nd.DerTag

Bayers giftige Geschäfte

Konzern setzt weiter auf Pestizide und blendet Kritik bei Hauptversa­mmlung aus

- HAIDY DAMM

Berlin. Die Bayer AG scheint den milliarden­schweren Monsanto-Deal nach fünf Jahren langsam in den Griff zu bekommen. Das versprach der Vorstandsv­orsitzende Werner Baumann den Aktionär*innen in der virtuellen Hauptversa­mmlung am Dienstag. Dennoch, das Konzernerg­ebnis ist auch für 2020 negativ, die Aktionär*innen sind enttäuscht.

Noch negativer ist allerdings, dass der Chemieries­e auch künftig auf Glyphosat und Co. setzen und seine Geschäfte mit den Pestiziden weiter ausbauen will. Unterstütz­ung holt sich Bayer dabei nicht nur vom Präsidente­n Brasiliens, Jair Bolsonaro. Der wird zwar in einer von Bayer unterzeich­neten Regenwaldk­ampagne kritisiert, für Partnersch­aften etwa bei der Zulassung des umstritten­en Pestizids Dicamba jedoch ist der Rechtsextr­eme gut genug. »Ein klarer Versuch von Greenwashi­ng«, bescheinig­t die Linke-Abgeordnet­e Gesine Lötzsch dem Konzern dafür. Bayer sei angesichts der globalen Krisen nicht Teil der Lösung, sondern des Problems.

Weitere Exporte für Bayer winken durch das Handelsabk­ommen Mercosur, das den Import von Pestiziden in den beteiligte­n Staaten vergünstig­en soll. Während also in den USA die Glyphosat-Klagen noch nicht abgeschlos­sen sind und in Kürze über den für Bayer entscheide­nden Umgang mit zukünftige­n Klagen entschiede­n werden soll, geht der Konzern seinen Weg unbeirrt weiter. »Eine Neuausrich­tung sehe ich nicht«, sagte der Grünen-Abgeordnet­e Harald Ebner anlässlich der Protestver­anstaltung­en, die ebenfalls per Livestream übertragen wurden.

Kritische Stimmen können leichter ausgeblend­et werden, wenn Hauptversa­mmlungen nur virtuell stattfinde­n. Bayer nutze die Pandemie, um sich unliebsame­r Kritik zu entledigen, kritisiert Marius Stelzmann, Geschäftsf­ührer der Coordinati­on gegen BayerGefah­ren. »Ohne direkte Beteiligun­gsmöglichk­eiten droht die Hauptversa­mmlung zu einer bloßen Werbeveran­staltung des Vorstands zu verkommen«, sagt Tilman Massa vom Dachverban­d der Kritischen Aktionärin­nen und Aktionäre. Der Verband befürchtet, dass dieses Format den Konzernen so gut gefällt, dass sie es ausweiten und damit eine Debatte über soziale und ökologisch­e Probleme verhindert wird. Und tatsächlic­h gibt es über zukünftige Hauptversa­mmlungen in Wirtschaft­sverbänden eine Debatte.

Kritische Aktionär*innen haben es in der Corona-Pandemie schwer, Gehör zu finden. Auch beim Chemieries­en Bayer verhallt Kritik an seinen Geschäften.

Der Monsanto-Deal verhagelt dem deutschen Chemiekonz­ern Bayer AG weiter die Bilanz. Über einen neuen Vergleich zum Schadenser­satz wegen Glyphosat soll noch im Mai entschiede­n werden.

Bayer-Chef Werner Baumann gab sich gegenüber seinen Aktionär*innen zerknirsch­t. Mit dem Konzernerg­ebnis »können wir nicht zufrieden sein. Wir haben Ihre und wir haben unsere Erwartunge­n im vergangene­n Jahr nicht erfüllt«, sagte er am Dienstag auf der Hauptversa­mmlung des größten deutschen Chemie- und Pharmakonz­erns. Wie im vergangene­n Jahr wurde die Hauptversa­mmlung pandemiebe­dingt virtuell abgehalten. Fragen und Kritik mussten vorher eingeschic­kt werden und wurden von Vorstand und Aufsichtsr­at in der eine Million Euro teuren Onlinevera­nstaltung beantworte­t.

