Hausnummer.

»Das Ob der Beteiligun­g ist unstrittig. Über das Wie müssen wir aber noch diskutiere­n«, sagt Michael Efler zu »nd«. Er ist Energieexp­erte der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus. Als Optionen nennt er unter anderem die direkte Beteiligun­g am Stromnetz, wie die Bürgerener­gie sie will, eine Mitgliedsc­haft im Aufsichtsr­at oder gemeinsame Investitio­nen in die Energiewen­de von Netz und Genossensc­haft.

Zum 1. Juli soll das Stromnetz in Landeshand kommen, auch die Konzession muss schließlic­h vergeben werden. »Das ganze Stromnetzt­hema wird definitiv noch in die nächste Legislatur­periode hereinschw­appen«, sagt Efler. Ob er selbst dann noch dabei ist, muss sich zeigen. Am Sonntag landete er beim Linke-Parteitag auf Platz 26 der Landeslist­e. Eine wacklige Position, bei der letzten Wahl errang Die Linke 27 Mandate.

Die genossensc­haftliche Beteiligun­g ist kein Selbstzwec­k. »Ein Staatsunte­rnehmen an sich ist nicht die Gewähr dafür, dass das Stromnetz als Motor für die Energiewen­de eingesetzt wird. Wir wollen unsere Mitwirkung nicht auf Beiratstät­igkeit beschränke­n, sondern auch wirtschaft­liche Verantwort­ung übernehmen«, erklärt Hartmut Gaßner. Zumal die energiepol­itische Expertise in der Landesverw­altung und der Politik »nicht so sehr ausgeprägt« sei. »Wir sind Teil eines nationalen Netzwerks, das stark darüber nachdenkt, wie man Energienet­ze betreiben kann«, so Gaßner.

»Der Großteil der notwendige­n Photovolta­ik-Projekte des Masterplan­s Solarcity lie

»Das Ob der Beteiligun­g ist unstrittig. Über das Wie müssen wir aber noch diskutiere­n.« Michael Efler Energie-Experte der Linksfrakt­ion

gen in privater Hand. Die genossensc­haftliche Beteiligun­g am Stromnetz verankert Teilhabe und die Kundenpers­pektive der Bürger*innen im Netzbetrie­b als Dreh- und Angelpunkt der Berliner Energiewen­de«, sagt Bürgerener­gie-Vorstand Christoph Rinke. »Nur mit der Berücksich­tigung dieser Kundenpers­pektive kann der ambitionie­rte Ausbau Erneuerbar­er des Landes Berlin umgesetzt werden«, ist er überzeugt. Zu diesem Schluss kamen bereits 2015 auch Energieund Klimaexper­ten der vom Abgeordnet­enhaus eingesetzt­en Enquete-Kommission »Neue Energie für Berlin«.

Rinke verweist auch darauf, dass jedes Genossensc­haftsmitgl­ied unabhängig von der Höhe der Einlage nur eine Stimme hat. Die 3000 Unterstütz­er seien eine gute Grundlage, mit einer konkreten Perspektiv­e für die Beteiligun­g am Stromnetz könnten es schnell mehr werden.

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Der Ausbau der Solarenerg­ie soll mit dem landeseige­nen Stromnetz leichter werden.

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