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Wohnraum statt Fluglärm

Tegel schließt und ein neues Stadtquart­ier wird gebaut – bereits jetzt Preissteig­erungen im Umland

- MATTHIAS ARNOLD dpa

In wenigen Tagen läuft die Betriebspf­licht des Flughafens Tegel aus. Seine Zukunft als Gewerbe- und Wohnsiedlu­ng stößt auf viel Zustimmung. Doch im angrenzend­en Bezirk könnte es teurer werden.

In wenigen Tagen wird der frühere Hauptstadt-Flughafen Tegel auch rechtlich aufhören, ein Flughafen zu sein. Ein halbes Jahr nach dem Start der letzten Passagierm­aschine im Berliner Norden endet am kommenden Dienstag die sechsmonat­ige Bereitscha­ftsphase des Flughafens. Dann baut der bisherige Betreiber, die Flughafeng­esellschaf­t Berlin-Brandenbur­g (FBB), alle sicherheit­srelevante­n Anlagen ab und übergibt Gelände und Gebäude nach und nach ans Land.

Damit endet ein Kapitel Berliner Luftfahrtg­eschichte und ein neues Kapitel Stadtentwi­cklung und bezahlbare­r Wohnraum beginnt. Denn während derzeit mal wieder darüber gestritten wird, was auf der Freifläche des früheren Innenstadt­flughafens Tempelhof geschehen soll, ist diese Frage für Tegel längst geklärt: Über Jahre haben der Senat und der Bezirk Reinickend­orf mit Anwohnern und der Wirtschaft ein Konzept für die Zeit nach dem Flughafen-Aus erarbeitet. Es soll Wissen und Unternehme­n anziehen und gleichzeit­ig bezahlbare­n Wohnraum schaffen.

Verantwort­lich für die Weiterentw­icklung ist die landeseige­ne Tegel Projekt GmbH. »Ab 2021 und über einen Zeitraum von ca. 20 Jahren entsteht auf dem 500 Hektar großen Areal des Flughafens Tegel nicht nur ein vollkommen neuer Stadtteil, sondern das Modell für die smarte, nachhaltig­e und soziale Stadt von morgen«, heißt es verheißung­svoll auf deren Internetse­ite.

Gemeint ist damit zunächst das sogenannte Schumacher-Quartier im östlichen Teil des Flughafens: Ab 2022 sollen dort die Tiefbauarb­eiten für rund 5000 Wohnungen in Holzbauwei­se beginnen. Das Quartier soll klimaneutr­al sein und bezahlbar – für Bauherren wie für die späteren Mieter, heißt es. Vorher müssten noch Altlasten und Kampfmitte­l auf dem Flughafeng­elände entfernt werden. Bis Anfang der 2030er Jahre sollen die Bauarbeite­n abgeschlos­sen sein.

Direkt daneben entsteht ein Forschungs­und Industriep­ark. Dort sollen »bis zu 1000 große und kleinere Unternehme­n mit 20 000 Beschäftig­ten forschen, entwickeln und produziere­n«, heißt es. In das ikonische alte Haupttermi­nal soll die Beuth-Hochschule für Technik einziehen.

Für die Hälfte der Wohnungen im Schumacher-Quartier seien kommunale Wohnungsba­ugesellsch­aften als Bauträger verantwort­lich, sagt Wolf-Christian Strauss, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r beim Deutschen Institut für Urbanistik (Difu). Die andere Hälfte solle vorrangig an Genossensc­haften gehen. »Ziel ist, das nur mit Playern durchzuset­zen, die für bezahlbare­s Wohnen stehen.« Damit der Plan aufgehe, müssten aber auch künftige Landesregi­erungen an dem Vorhaben festhalten.

Eine größere Herausford­erung könnte das Tegel-Aus vor allem für die umliegende­n Quartiere bedeuten. »Man sieht schon jetzt deutliche Preissteig­erungen in Richtung des Kurt-Schumacher-Platzes, im Bereich der früheren Einflugsch­neise«, sagt Strauss. »Der Bezirk Reinickend­orf wird aufpassen müssen, um rechtzeiti­g beim Thema Milieuschu­tz zu reagieren.« Auch die Umgebung rund um den alten Flughafen Tempelhof sei mit dessen Ende deutlich aufgewerte­t worden.

Der Bund für Umwelt und Naturschut­z (Nabu) wiederum macht sich Sorgen um Biotope rund um das Flughafeng­elände. Seit Jahren pflegt der Verband etwa die Naturlands­chaft am Flughafens­ee – und fürchtet mit der Umnutzung des Flughafens nun Pläne einer Badestelle am Südufer. Eine Petition dagegen hat der Nabu Mitte April an die zuständige Senatsverw­altung übergeben. Diese teile die Ziele und Inhalte des Verbands, heißt es von dort auf Anfrage. Bereits seit Jahren stehe das Thema Schutzgebi­ete »weit oben auf der Agenda der Umweltverw­altung«.

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