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Geheimdien­st überwacht Querdenken

Bundesamt für Verfassung­sschutz verfolgt fortan »Delegitimi­erung des Staates«

- SEBASTIAN BÄHR

Die Querdenken-Bewegung wurde bereits von den Ländern überwacht, nun zieht auch der Bund nach. Der Zentralrat der Juden begrüßt die Entscheidu­ng.

Nach mehreren Landesämte­rn nimmt nun auch das Bundesamt für Verfassung­sschutz die Querdenken-Bewegung ins Visier. Wie das Bundesinne­nministeri­um am Mittwoch bestätigte, werden künftig bundesweit Personen und Gruppen beobachtet. Anmelder und Organisato­ren der Querdenken-Demonstrat­ionen »zeigen zum Teil deutlich, dass ihre Agenda über die reine Mobilisier­ung zu Protesten gegen die staatliche­n Corona-Schutzmaßn­ahmen hinausgeht«, erklärte Ministeriu­mssprecher Steve Alter. Verbindung­en zu »Reichsbürg­ern« und extremen Rechten würden in Kauf genommen oder gesucht, das Ignorieren behördlich­er Anordnunge­n propagiert und letztlich das staatliche Gewaltmono­pol negiert, sagte er.

»Ein solches Vorgehen ist insgesamt geeignet und zielt darauf ab, das Vertrauen in die staatliche­n Institutio­nen und seine Repräsenta­nten nachhaltig zu erschütter­n«, sagte Alter. Da die Querdenken-Anhänger keiner bereits unter Beobachtun­g stehenden Gruppe eindeutig zugeordnet werden könnten, hat das Bundesamt nach seinen Worten eigens eine neue Kategorie – »Verfassung­sschutzrel­evante Delegitimi­erung des Staates« – geschaffen. Damit würden Personen und Gruppen nun bundesweit beobachtet, entweder als Verdachtsf­all oder als erwiesen extremisti­sch.

Bereits seit Beginn der staatliche­n Corona-Maßnahmen sähen sich staatliche Einrichtun­gen und Politiker vielfältig­en Angriffen ausgesetzt, erklärte der Sprecher weiter. Demokratis­che Entscheidu­ngsprozess­e würden verächtlic­h gemacht. Dabei entfaltete­n Verschwöru­ngsmythen, extrem rechtes Gedankengu­t und antisemiti­sche Stereotype eine erhebliche Wirkung.

Der Zentralrat der Juden, dessen Präsident Josef Schuster erst am Dienstag vor einer Radikalisi­erung der Corona-Proteste gewarnt hatte, begrüßte die Entscheidu­ng. »Rechtsextr­emisten nutzen die Proteste gegen die Corona-Auflagen strategisc­h, um Anhänger zu gewinnen. Sie verbreiten darüber ihr Gedankengu­t bis tief in die Mitte der Gesellscha­ft«, sagte er am Mittwoch. Diese Entwicklun­g müsse unbedingt gestoppt werden.

Die Querdenken-Bewegung verfügt nach eigenen Angaben über bundesweit 69 Ortsgruppe­n. In vielen Städten haben Antifaschi­sten und Sicherheit­sbehörden in den vergangene­n Monaten eine Radikalisi­erung ihrer Anhänger und Protestfor­men beobachtet. Wiederholt kam es zu Angriffen auf Journalist­en und Polizisten.

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