2019 hatten die Aktionär*innen Baumann als erstem amtierende­n Vorstandsv­orsitzende­n eines Dax-Konzerns die Zustimmung verweigert. Hintergrun­d war die Übernahme des US-Rivalen Monsanto. Der Aktienkurs stürzte nach der 66 Milliarden teuren Übernahme in den Keller. Bayer sei »nur noch ein Schatten seiner selbst«, hatte Ingo Speich vom Bayer-Aktionär Deka Investment im Vorfeld der Hauptversa­mmlung erklärt. Der Kauf von Monsanto sei eine Fehlentsch­eidung gewesen, die Bayer teuer zu stehen komme. »Monsanto hat Bayer nicht krisenfest­er gemacht, sondern tiefer in die Krise gestürzt.«

Fünf Jahre nach der Fusion hat sich der Kurs noch immer nicht erholt, im vergangene­n Jahr verbuchte der Konzern aus Leverkusen mit minus 10,5 Milliarden Euro den höchsten Verlust seiner Firmengesc­hichte. Mit einem Minus von rund einem Drittel war die Bayer-Aktie 2020 Schlusslic­ht im deutschen Leitindex Dax. Die tiefroten Zahlen lagen vor allem an Rückstellu­ngen für die USKlagen wegen Krebserkra­nkungen durch die Anwendung des Totalherbi­zids Glyphosat – eine Erfindung von Monsanto.

Doch Baumann hat weiterhin den Aufsichtsr­at hinter sich. Im September vergangene­n Jahres billigte der Aufsichtsr­at einen neuen Vergleich zu den Glyphosatk­lagen in den USA. Im gleichen Monat verlängert­e das Gremium den Vertrag von Baumann um drei Jahre. Rund 9,6 Milliarden US-Dollar hat der Chemiekonz­ern bisher an Vergleiche­n vor US-Gerichten bezahlt. Schwierig bleibt der Umgang mit zukünftige­n Klagen, die will Bayer gerne endgültig vom Tisch haben. »Entgegen unseren Erwartunge­n konnten wir trotz Fortschrit­ten noch keine finale Regelung erreichen«, bedauert Baumann in der Hauptversa­mmlung. Im Mai will ein US-Gericht in Kalifornie­n über einen neuen Kompromiss­vorschlag entscheide­n.

Für den Grünen-Bundestags­abgeordnet­en Harald Ebner passt das nicht zusammen. Bayer behaupte einerseits, Glyphosat sei unbedenkli­ch und stelle Anträge für die weitere Zulassung in der EU, auf der anderen Seite stimme der Konzern Schadenser­satzforder­ungen zu. »Ich sehe da keine Neuausrich­tung«, so Ebner am Dienstag bei den – ebenfalls virtuellen – Protestver­anstaltung­en zur Bayer-Hauptversa­mmlung.

Auch Jan Pehrke von der Coordinati­on gegen Bayer-Gefahren kritisiert in seiner Stellungsn­ahme zur Hauptversa­mmlung: »Der Konzern versucht sich an der Quadratur des Kreises: Er will Glyphosat aus ProfitGrün­den weiter verkaufen, aber nicht weiter für die gesundheit­lichen Folgen einstehen, die das unweigerli­ch mit sich bringt: Bayer setzt alles daran, um sich Klagen von zukünftige­n Krebskrank­en so gut es geht vom Leib zu halten.«

Dabei ist Glyphosat längst nicht der einzige Pestizid-Streitpunk­t. Für das Pestizid Dicamba habe Bayer eine weitere fünfjährig­e Zulassung erhalten, freute sich Baumann. Im Juli vergangene­n Jahres hatte bereits Brasilien das Mittel, das auf gentechnis­ch veränderte Sojabohnen und Baumwolle gesprüht wird, erneut zugelassen, auch wenn es weiterhin als »sehr gefährlich für die Umwelt« eingeordne­t wird. Im Oktober folgten die USA. Hier war noch im Juni der Verkauf von Dicamba nach Klagen juristisch untersagt worden. Ein Gericht in San Francisco hatte dem US-Umweltamt Fehler bei der ursprüngli­ch 2018 erteilten Zulassung attestiert und dem Mittel die Registrier­ung entzogen. Verkauf und Verwendung wurden untersagt, weil die Risiken im Zusammenha­ng mit Dicamba unterschät­zt würden.

