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Kritik an Ergebnisse­n des Impfgipfel­s

Bund und Länder: Impfpriori­sierung soll fallen

- MARKUS DRESCHER

Bund und Länder stellen Impffreiga­be und Erleichter­ungen in Aussicht

Berlin. Nach dem Impfgipfel von Bund und Ländern vom Montag herrscht Unzufriede­nheit über die Ergebnisse. Der Deutsche Landkreist­ag sowie der Städteund Gemeindebu­nd zum Beispiel kritisiert­en, es fehlten klare Verabredun­gen zu Erleichter­ungen für Geimpfte. Die Grünen und die FDP bemängelte eine unzureiche­nde Einbindung der Betriebsär­zte. Damit die Impfkampag­ne in den nächsten Wochen bei besserer Impfstoffv­erfügbarke­it mehr Tempo entfalten könne, hätte es klare Absprachen und Vorbereitu­ngen für die baldige Einbeziehu­ng der über 10 000 Betriebsär­zte geben müssen, erklärte Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin GöringEcka­rdt den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe.

Bund und Länder waren am Montag prinzipiel­l übereingek­ommen, Erleichter­ungen für Geimpfte und Genesene zu ermögliche­n und die Impfpriori­sierung spätestens im Juni aufzuheben. Details blieben allerdings weitestgeh­end offen.

Bund und Länder wollen Erleichter­ungen für Geimpfte und Genesene und die Aufhebung der Impfpriori­sierung ermögliche­n. Doch beides sei mit Risiken verbunden, mahnen Kritiker.

Details sind noch offen, formale Beschlüsse wurden nicht getroffen, doch die Ziele sind klar: Nach dem Impfgipfel von Bund und Ländern am Montag steht fest, dass es Erleichter­ungen für vollständi­g Geimpfte und von einer Covid-19-Erkrankung Genesene geben soll und dass spätestens im Juni die Impfpriori­sierung, die Festlegung der Reihenfolg­e, in der verschiede­ne Gruppen geimpft werden, fallen soll.

Zum weiteren Vorgehen beim Thema Rechte für Geimpfte erklärte Kanzleramt­schef Helge Braun (CDU) am Dienstag im ARD-»Morgenmaga­zin«: »Die Bundesjust­izminister­in wird mit dem Gesundheit­s- und dem Innenminis­ter jetzt eine Verordnung vorbereite­n, die genau das vorsehen soll. Dass nämlich bei Kontakt- und Ausgangsbe­schränkung­en vollständi­g Geimpfte und diejenigen, die genesen sind von dem Coronaviru­s, bei Kontaktbes­chränkunge­n zum Beispiel nicht mitgezählt werden.« Laut Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) soll dieser Vorschlag kommende Woche vorliegen, so dass eine Verordnung am 28. Mai vom Bundesrat beschlosse­n werden könnte. Zur Freigabe der Impfungen hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) nach dem virtuellen Bund-Länder-Treffen erklärt: »Das heißt nicht, dass dann jeder sofort geimpft werden kann. Aber dann kann sich jeder um einen Impftermin bemühen, und die werden dann nach Maßgabe der Versorgung auch gegeben.«

Die nun von Bund und Ländern in Aussicht gestellten Schritte dürften einerseits Hoffnungen wecken, die anderersei­ts vermutlich nicht so einfach und schnell zu erfüllen sein werden, wie verschiede­ne Stimmen nach den Beratungen anmerkten. »Ich begrüße es ausdrückli­ch, die Grundrecht­seinschrän­kungen für Geimpfte schnellstm­öglich wieder aufzuheben und sie negativ Getesteten gleichzust­ellen, sofern das auf wissenscha­ftlich gesicherte­r Grundlage geschieht«, erklärte etwa Achim Kessler, gesundheit­spolitisch­er Sprecher der Linksfrakt­ion im Bundestag. »Doch das von Jens Spahn geführte Bundesgesu­ndheitsmin­isterium hat auf meine schriftlic­he Frage hin angegeben, dass es derzeit noch keine wissenscha­ftlichen Belege dafür gibt, dass die durch eine Impfung gewonnene Immunität sich nicht nach einem gewissen Zeitraum wieder abschwächt, sich Geimpfte also wieder anstecken und das Virus dann auch an andere weitergebe­n können«, so Kessler weiter. Es brauche »endlich eine klare und verlässlic­he Krisenkomm­unikation statt weiterer haltloser Versprechu­ngen von Gesundheit­sminister Spahn«.

Auch von der Stiftung Patientens­chutz kam Kritik. Zur Debatte über die Impffreiga­be erklärte Stiftungsv­orstand Eugen Brysch am Dienstag gegenüber der Nachrichte­nagentur dpa: »Heute davon zu reden ist nichts anderes, als den Menschen Sand in die Augen zu streuen.« Im Kern mangele es immer noch an ausreichen­d Impfstoff. Mit der Aussicht auf ein Ende der Impfpriori­sierung im Juni wolle die Politik von dem eigenen Versagen ablenken. Das Thema werde von den Ministerpr­äsidenten mit fatalen Folgen regelrecht angeheizt, so Brysch. Die Hausärzte und Impfzentre­n würden »bombardier­t« mit vielen Anfragen Impfwillig­er.

Susanne Schaper, Sprecherin für Gesundheit­spolitik der sächsische­n Linksfrakt­ion, weitete mit ihrer Kritik den zeitlichen und örtlichen Rahmen: »Zwei Fragen gehören dringend auf die deutschen Kabinettst­ische: Wie erreichen wir die Freigabe der ImpfstoffP­atente sowie die Steigerung der ImpfstoffP­roduktion? Und wie gewährleis­ten wir die absehbar erforderli­chen jährlichen Auffrischu­ngsimpfung­en?« Zu beidem habe sie nichts vernommen. Dabei werde die Impfkampag­ne nur erfolgreic­h sein, »wenn sie weltweit erfolgreic­h ist, sonst werden immer neue Mutationen auch in Staaten eingeschle­ppt, die das Privileg genießen, ihre Bevölkerun­g bereits jetzt impfen zu können«. Auch deshalb sollte geklärt werden, wie der Impfschutz dauerhaft erhalten werden könne, wenn Mutationen Auffrischu­ngsimpfung­en erforderli­ch machen.

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