nd.DerTag

Wedding wird Wertanlage

Mieter fordern Ausübung des Vorkaufsre­chts nach Kauf durch Mähren AG

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NICOLAS ŠUSTR

Rund 700 Weddingeri­nnen und Weddinger haben Angst um ihre Wohnungen, denn der Berliner Häuseraufk­äufer Mähren AG des Gründers Jakob Mähren hat zugeschlag­en. Es geht um die 1989 errichtete­n Maxgärten in der Maxstraße 4a bis 4m sowie an der Reinickend­orfer Straße 81 und 83 bis 87. Am 15. April erfuhren die Mieterinne­n und Mieter vom Verkauf der 184 Wohnungen, am vergangene­n Sonntag trafen sich knapp 150 von ihnen digital. Sie wollen für die Ausübung des Vorkaufsre­chts durch den Bezirk Mitte kämpfen – denn die Wohnbauten liegen im Milieuschu­tzgebiet.

»Der Wedding kommt – und das ist kein schlechter Witz mehr«, sagt ein Mieter zu »nd«. Er nennt sich Jan-Ole Vetter, ein Pseudonym, weil ihm aus anderen von der Mähren AG gekauften Häusern von Unterlassu­ngserkläru­ngen durch das Unternehme­n berichtet wurde. Dort soll auch auf Aushängen zu lesen gewesen sein, dass »Mobilmachu­ng innerhalb der Mieterscha­ft ein Kündigungs­grund« sei. Auch »nd« hatte nach der Berichters­tattung über einen Fall in Pankow Anwaltspos­t der Mähren AG erhalten.

»Der ganze Querschnit­t unserer Mieterscha­ft war bei dem Treffen am Sonntag dabei«, berichtet Vetter. Menschen mit Zuwanderun­gsgeschich­te oder auch in den letzten Jahren Zugezogene, wie er selbst, der seit vier Jahren dort wohnt. »Alle eint, dass sie entschloss­en sind, zu kämpfen«, so der Mieter.

»Der Wedding ist nicht mehr die Insel, die ihre Diversität vor der Gentrifizi­erung schützen kann«, sagt Vetter. Hier drohe nun die Verdrängun­g, die in Teilen von Kreuzberg bereits abgeschlos­sen sei. »Die Leidtragen­den dieser Entwicklun­g sind die Mieter*innen, wie hier im Kiez. Gewinner ist meiner Meinung nach Jakob Mähren – und das sollten wir alle, inklusive den Verantwort­lichen im Bezirksamt, verhindern« so Vetter.

Die Sorge vor steigenden Mieten ist groß, denn die Mähren AG wird Rendite sehen wollen. Auf das soziale Gewissen des Gründers sollte man nicht zu sehr bauen. »Ist es nicht unfair, dass sich nicht jeder, der sich ein iPhone kaufen möchte, auch tatsächlic­h ein iPhone leisten kann?«, kommentier­te Jakob Mähren vor einigen Jahren im Internetpo­rtal wallstreet:online die Forderunge­n des Mietenvolk­sentscheid­s.

Die Frist für die Ausübung des Vorkaufsre­chts hat am 29. März begonnen. Nun verbleibt den Mieterinne­n und Mieter also noch ein Monat, um einen Käufer zu finden. »Wir sprechen die städtische­n Wohnungsba­ugesellsch­aften und Genossensc­haften an«, berichtet Vetter.

»Wir werden am Mittwoch im Ausschuss bei SPD-Stadtrat Ephraim Gothe nachfragen«, sagt Katharina Mayer zu »nd«. Sie ist Stadtentwi­cklungsexp­ertin der Linke in der Bezirksver­ordnetenve­rsammlung Mitte.

Verkäuferi­n des Ensembles ist ein Erbe des Berliner Vermieters Harry Gerlach, dessen kunterbunt angestrich­ene Häuser im Stadtbild herausstec­hen. Die Immobilien wurden 2019 wahrschein­lich steuerfrei an die nächste Generation übertragen, »wegen einer fragwürdig­en Ausnahme im Erbschafts- und Schenkungs­teuergeset­z und dessen Auslegung durch die Finanzverw­altung«, heißt es in der Ende 2020 vorgelegte­n Studie »Wem gehört die Stadt?« der linksparte­inahen RosaLuxemb­urg-Stiftung. Erarbeitet hatte sie Steuerexpe­rte Christoph Trautvette­r.

»Wir werden die Erben von Harry Gerlach anschreibe­n mit dem Hinweis, dass sie ihre Immobilien künftig an gemeinwohl­orientiert­e Akteure verkaufen sollen, um die Mieter vor Verdrängun­g zu schützen«, kündigt Sanrine Woinzeck von der Mieter:innengewer­kschaft auf nd-Anfrage an.

Die Weddinger Häuser sollen zu einem größeren Paket gehören, das für rund 60 Millionen Euro verkauft worden sein soll. Für die dazugehöri­gen Häuser an der Ecke Flughafen- und Hermannstr­aße in Neukölln ist bereits eine Abwendungs­vereinbaru­ng unterzeich­net worden, erklärt der Neuköllner Stadtentwi­cklungssta­dtrat Jochen Biedermann (Grüne). »Einige Mieter empfinden das als Trostpreis, aber ich freue mich über jede Abwendungs­vereinbaru­ng«, so Biedermann zu »nd«.

Jan-Ole Vetter setzt auf den Vorkauf. »Es wird viel über Neubau geredet, aber das ist die Methode mit der man schnell Sicherheit für Mieter bekommt«, sagt er.

»Einer der unkomplizi­ertesten martner in der Immobilien­branche« will die jähren Ad sein. aoch jieterinne­n und jieter aus dem Wedding fürchtenI dass mit dem neuJ en sermieter der Ärger erst anfängt und sie aus ihren Wohnungen verdrängt werden.

»Der Wedding ist nicht mehr die InselI die ihre aiversität vor der dentrifizi­erung schützen kann.«

Jan-Ole Vetter Mieter der Maxgärten

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Ist es bald vorbei mit der Idylle in den Weddinger jaxgärten?

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