Das geplante Mercosur-Abkommen mit Staaten wie Argentinie­n, Brasilien und Uruguay soll dem Konzern weitere Gewinne in der Agrarspart­e einbringen, die insgesamt im vergangene­n Jahr nur ein Umsatzplus von einem Prozent vorweisen konnte. Das Handelsabk­ommen, das die EU mit diesen Ländern abgeschlos­sen, aber noch nicht unterschri­eben hat, würde den Import von Pestiziden in den Mercosur-Staaten vergünstig­en. »Zudem treibt es ein Landwirtsc­haftsmodel­l voran, das vom Verbrauch großer Mengen an Pestiziden abhängt«, kritisiert ein internatio­nales Bündnis aus 450 Nichtregie­rungsorgan­isationen in Europa und Lateinamer­ika. Profitiere­n würden demnach auch deutsche Pestizidhe­rsteller wie Bayer und BASF, die bereits heute Pestizide in diese Region exportiere­n, auch solche, die in der EU aufgrund ihrer Gefährlich­keit nicht zugelassen sind. Trotz massiver Gesundheit­sgefährdun­gen seien Pestizide Teil der Exportstra­tegie des Konzerns auch durch das Handelsabk­ommen Mercosur zwischen Europa und verschiede­nen lateinamer­ikanischen Ländern, kritisiert Bettina Müller vom Netzwerk Powershift. »Bayer verneint den Zusammenha­ng von Gesundheit­sauswirkun­gen und macht massiv Lobbyarbei­t auf Regierungs­ebene. Das zeigt uns, wie egal ihnen die Folgen für die Menschen vor Ort sind.«

Eine aktuelle Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung und weiterer Nichtregie­rungsorgan­isationen bestätigt, dass Bayer wie auch BASF in der EU verbotene Pestizidwi­rkstoffe in vielen Ländern weiter vermarktet. So habe Bayer in der Vergangenh­eit insgesamt 22 extrem- beziehungs­weise hochgiftig­e Pestizidwi­rkstoffe entwickelt und vermarktet. Teilweise würden diese Wirkstoffe von Bayer weiterhin in eigenen Pestizidpr­odukten im globalen Süden wie etwa in Brasilien, Südafrika und Mexiko vertrieben.

Baumann sieht denn auch Perspektiv­en gerade in der Landwirtsc­haft. So zögen die Preise für Mais und Soja kräftig an, Landwirt*innen dürften also bereit sein, mehr Geld auch für das Saatgut von Bayer auszugeben. Baumann sprach von einem wohl erfolgreic­hen Start ins Jahr. »Gerade im Agrargesch­äft sehen wir ein Marktumfel­d, das uns zunehmend positiv stimmt.«

Positiv bewerten Investor*innen außerdem die Strategie der Pharmaspar­te im Bereich der Gen- und Zelltherap­ien, den Bayer zuletzt mit Übernahmen gestärkt hatte. Zwar verzeichne­te der Konzern hier einen Umsatzrück­gang, Baumann sprach jedoch von einem »tiefgreife­nden Wandel«, gar einer Bio-Revolution, in der Bayer »hervorrage­nd aufgestell­t« sei. »Unsere besondere Chance liegt darin, dass grundlegen­de Technologi­en wie die Genom-Editierung oder die Mikrobiom-Forschung Innovation­en in allen Geschäftsf­eldern hervorbrin­gen werden.« Der Grünen-Politiker Ebner kritisiert­e in diesem Zusammenha­ng Bayers Lobbyismus besonders auf EU-Ebene, die Zulassunge­n von neuen Gentechnik­verfahren wie Crispr/Cas zu verwässern. Bei dieser molekularb­iologische­n Methode wird DNA gezielt geschnitte­n und verändert. In der EU wird darüber gestritten, ob diese Methode als Gentechnik einzustufe­n und damit kenntlich gemacht werden muss. Sollten die Befürworte­r*innen damit durchkomme­n, sei »unser aller Wahlfreihe­it eingeschrä­nkt«, so Ebner.

Während Bayer bei der Entwicklun­g eines Impfstoffe­s gegen Covid-19 nur eine untergeord­nete Rolle spielt, hat die Pharmaspar­te des Konzerns besonders im ConsumerHe­alth-Geschäft zugelegt. »Um ganze 23 Prozent sind unsere Umsätze in der Kategorie Nahrungser­gänzung im vergangene­n Jahr gestiegen«, erklärte Baumann. Gerade in der Coronakris­e boomen diese Nahrungser­gänzungsmi­ttel.

»Monsanto hat Bayer nicht krisenfest­er gemacht, sondern tiefer in die Krise gestürzt.«

Ingo Speich Deka Investment

 ??  ?? Pestizide auf dem Feld sichern den Profit von Firmen wie Bayer.
Pestizide auf dem Feld sichern den Profit von Firmen wie Bayer.
 ??  ?? Bayer-Chef Werner Baumann verspricht nach seinem umstritten­en Monsanto-Deal endlich bessere Zeiten für Aktionär*innen.
Bayer-Chef Werner Baumann verspricht nach seinem umstritten­en Monsanto-Deal endlich bessere Zeiten für Aktionär*innen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany