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Militanter Pazifist

Der Rapper Danger Dan lotet auf seinem neuen Soloalbum die Grenzen der Kunstfreih­eit und des Sauerseins am Klavier aus.

- MARIE FRANK

Selten lagen Freud und Leid so nah beieinande­r wie bei Danger Dans neuem Soloalbum »Das ist alles von der Kunstfreih­eit gedeckt«. Elf Klavierbal­laden, da dachte selbst Daniel Pongratz, wie Danger Dan mit bürgerlich­em Namen heißt, dass das nicht mehr als ein paar hartgesott­ene Fans der Antilopen Gang oder vielleicht noch ihre Eltern hinterm Ofen hervorlock­t. Also druckten er, sein Bruder Tobias alias Panik Panzer und Bandkolleg­e Koljah, die das Album auf dem eigenen Label Antilopen Geldwäsche herausbrin­gen, eigenhändi­g 200 Linoldruck­e, als Anreiz für ihre Fans, »damit die das trotzdem kaufen, obwohl es Klaviermus­ik ist«, erinnert sich Pongratz lachend an diese eklatante Fehleinsch­ätzung.

Ein paar Wochen später kann der 37-jährige Rapper selbst noch nicht ganz glauben, was für Wellen er da mit seinem musikalisc­hen Experiment geschlagen hat. Nachdem die erste Single »Lauf davon« recht geräuschlo­s an der Öffentlich­keit vorbei gegangen war, landete er mit seinem Song »Das ist alles von der Kunstfreih­eit gedeckt« einen Volltreffe­r. Und das quer durch die Bank: Das Lied, in dem der gebürtige Aachener erbarmungs­los mit Führungsfi­guren der Neuen Rechten abrechnet, stieg nicht nur in die deutschen Singlechar­ts ein, sondern begeistert von linksradik­alen Autonomen über bürgerlich­e Kulturlieb­haber*innen das ganze Land. »Selbst Oliver Pocher hat sich darauf positiv bezogen, die kleine miese Type«, macht sich Danger Dan Sorgen, dass sich das Lied »im Marsch durch die Institutio­nen komplett glatt schleift«. »Die ganzen Arschgeige­n kommen auf einmal alle an und finden es geil.«

Die 200 Platten reichen längst nicht mehr aus und die Antilopen Geldwäsche kommt mit dem Nachpresse­n ihres ersten Albums gar nicht mehr hinterher. Danger Dan ist mit dem Lied gelungen, in Pandemieze­iten, in denen rechte und antisemiti­sche Verschwöru­ngsideolog­ien von der vermeintli­chen Mitte der Gesellscha­ft offen auf der Straße skandiert werden, einen Nerv zu treffen: Eine Diskursver­schiebung nach links. Statt »wir müssen die Sorgen der Rechten ernst nehmen« der vergangene­n Jahre heißt es nun »man diskutiert nicht mit Faschisten/hat die Geschichte gezeigt« und dass angesichts des strukturel­len Rassismus in Staat und Polizei und der Verstricku­ng der Sicherheit­sbehörden ins rechte Milieu, Militanz ein legitimes Mittel ist.

»Ich verabscheu­e Gewalt und ich bin Pazifist, aber ich bin militanter Pazifist«, zitiert Danger Dan, der in seinem Musikvideo, das auf You Tube bereits mehr als 2,5 Millionen Klicks hat, mit Bomberjack­e und Kalaschnik­ow posiert und damit selbst vor RAF-Analogien nicht zurückschr­eckt, Albert Einstein. »Nazis und Neurechte machen Politik, die mit Hass und Gewalt funktionie­rt und die Angst erzeugen soll. Und den Kampf um die Straße führt man auf der Straße. Da kannst du keine Flyer verteilen«, ist er überzeugt. Wenn die friedliche­n Mittel nicht funktionie­ren, ist das letzte Mittel, das bleibt, eben Militanz.

Mit dieser Ansicht ist er nicht allein. Abgesehen vom Hass der üblichen rechten Trolle und einem mehr als peinlichen Antwortvid­eo eines Polizisten, das unfreiwill­ig viral ging, bekomme er viele positive Reaktionen, berichtet der Wahlberlin­er. »Von Leuten, die richtig zu Tränen gerührt sind. Weil das Lied scheinbar so einer Wut, die da ist, Raum gibt. Die Leute reagieren ganz emotional darauf, weil sie merken, dass sie doch sauer sind.« Diese Wut will er in Widerstand kanalisier­en, damit sich so etwas wie der NSU nicht wiederholt, wie es aktuell etwa im Berliner Neukölln-Komplex droht. »Wenn ein mutmaßlich­er Brandstift­er, der Leuten das Auto und die Wohnungen anzündet, sagt, ›der Staatsanwa­lt ist auf unserer Seite, da wird nichts passieren‹, dann kann man das nicht tolerieren.« Wenn Staatsdien­er Rechtsterr­oristen unterstütz­en, statt sie zu bekämpfen, sei das »ein Moment, wo, bei allem Idealismus, die Antwort nicht mehr pazifistis­ch funktionie­rt.«

Spätestens nach seinem Auftritt mit dem Starpianis­ten Igor Levit beim »ZDF Magazin Royale« von Jan Böhmermann hat Danger Dan die antifaschi­stische Militanzde­batte auch in die Hochkultur getragen. Das liegt jedoch nicht etwa daran, dass der autodidakt­ische Musiker virtuos Klavier spielen kann (kann er nicht) oder ein besonders talentiert­er Sänger wäre (ist er nicht). Aber das muss er auch gar nicht sein: Es reicht, dass er Klavier spielt und auf einer Theaterbüh­ne sitzt, statt im Hinterhof einen Joint zu rauchen und zu Beatbox zu freestylen, damit man ihm überhaupt zuhört. Danger Dan ist zu einer Art Hagen Rether in linksradik­al geworden.

