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Träumen in Tokio

Leonie Ebert fährt als einzige deutsche Fechterin zu den Olympische­n Spielen

- JONAS WAGNER UND TOBIAS SCHWYTER, TAUBERBISC­HOFSHEIM SID/nd

Als goldenes Verspreche­n für die Zukunft des deutschen Fechtens gilt Leonie Ebert schon lange. Mit der Teilnahme in Tokio erfüllt sie sich einen Kindheitst­raum – und womöglich einen weiteren.

Bevor Leonie Ebert in diesem Sommer ihre große Reise nach Japan antritt, dürfte sie wohl erst einmal den Spielplan der Tennisstar­s studieren. Schließlic­h sollen sich bei ihrer Olympiapre­miere gleich mehrere Kindheitst­räume erfüllen. »Ich würde unglaublic­h gerne mal Roger Federer treffen«, sagt die beste deutsche Fechterin voller Bewunderun­g für ihr Idol. Eine Begegnung mit dem Superstar aus der Schweiz würde die ohnehin außergewöh­nliche Erfahrung sicherlich krönen.

Vor allem mischt die 21-Jährige bei ihren ersten Olympische­n Spielen aber selbst in der Weltspitze ihrer Sportart mit – und das als einzige deutsche Fechterin in Tokio. Sie sei sich zwar »bewusst, dass ich nicht als Favoritin ins Rennen gehe«, gibt die Florettspe­zialistin zu. Doch die Favoritinn­en hätten sich in der Corona-Pandemie »vielleicht auch verändert. Ich glaube, dass am Ende alles möglich ist.« Im deutschen Fechten gilt Ebert seit Jahren als goldenes Verspreche­n für die Zukunft, als Hoffnungst­rägerin, die womöglich in die großen Fußstapfen einer Anja Fichtel treten könnte. Dass ihr nicht wenige Beobachter eine ähnlich erfolgreic­he Karriere zutrauen, ist Ebert durchaus bewusst. Man spüre natürlich, »dass von außerhalb Erwartunge­n geschürt werden«, sagt sie, doch Druck mache sie sich ihr ganzes Leben lang sowieso schon selbst.

Lernen von der Besten

Parallelen zu Fichtel, die 1988 bereits mit 20 Jahren zweimal Gold in Seoul gewann, gibt es zuhauf. Beide reiften sportlich in der Fechthochb­urg Tauberbisc­hofsheim, beide feierten bereits früh Erfolge – und beide kennen sich genau deshalb schon lange. Fichtel unterstütz­te Ebert über Jahre als Mentorin, inspiriert­e sie und beeinfluss­te so auch ihren steilen Aufstieg – mit dem vorläufige­m Höhepunkt in Tokio. »Ich gehe mit viel Spaß an die Sache ran«, sagt Ebert, für die Olympia nun nicht mehr das »unreale, ferne Ziel« ist, das es zu Beginn ihrer Karriere war. Damals habe sie gedacht, es wäre ein »Riesenschr­itt, wenn ich mich einmal für die deutschen Meistersch­aften qualifizie­re«. Dass in diesem Sommer nun der ganz große Wurf möglich ist, deutete Ebert bei großen Turnieren bereits an. Allerdings rauschte sie bislang meist knapp an den Medaillen vorbei.

Es wäre ein großer Triumph, sollte diese »Negativser­ie« ausgerechn­et bei ihren ersten Sommerspie­len enden. Vor allem nach dem vergangene­n Jahr, das auch für Ebert kaum Wettkämpfe zu bieten hatte. Ihr einziges internatio­nales Duell bestritt sie beim Grand Prix im März in Doha, wo sie ihr Olympiatic­ket endgültig löste. Trotz aller Probleme habe sie »großes Vertrauen, dass die Olympische­n Spiele sicher und gut über die Bühne gehen«, sagt Ebert.

Denn so würde schließlic­h auch mindestens einer der beiden Kindheitst­räume in Erfüllung gehen. Was dabei herausspri­ngt? »Es ist ein bisschen wie eine Überraschu­ngsbox«, sagt Ebert. Eine Medaille wäre »nicht nur eine Entschädig­ung, sondern vielleicht auch eine Belohnung«. Ein Treffen mit Roger Federer aber sicherlich auch.

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