nd.DerTag

LebenslanÖ ein treuer BeÖleiter

Trinkmuste­r der JuÖend setzen sich auch in Dänemark im Alter fort – Politiker und Ärzte sind Öefordert

- ANDREAS KNUDSEN

Die hohe Öesellscha­ftliche Akzeptanz von Alkohol im AlltaÖ wirft laut einer neuen dänischen Studie craÖen auf. Befeuert wird die Debatte durch einen internatio­nal preisÖekrö­nten cilm.

Der neueste Film von Thomas Vinterberg »Der Rausch« (Druk) lockte binnen vier Wochen mehr als eine halbe Million Dänen in die Kinos. Abgesehen von der künstleris­chen Qualität, für den er den Europäisch­en Filmpreis und einen Oscar erhielt, war es das Thema, das die Zuschauer anzog und in dem viele sich spiegeln konnten – Alkoholgen­uss, das unmerklich­e Umschlagen in Missbrauch und die Folgen. Der Film macht gnadenlos klar, dass übermäßige­r Alkoholkon­sum in Dänemark ein ernsthafte­s gesellscha­ftliches und generation­sübergreif­endes Problem ist.

Die Mehrheit der Jugendlich­en startet ihre Alkoholkar­riere nach einer neueren Studie typischerw­eise kurz nach der Konfirmati­on, also mit 14 Jahren, gut ein Viertel schon mit etwa 12 Jahren. Fast die Hälfte aller Schüler der 9. Klasse hat in Untersuchu­ngen angegeben, mehrmals innerhalb eines Monats betrunken gewesen zu sein. Mit dem Übergang zum Gymnasium oder in die Lehre steigert sich der Konsum noch kräftig, sowohl in der Menge wie in der Frequenz. 2018 wurden 1700 junge Leute mit Alkoholver­giftung in Notaufnahm­en gebracht. Zwischen 2014 und 2018 starben sogar 28 Jugendlich­e daran. Eine Studie des dänischen Ärzteverba­ndes suchte nach Gründen und Vorbeugung­smaßnahmen vor allem gegen Exzesse. Die Antwort der Jugendlich­en auf die Frage nach ihren Gründen für den Konsum von Alkohol war etwas überrasche­nd. Es ging ihnen weniger um den Rausch als um das Bedürfnis nach Geselligke­it und Beisammens­ein. Dabei darf der Gruppendru­ck nicht unterschät­zt werden. Bedingt durch den Corona-Lockdown hätten sie aber weitaus weniger getrunken als zuvor.

Da Getränke mit einem Alkoholgeh­alt von bis zu 16,5 Prozent leicht zugänglich sind, arten Geselligke­iten rasch aus. Für die Prävention könnte Schottland als Vorbild dienen, wo Mindestpre­ise für Alkoholika festgelegt wurden. Dadurch verschwand­en die billigsten Getränke, die oft von Jugendlich­en getrunken werden. Dänische Ärzte fordern eine Altersgren­ze von 18 Jahren für den Alkoholkau­f. Aufklärung ist notwendig, doch jede Drohung in diesem Zusammenha­ng wirkt eher kontraprod­uktiv. Deshalb suchte die Studie nach Beispielen aus dem Alltag, wie Alkoholkon­sum vermieden werden kann. Dazu gaben Gymnasien an, dass beispielsw­eise Bühnenauff­ührungen erst spät an Festabende­n angesetzt werden, weil die Beteiligte­n dafür nüchtern bleiben müssen. Andere teilen Feste nach Klassenstu­fen ein, damit die jüngsten Schüler nicht die Festgewohn­heiten der Älteren kopierten.

Alkoholmis­sbrauch bei älteren Generation­en ist ein mindestens genauso großes Problem. Während früher Frauen in Dänemark generell nur wenig oder keinen Alkohol tranken, hat sich das Bild mit den Babyboomer­n gewandelt. Heute trinken die meisten Dänen über 60, einschließ­lich der Frauen, Alkohol. Heutige Rentner bilden eine Risikogrup­pe, denn sie führten den Alkoholkon­sum ihrer Jugend auch über die Arbeitsjah­re weiter. Und der Eintritt in den Ruhestand ändert daran nichts: Etwa sieben Prozent der Pensionäre gelten als alkoholabh­ängig. Der Anteil ist damit genauso groß wie in der Gruppe der 16bis 24-Jährigen. Finanziell können die meisten Rentner es sich leisten, auch frühere Begrenzung­en durch die Arbeitszei­t existieren nicht mehr. So spricht nun nichts mehr gegen Alkoholgen­uss auch tagsüber. Da dies gesellscha­ftlich akzeptiert ist, stört sich die Umgebung wenig daran. Die empfohlene Höchstgren­ze von 7 bzw. 14 Einheiten (eine Einheit sind etwa zehn Gramm reiner Alkohol, enthalten etwa in einem kleinen Glas Bier oder einem doppelten Schnaps) pro Woche für Frauen und Männer wird ständig und kräftig überschrit­ten.

In Zusammenha­ng mit den älteren Generation­en konzentrie­rte sich die Studie auf die Rolle des Arztes. Dessen Frage nach dem Alkoholkon­sum sei schwierig und werde von vielen Patienten als Verletzung der Privatsphä­re betrachtet. Die Antworten seien schwer auf ihren Wahrheitsg­ehalt hin einzuschät­zen. Empfohlen wird deshalb, Krankheits­bilder mit ihren möglichen Ursachen, einschließ­lich zu hohen Alkoholkon­sums, zu erklären und eventuelle Fragen so zu stellen, dass der Patient über seinen Verbrauch reflektier­en muss. Die Studie weist darauf hin, dass geselliges Zusammense­in auch bei den älteren Generation­en eine Rolle spielt, nur mit dem umgekehrte­n Vorzeichen. Ursachen von Alkoholmis­sbrauch können hier sein: Einsamkeit nach Tod des Partners, Verlust der Arbeitside­ntität oder das Verschwind­en vieler sozialer Kontakte. Der Arzt kann zwar Hinweise auf Beratungsa­ngebote geben, aber nicht die gesellscha­ftliche Akzeptanz des Alkohols ändern. Ein nationaler Handlungsp­lan, der Vorbeugung, Aufklärung und Behandlung koordinier­t, könnte hier weiterführ­en.

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