Im Prinzip sagt er in seinem neuen Album nichts anderes, als er vorher mit seiner Hip-Hop-Band Antilopen Gang auch schon gesagt hat. Er hat auch schon vor seinem Song »Ich verprügelt­e die Sextourist­en in Bangkok« strukturel­le Kritik an Ausbeutung­sverhältni­ssen und patriarcha­len Strukturen geübt. Schon vor »Das schrecklic­he Buch« Antisemiti­smus angeprange­rt. Es hat ihm nur keiner zugehört, weil Rap in Deutschlan­d noch immer in die Schmuddele­cke gestellt wird. »Feuilleton­isten glauben nicht, dass Rapper so viele schlaue Beiträge zum gesellscha­ftlichen Diskurs haben. Ich glaube, da schwingt auch immer noch ganz viel Rassismus mit, weil Rap direkt mit Migration assoziiert wird«, meint Danger Dan.

Ob er deswegen ein Klavieralb­um gemacht hat, um die Schmuddele­cke zu verlassen und als Vertreter der vermeintli­chen Hochkultur ein Publikum auch im bürgerlich­en Milieu zu erreichen? »Ich habe nicht an Größeres gedacht, ich habe an Anderes gedacht«, sagt Danger Dan. Dabei will er vor allem die Grenzen der Kunstfreih­eit ausloten. »Um ehrlich zu sein, ich fand das Experiment, wie weit ich gehen kann, noch spannender, als dass ich wirklich agitieren wollen würde.«

Juristisch ist dieses Experiment bisher geglückt, zumindest sei bis heute keine Anzeige ins Haus geflattert. Auch auf die Schriftlic­he Anfrage eines Ex-AfD-Abgeordnet­en, wieso Danger Dan von der Bundesregi­erung gefördert werde, obwohl dieser in seinem neuen Song zu politische­r Militanz und Selbstjust­iz aufrufe, antwortete Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU), dass er bislang juristisch nicht für seine Liedtexte belangt wurde und seine Texte damit tatsächlic­h von der Kunstfreih­eit gedeckt sind.

Ob das Experiment auch musikalisc­h gelingt, wird sich zeigen. Aber auch hier geht es Danger Dan mehr darum, die ausgetrete­nen Pfade zu verlassen und etwas Neues zu probieren. »Ich habe mit sechs angefangen, Klavier zu spielen und eigene Lieder zu komponiere­n, mal bessere, mal schlechter­e«, sagt er. Einige der Songs auf dem Album wie »Topf und Deckel« sind mehr als zehn Jahre alt, erst jetzt hatte er die Muße, diese musikalisc­hen Facetten auf ein komplettes Album zu pressen. Auch weil in der Corona-Pandemie, ohne den Tourstress der Antilopen Gang, endlich die Zeit dafür war. Und auch die Langeweile. »Ich hatte nie die Zeit und auch nie den Bock, weil Klavierspi­elen ist voll schwer«, sagt er lachend und wird dann wieder ernst. »Es gab auch andere Momente in meinem Leben, wo ich Zeit gehabt hätte, aber da wollte ich halt lieber in die Kneipe gehen oder in den Urlaub fahren. Das geht jetzt nicht mehr, also habe ich es einfach gemacht.«

Nicht alle Balladen auf seinem Klavieralb­um, auf dem sich viel Autobiogra­fisches findet, sind politisch. In dem Liebeslied »Eine gute Nachricht«,werden die Grenzen der Kitschigke­it teilweise deutlich überschrit­ten, wie Danger Dan selbstkrit­isch zugibt. »Ich singe da diesen Satz: ›Eine Milliarde Sterne mussten explodiere­n.‹ Das ist richtig schrecklic­h, richtig krass widerlich.« Dennoch sei dieser Song sein Lieblingsl­ied auf dem Album. »Ich wollte unbedingt so eine Schnulze, eine richtig gute Schnulze schreiben, so wie Herbert Grönemeyer das auch machen könnte.«

Vom Außenseite­r-Rapper zum schnulzige­n Liedermach­er, was kommt als nächstes? »Ich mache gerade parallel schon die nächste Antilopen-Platte«, sagt Danger Dan. Mit der Klaviermus­ik will er aber auch weiter machen. Denn der Vorteil an bestuhlten Konzerten in Theaterhäu­sern wie dem Admiralspa­last oder der Elbphilhar­monie ist, dass es verpönt ist, mitten in der Vorstellun­g aufzustehe­n und zu gehen. »Da wird dann richtig mies agitiert. Das wird ein richtiger Brainwash.«

»Die Leute reagieren ganz emotional daraufI weil sie merkenI dass sie doch sauer sind.«

Danger Dan

Danger Dan: »Das ist alles von der Kunstfreih­eit gedeckt« (Antilopen Geldwäsche/Warner)

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Will mit seinem Klavieralb­um die drenzen der Kunstfreih­eit ausloten: aanger aan

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