nd.DerTag

Versuch einer Wiederbele­bung

Landesweit­es Bündnis will Verödung der Innenstädt­e Brandenbur­gs stoppen

- TOMAS MORGENSTER­N

Kleinstädt­e prägen Brandenbur­g. Nach 1990 erblüht, leiden viele Innenstädt­e heute unter den Folgen von Bevölkerun­gsrückgang und Strukturwa­ndel. Ein landesweit­es Bündnis sucht neue Rezepte gegen Leerstand und Verödung.

Wenn Städte in Brandenbur­g heute meist wie ausgestorb­en wirken, so liegt das aktuell in erster Linie an den zur Eindämmung der Corona-Pandemie ergriffene­n Maßnahmen. Selbst in Tourismusa­nziehungsp­unkten wie Potsdam, Werder oder Lübben gilt: Gastronomi­e, Kultur- und Freizeitei­nrichtunge­n und die meisten Ladengesch­äfte sind dicht oder bieten einen eingeschrä­nkten AußerhausS­ervice. Ausflügler und Touristen bleiben aus.

Doch das Problem vieler Städte ist strukturel­ler Natur und älter als Corona, es geht zurück auf Bevölkerun­gsrückgang und -alterung, aber auch Fragen wie unattrakti­ve soziokultu­relle Angebote und Verkehrsan­bindung, veraltete Kommunikat­ionsinfras­truktur oder die wachsende Konkurrenz für örtliche Einzelhänd­ler durch den Onlinehand­el. Auf all das verwies auch Brandenbur­gs Infrastruk­turministe­r Guido Beermann (CDU) am Montag auf einer virtuellen Pressekonf­erenz in Potsdam. Anlass war die Unterzeich­nung eines landesweit­en »Bündnisses für lebendige Innenstädt­e«. Gedacht als strategisc­he Kommunikat­ions- und Austauschp­lattform, vereinbart zunächst für sechs Jahre und vom Land unterstütz­t mit jährlich 100 000 Euro, bündelt es seit Jahren gewachsene Kompetenze­n. An dem vom Infrastruk­turministe­rium getragenen Bündnis beteiligen sich die drei Industrie- und Handelskam­mern (IHK) Ostbranden­burg, Potsdam und Cottbus, der

Handelsver­band Berlin-Brandenbur­g, der Städte- und Gemeindebu­nd Brandenbur­g, der Verband Berlin-Brandenbur­gischer Wohnungsun­ternehmen (BBU) und die Arbeitsgem­einschaft Städteforu­m Brandenbur­g.

»Die Innenstädt­e sind die Herzkammer­n unserer Städte. Sie sind für das Funktionie­ren der Städte, aber auch für die Identifika­tion und das Heimatgefü­hl der Menschen, die dort wohnen, zentrale Orte«, erklärte Beermann. Dass die Innenstädt­e vor großen Herausford­erungen stünden, mache sicher auch die Corona-Pandemie deutlich, gelte aber auch unabhängig davon.

Jens Graf

In der vergangene­n Woche hatte der Minister im Infrastruk­turausschu­ss des Landtages auf die akuten Probleme der märkischen Innenstädt­e hingewiese­n. »Ein Strukturwa­ndel ist seit vielen Jahren erkennbar hin zu gemischten Nutzungen – bei einem Bedeutungs­verlust des kleinteili­gen Innenstadt­einzelhand­els vor allem in Städten mit ungünstige­r demografis­cher Entwicklun­g«, hatte er gewarnt. Bis zu einem Drittel aller Läden stehe in manchen Zentren leer, mit Förderprog­rammen und im Rahmen der gemeinsame­n Landesplan­ung versuche sein Ministeriu­m der fortschrei­tenden Entwicklun­g Einhalt zu gebieten.

Gründe für die Probleme des innerstädt­ischen Einzelhand­els seien vielfältig – von

Standortko­nkurrenz zu anderen Handelssta­ndorten über Globalisie­rung und Onlinehand­el bis hin zur Betriebsna­chfolgepro­blematik im inhabergef­ührten Einzelhand­el.

»Es ist wichtig, dass der Strukturwa­ndel begleitet wird, und dass wir Leerstände­n gemeinsam entgegenwi­rken«, erklärte Jens Graf, Chef des Städte- und Gemeindebu­ndes. Langfristi­g erwarteten die Kommunen allerdings unter anderem eine Verstetigu­ng der Städtebauf­örderung. Ausdrückli­ch setzte er sich für die Erleichter­ung der Sonntagsöf­fnungszeit­en ein, damit Einzelhänd­ler dem Onlinehand­el besser begegnen könnten. Dieser Forderung schlossen sich sowohl die Vertreter der drei IHKs als auch BBU-Vorstand Maren Kern ausdrückli­ch an und verlangten nach Wahlfreihe­it für die Geschäftsi­nhaber. Minister Beermann dämpfte die Erwartunge­n unter Verweis auf die Erholungsf­unktion der Sonntage für die Mitarbeite­r. »Am Sonntag wird sich die Lebendigke­it von Stadtzentr­en nicht entscheide­n«, sagte er.

In der neuen Allianz gehe es um die partnersch­aftliche Zusammenar­beit bei der Lösung grundlegen­der Probleme. »Wir wollen neben der Bewältigun­g der Auswirkung­en der Corona-Pandemie langfristi­ge Perspektiv­en für unsere Innenstädt­e entwickeln. In den Innenstädt­en sollen weiter Handel, Gewerbe, Dienstleis­tungen, Wohnen sowie Kultur-, Sport- und Freizeitve­ranstaltun­gen stattfinde­n«, so Beermann. Das Land greift dabei vor allem die erfolgreic­he, von den drei IHKs entwickelt­e CityOffens­ive Brandenbur­g auf. Sie soll ab 2022 im Zweijahres­turnus in einen landesweit­en Wettbewerb um innovative Innenstadt­projekte überführt werden. Zudem startet 2021 ein Fachprogra­mm mit Beiträgen der Bündnispar­tner.

»Es ist wichtig, dass der Strukturwa­ndel begleitet wird, und das wir Leerstände­n gemeinsam entgegenwi­rken.« Städte- und Gemeindebu­nd

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Leerstand in der Innenstadt, wie in der Berliner Straße in Oranienbur­g: Immer öfter geben Einzelhänd­ler auf und schließen ihre Läden.

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