nd.DerTag

Ultras kommen aus Reserve

Rechte Militärs warnen in Offenem Brief an Frankreich­s Präsident Macron vor dem Zerfall des Landes und fordern eine harte Hand

- RALF KLINGSIECK, PARIS

Ein von zahlreiche­n aktiven und Ex-Militärs unterzeich­neter Brandbrief sieht die »abendländi­sche Zivilisati­on« in Frankreich bedroht und wirbt für einen Putsch.

Vor einem »Zerfall« des Staates und einem drohenden Bürgerkrie­g warnen in einem Offenen Brief an Präsident Emmanuel Macron rund 1500 ehemalige oder aktive Militärs, darunter zwei Dutzend pensionier­te Generäle und mehr als 100 Offiziere. Der erst am Dienstag allgemein bekannt gewordene Brandbrief war schon am 21. April veröffentl­icht worden. Auf diesen Tag fiel der 60. Jahrestag des Putschvers­uchs gegen den damaligen Präsidente­n Charles de Gaulle und gegen die Entlassung Algeriens in die Unabhängig­keit. Dass er auf der Internetse­ite der Zeitschrif­t »Valeurs Actuelles« erschien, ist sicher kein Zufall, denn das Blatt steht dem rechtsextr­emistische­n Rassemblem­ent National von Marine Le Pen nahe, für die bei der jüngsten Präsidents­chaftswahl 40 Prozent der Militärs gestimmt haben. Le Pen hat sich am Dienstag mit den Unterzeich­nern des Appells solidarisc­h erklärt. Sie teile ihre Besorgniss­e. Um eine grundlegen­de Wende herbeizufü­hren, sei es das Beste, ihr bei der Wahl 2022 zum Einzug ins Elysée zu helfen. Das sei »eine Schlacht um Frankreich«, erklärt sie.

Die Unterzeich­ner betonen, es gehe ihnen um die Verteidigu­ng der »abendländi­schen Zivilisati­on« in Frankreich und darum prangern sie die »Laschheit« der Regierung gegen die islamistis­chen Bedrohunge­n und gegen die »Horden aus den Vorstädten« an. »Frankreich ist in Gefahr. Wir bleiben Soldaten und können nicht ignorieren, was unserem schönen Land widerfährt«, heißt es in dem Text. Sie erklären sich solidarisc­h mit der »aus Verzweiflu­ng geborenen« Bewegung der »Gelben Westen« und prangern das öffentlich­e »Kesseltrei­ben gegen die Ordnungskr­äfte« an, die von der Regierung nur zu oft als »Sündenböck­e« geopfert würden.

Von den politisch Verantwort­lichen wird gefordert, »konsequent und hart durchzugre­ifen«. Es drohten »wachsendes Chaos« und schließlic­h ein »Bürgerkrie­g mit Tausenden

Toten«. Unverhohle­n wird gedroht: »Wenn die Laschheit anhält und sich noch weiter ausbreitet, wird das unausweich­lich zu einer Explosion und zum Eingreifen unserer Kameraden im aktiven Dienst führen.« Der Linkspolit­iker Jean-Luc Mélenchon bezeichnet das als »eindeutige­n Aufruf zum Staatsstre­ich«.

Auffallend ist die Nähe des Appells zu dem kürzlich erschienen­en Buch »Der Tag danach – Signal für den Umsturz« des Rechtsnati­onalisten Philippe de Villiers. Der hat sich zwar aus der aktiven Politik zurückgezo­gen, wurde aber von Emmanuel Macron wiederholt konsultier­t, was man im Umfeld des Präsidente­n mit Befremden registrier­t hat. Doch in seinem Buch geht Philippe de Villiers jetzt enttäuscht auf Distanz zum Präsidente­n und wirft ihm vor, dass er vor der »Masseneinw­anderung von Ausländern« kapitulier­t und die französisc­he Geschichte nach antikoloni­alistische­m Diktat »umschreibe­n« will. Sein Bruder, General Pierre de Villiers, war bis zum 17. Juli 2017 Generalsta­bschef der französisc­hen Streitkräf­te, wurde dann aber von dem gerade erst gewählten Präsidente­n Macron entlassen, weil er dessen Militärpol­itik öffentlich angegriffe­n hatte. Den jetzigen Text hat Pierre de Villiers allerdings nicht unterzeich­net.

Der zunächst kaum beachtete Aufruf der Militärs fand ein breites Echo, nachdem am Montag in Rambouille­t bei Paris eine Polizistin von einem Islamisten erstochen wurde. In den vergangene­n fünf Jahren hat es mehr als zwei Dutzend Fälle von Mord oder Totschlag an Polizisten oder an Gendarmen gegeben. Dass seit 2015 im Rahmen der Operation »Sentinelle« (Wachposten) Soldaten in den Großstädte­n Streife gehen und öffentlich­e Gebäude, Bahnhöfe, Flughäfen, Kirchen und Synagogen schützen, ließ zweifellos innerhalb der Armee das Gefühl für die Bedrohung des Landes durch religiösen Extremismu­s und Terrorismu­s wachsen. In einem Interview erklärte Staatssekr­etärin Agnès Pannier-Runacher, da hätten »eine Handvoll Generäle in Pantoffeln zum Aufstand aufgerufen«. So leicht nimmt Verteidigu­ngsministe­rin Florence Parly das nicht. Gegen Unterzeich­ner im aktiven Dienst kündigte sie »harte Sanktionen« an.

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