nd.DerTag

Vom Lichtblick zum Problemfal­l

Thailand rutscht seit Monatsbegi­nn immer weiter in den akuten Corona-Krisenmodu­s

- THOMAS BERGER

Lange war Thailand eine der »Corona-Oasen«: Lediglich gut 4000 Fälle gab es bis Mitte Dezember – bei einer Bevölkerun­g von 70 Millionen. Eine neue Welle bringt nun auch die Regierung in Bedrängnis.

Die Besatzungs­politik 2200 Neuinfekti­onen am Mittwoch, so viel wie am Vortag. Das sind Zahlen, von denen Länder vergleichb­arer Größenordn­ung, wie auch Deutschlan­d, derzeit träumen. Doch Thailand kommt von einer ganz anderen Ausgangsla­ge. Selbst nach einem kleinen Anstieg in der zweiten Dezemberhä­lfte hatte das Jahr mit nur knapp 7200 Gesamtfäll­en begonnen. Inzwischen ist diese Zahl auf 62 000 gestiegen, und die täglichen Neuinfekti­onen erreichen Werte, die 2020 in vier bis fünf Monaten zusammenge­fasst erreicht wurden.

Dass die Kurve seit den ersten Apriltagen rapide ansteigt, lässt die Alarmglock­en schrillen – allein seit Monatsbegi­nn hat sich die Gesamtzahl mehr als verdoppelt. In der Hauptstadt­metropole Bangkok werden derzeit Stadien und Trainingss­tätten als Corona-Notkranken­häuser vorbereite­t. Diese Feldlazare­tte werden vom Militär betrieben, drei sind schon in Betrieb: in Songkhla ganz im Süden, in Prachuap Khiri Khan und in Bangkok. Die dortigen Kapazitäte­n von 300 Betten waren schon am Sonntag mit 246 Patienten fast ausgelaste­t, hieß es in einer Meldung der »Bangkok Post«. Wie schwierig es schon jetzt ist, überhaupt noch Infektions­ketten nachzuverf­olgen, zeigt sich an einem der prominente­sten Beispiele: Der Chef der Wahlkommis­sion wurde vorigen Donnerstag positiv getestet, könnte 50 Behördenmi­tarbeiter angesteckt haben. Da er nicht gereist ist, sei unklar, wo er sich infiziert habe, so ein Sprecher.

Schon vor der Corona-Pandemie hatte Thailands Regierung keinen einfachen Stand. Premier Prayuth Chan-o-cha hatte als Armeechef im Mai 2014 einen unblutigen Militärput­sch angeführt. Trotz Wahlen vor zwei Jahren, die das Regime notdürftig legitimier­ten, steht die Riege der Putschiste­n wegen Beschränku­ngen demokratis­cher Freiheiten weiter in der Kritik. Eine seit den Monaten Juli und August neu entfachte Protestbew­egung, vor allem von Studierend­en angeführt, fordert umfassende Reformen und spart, bis dato ein Tabu, dabei nicht einmal die besondere Stellung des Königshaus­es aus. Dass Prayuth am Dienstag vom Kabinett zur effektiven Bekämpfung der Coronakris­e mit weiteren Befugnisse­n ausgestatt­et wurde, die sonst bei einzelnen Ministerie­n oder dem Parlament liegen, löst vor diesem Hintergrun­d bei vielen ein mulmiges Gefühl aus. Zwar betonte ein Regierungs­sprecher, es handle sich nur um einen temporären Schritt, um Entscheidu­ngswege kurz zu halten. Doch jede weitere Machtanhäu­fung in Prayuths Händen wirft Kritik auf. 31 Gesetze wurden für diesen Schritt abgeändert.

Der Beginn des neuen Schuljahre­s ist vom 17. Mai auf 1. Juni verschoben worden, historisch­e Stätten sind komplett geschlosse­n – der wirtschaft­lich so bedeutsame Tourismus liegt ohnehin am Boden, da ausländisc­he Besucher nicht mehr einreisen dürfen. Es war gerade die frühe, fast komplette Abschottun­g nach außen, die bis Ende 2020 sehr gut funktionie­rte, um die Corona-Ausbreitun­g zu verhindern. Pläne, den Tourismus wenigstens lokal eingeschrä­nkt wie auf der Ferieninse­l Phuket wieder zu öffnen, wurden schon mehrfach verschoben.

Besonders in der Kritik steht Gesundheit­sminister Anutin Charnvirak­ul. Der Premier stellte sich in einer Erklärung vor Anutin,

Der Beginn des neuen Schuljahre­s ist vom 17. Mai auf 1. Juni verschoben worden, historisch­e Stätten sind komplett geschlosse­n – der wirtschaft­lich so bedeutsame Tourismus liegt ohnehin am Boden, da ausländisc­he Besucher nicht mehr einreisen dürfen.

der sich gegen eine Online-Rücktritts­forderung wehrt, die schon 250 000 Unterschri­ften zählt. Die Impfkampag­ne hinkt selbst Nachbarn wie Malaysia und Myanmar hinterher: Erst 0,81 Prozent der Bevölkerun­g haben die erste Dosis erhalten. Bisher wird nur mit dem Präparat von Astra Zeneca geimpft. Von der zuständige­n Behörde kam nun die Nachricht, dass die einheimisc­he Firma Siam Bioscience den Impfstoff in Lizenz produziere­n darf. Die Prüfungen seien erfolgreic­h gewesen.

Prayuth will ergänzende Mengen von Sputnik V, Biontech Pfizer und Johnson & Johnson bestellen, um bis Jahresende 50 Millionen Einwohner geimpft zu haben. Die Universitä­t der thailändis­chen Handelskam­mer prognostiz­iert derweil einen Einbruch der Wirtschaft von 1,2 bis 1,8 Prozent durch die neue Welle.

Newspapers in German

Newspapers from Germany