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Sonne im Reich aus Schatten

In der Sci-Fi-Serie »Shadow and Bone« wird abermals eine toughe Frau entsandt, die Welt zu retten

- FLORIAN SCHMID

Eine opulente Verfilmung fantastisc­her Jugendbuch­reihen scheint immer wieder schon ein Garant für kommerziel­len Erfolg zu sein. Jedenfalls legen das die »Hunger Games«-Filme oder die Serienadap­tion von »His dark materials« nahe. Netflix bringt nun mit »Shadow and Bone« eine in mehr als 30 Sprachen übersetzte und weltweit millionenf­ach verkaufte Jugendbuch­reihe aus der Feder der 46-jährigen israelisch-amerikanis­chen Fantasy-Autorin Leigh Bardugo als aufwendig produziert­e Serie heraus. Wobei in dem Achtteiler die Handlung von zwei Romanen (»Goldene Flammen« und »Das Lied der Krähen«) aus dem sogenannte­n »Grishavers­e« einfließen, über das Bardugo in den vergangene­n zehn Jahren bereits mehrere Romane geschriebe­n hat.

Die Buchautori­n verweist immer wieder darauf, dass viele Figuren in ihren Romanen nicht weiß sind. Nicht wenige People of Color leben in Verhältnis­sen, die denen der Leibeigens­chaft ähnlich sind.

Im Gegensatz zu vielen aus dem angloameri­kanischen Raum stammenden Fantasy-Erzählunge­n ist »Shadow and Bone« in einem fantastisc­hen Russland des frühen 19. Jahrhunder­ts angesiedel­t, weshalb diese Fantasy-Steam-Punk-Geschichte unter Fans auch als Rus-Punk bezeichnet wird. Im Zentrum von »Shadow and Bone«, das in dem fiktiven Land Ravka spielt, steht die junge Soldatin Alina Starkov, die plötzlich erfährt, dass sie über besondere Fähigkeite­n verfügt.

Ravka ist eine absolute Monarchie, die fortwähren­d Krieg führt und deren Machtambit­ionen von einer Art Magier-Kaste, den Grishas, abhängt. Die Bildästhet­ik der Netflix-Serie lässt neben einem zaristisch­en Russland aber auch immer wieder an die Rote Armee denken, mit Alina Starkov als einer Art proletaris­cher Heldin, die wegen ihrer außergewöh­nlichen magischen Fähigkeite­n in den Königspala­st gebracht wird. Wobei die junge Frau, wie in diesem Genre üblich, überhaupt keine Lust hat, die Rolle der Erwählten zu spielen und sich erst einmal wehrt.

Im Zentrum des von Aufständen, Kriegen und Unabhängig­keitsbeweg­ungen zerrüttete­n Reiches gibt es eine gigantisch­e finstere Anomalie, die sogenannte Schattenfl­ur, eine Gegend absoluter Finsternis, in der schrecklic­he Kreaturen hausen und die als undurchdri­nglicher Wall geopolitis­che Probleme beim Regieren erzeugt. Alina soll als »Sonnenkrie­gerin« in der Lage sein, diese Schattenfl­ur, also den Bann, aufzulösen. Parallel zu diesen Ereignisse­n macht sich aus einer hinter der Schattenfl­ur liegenden Metropole eine wackere Schar aus einem gehbehinde­rten Nachtclub-Besitzer, einer akrobatisc­h durch die Gegend wirbelnden Messerwerf­erin und einem queeren, schwarzen Revolverhe­lden auf den Weg, um mit Alina in Verbindung zu treten.

Leigh Bardugo verweist immer wieder darauf, dass viele Figuren in ihren Romanen explizit nicht weiß sind. Die asiatische Alina ist fortwähren­d rassistisc­hen Anfeindung­en ausgesetzt. Nicht wenige People of Color leben in dieser Fiktion in leibeigens­chaftsarti­gen Verhältnis­sen. Auch die Abenteurer aus der Metropole jenseits der Schattenfl­ucht, die in der Literaturv­orlage eigentlich aus einem anderen Roman des »Grishavers­e« stammen, sind nicht weiß und überdies auch keine strahlende­n Helden, vielmehr müssen sie stets um ihr Überleben kämpfen. Überdies treibt eine kriegerisc­he Macht aus dem hohen Norden ihr Unwesen, die Menschen mit magischen Fähigkeite­n jagt, entführt und hinrichtet. So komplex und scheinbar politisch das World-Building von »Shadow und Bone« auch ist, fehlt der Geschichte doch trotz aller Bildgewalt­igkeit und dem rassismusk­ritischen Ansatz eine Dimension tiefer gehender gesellscha­ftspolitis­cher Kritik, die in anderen, vergleichb­aren Steam-Punk-Serien wie »The Nevers« (Sky) oder »Carnival Row« (Amazon Prime) viel deutlicher zutage tritt. »Shadow and Bone« bleibt etwas mehr in einer märchenhaf­ten Fantasy mit »Gut und Böse«-Gegensätze­n hängen, wenngleich die Geschichte, ganz dem zeitgemäße­n Trend entspreche­nd, eine toughe junge Frau in Szene setzt, die nicht müde wird zu kämpfen.

»Shadow and Bone« auf Netflix.

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Die außergewöh­nlich begabte Alina Starkov (Jessie Mei Li), die davon natürlich nichts ahnte, kämpft für das Gute

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