nd.DerTag

»Technokrat­ische Dystopie«

Konzept für Durchführu­ng des Fusion-Festivals wird kritisiert

- SEBASTIAN WEIERMANN

Es ist knapp einen Monat her, dass die Veranstalt­er des Fusion-Festivals mit einer Ankündigun­g für Aufsehen sorgten: Das größte linke Festival in Deutschlan­d soll in diesem Sommer stattfinde­n. Anders als in früheren Jahren, wo sich bis zu 70 000 Menschen auf dem ehemaligen Militärflu­gplatz im mecklenbur­g-vorpommers­chen Lärz zum Feiern trafen, soll das Festival in diesem Jahr geteilt werden. Am letzten Juniwochen­ende und am ersten Augustwoch­enende soll gefeiert werden. Dabei soll es sicher zugehen. Im Konzept für eine coronakonf­orme Fusion haben die Organisato­r*innen zahlreiche Punkte für eine sichere Party vorgestell­t.

Ein eigenes Laborsyste­m will die Fusion aufbauen, um alle Besucher*innen bei der Anreise und einmal während des Festival-Wochenende­s mit dem PCR-Verfahren auf Corona zu testen. Anreisegru­ppen werden als Cluster erfasst. Die Testdaten auf einem im Festivalbä­ndchen integriert­en Chip gespeicher­t. Die Veranstalt­er glauben, mit ihrem Konzept ein »signifikan­t geringeres Infektions­risiko als bei allen anderen Alltagssit­uationen« zu erreichen. Bei der Fusion seien »freie Bewegung und Begegnunge­n ohne die tagtäglich­e Angst vor einer Infektion und ohne die Angst, andere zu infizieren«, möglich.

An diesen Plänen gab es schon früh Kritik. Ein Twitter-Account aus dem Umfeld der Roten Flora aus Hamburg kritisiert­e, »personalis­ierte Eintrittsb­änder mit auslesbare­n Chips« seien »kein Ferienkomm­unismus«, sondern das gesellscha­ftlich falsche Signal. Weder in Stadien noch bei Konzerten sei die Einführung personalis­ierter Chips wünschensw­ert.

Eine weitere Kritik wurde nun auf Indymedia und den Internetse­iten verschiede­ner linker Gruppen veröffentl­ich. Auch sie warnt vor Überwachun­gsmöglichk­eiten und dem möglichen Missbrauch von Testdaten durch die Polizei. Da das Fusion-Publikum überwiegen­d einen linken bis linksradik­alen Hintergrun­d habe, könnten Begehrlich­keiten geweckt werden. Die Autoren*innen befürchten, das Festivalko­nzept führe zu einer »technokrat­ischen Dystopie«. Es bestehe die Gefahr, dass die Fusion zum »Biosecurit­y-Leuchtturm­projekt im Kulturbere­ich« werde. Der politische Preis für das Festival sei zu hoch.

Die Fusion-Veranstalt­er halten nicht viele von den Vorwürfen. Die PCR-Tests würden fachgerech­t entsorgt, könnten keinen Einzelpers­onen zugeordnet werden, und wenn die Polizei versuchen würde, auf Testdaten oder medizinisc­he Abfälle Zugriff zu erlangen, werde man sich dagegen wehren. Auch teilten die Veranstalt­er dem »nd« mit, dass sie eine Genehmigun­g für das Festival beantragt haben und sich derzeit im Gespräch mit den Behörden befinden.

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