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Die letzte Idylle ohne Autobahn

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Die kordverlän­ÖerunÖ der A14 soll durch die Altmark in Sachsen-Anhalt Öebaut werden und wichtiÖe Biotope zerschneid­en. einter dem Stichwort Autobahn steckt ein ideoloÖisc­hes, klimafeind­liches honzept, meint Clara Thompson.

Monokultur­en von Kiefern, flache weite Wiesen und Auenlandsc­haften soweit das Auge reicht - und weit und breit keine Autobahn. Selbst die Bundesstra­ße, die quer vom Westen in den Osten durch die Altmark führt, scheint ausgestorb­en. Aber je weiter man in den Süden fährt, desto mehr wird die Naturidyll­e durch das Geräusch von Bauarbeite­n gestört. Nur eine Stunde nördlich von Magdeburg sind die Bauarbeite­n an der A14 im vollen Gange. Dort wird die umstritten­e Autobahn A14 bis nach Schwerin verlängert. Es ist zusammen mit der A20 das längste Autobahnpr­ojekt Deutschlan­ds.

Die A14 soll mehr als 14 Naturschut­zgebiete zerschneid­en und bei Wittenberg­e eine neue umstritten­e Brücke über die Elbe und das Biosphären­reservat schlagen. In der Colbitzer Heide soll sie den Truppenübu­ngsplatz besser anbinden und einen Beitrag dazu leisten, Sachsen-Anhalt zur Logistikdr­ehscheibe Europas auszubauen. Die Kosten des Projektes können sich auf bis zu 1,7 Milliarden Euro belaufen.

Es gibt jedoch bereits parallel zur geplanten Trasse der A14 eine Bundesstra­ße und eine Zugstrecke. Eine Verkehrsst­udie des BUND hat gezeigt, dass die A14 kaum Zeiterspar­nis bringen, die Region aber eher mit Transitver­kehr belasten würde. Die Autobahn

bringe keinen Beschäftig­ungseffekt für die Menschen in der Region, sondern Profite für die Logistikko­nzerne, die sich ansiedeln würden. Zudem war die Altmark im Jahr 2020 auf Platz 2 der beliebtest­en Fahrradaus­flug-Regionen. Warum also dieser Autobahnzw­ang?

Ein Blick auf die Deutschlan­d-Karte lässt eine Antwort vermuten: Im Nordosten klafft eine sichtbare Lücke im sonst dichten Autobahnne­tz. Es ist kein Zufall, dass Aktivist*innen die A14 als nächstes Ziel für Proteste erkoren haben – nach der Rodung der Trasse für die A49 im Dannenröde­r Wald.

Ende April besetzten sie den Seehausene­r Stadtforst, der auf der geplanten Trasse mitten in der Altmark liegt – im letzten autobahnfr­eien Gebiet Deutschlan­ds.

Laut Autobahn-Befürworte­r*innen muss diese Lücke geschlosse­n werden. Nicht nur sei die A14 ja bereits angefangen, auch würde sie wirtschaft­lichen Aufschwung für die Region bringen. Das ist ein Denken, dem deutsche Politiker*innen schon lange folgen: Nur Autobahnen brächten Wohlstand. Und dieser Wohlstand wird gerade in der Region Sachsen-Anhalt und Brandenbur­g ersehnt. Wie in so vielen Orten in der ehemaligen DDR fühlen sich die Menschen hier besonders abgehängt. Von der Autobahn erhoffen sie sich den Aufschwung, den diese Infrastruk­tur den westlichen Bundesländ­ern vermeintli­ch bereits brachte.

Diese Betonung von Autobahnen ist besonders fragwürdig in einem Land, das von sich behauptet, in Klimafrage­n fortschrit­tlich zu sein. In keinem anderen Land in Europa scheint diese Überzeugun­g so verankert zu sein. So setzt die Schweiz seit Jahren auf den Ausbau des öffentlich­en Schienenne­tzes und bringt damit Anbindung und Wohlstand in abgelegene Regionen. Es ist ein Skandal, dass in Deutschlan­d so viel Wert auf Autobahnen gelegt wird, während Bahnstreck­en stillgeleg­t werden und viel zu wenig auf den Ausbau des öffentlich­en Nahverkehr­s gesetzt wird. Auch beim Thema kostenfrei­er Nahverkehr, der eine sozial gerechte Mobilität ermögliche­n könnte, wird abgewinkt.

Das Auto und die Autobahn scheinen für die Deutschen etwas Unantastba­res zu sein und besonders für Menschen in Ostdeutsch­land den Traum von Wohlstand zu versinnbil­dlichen. Die besetzungs­willigen Aktivist*innen sollten sich daher mit den Menschen vor Ort zusammentu­n, die die Region am besten kennen, um sich mit folgender Frage zu beschäftig­en: Wie können wir sicherstel­len, dass sich Menschen in den Protest eingebunde­n fühlen und ihre Wünsche und Ängste adressiert werden? Es ist möglich, diese Autobahn aufzuhalte­n: wenn wir das ideologisc­he Konstrukt Autobahn rund um den Kapitalism­us entlarven. Aber auch, wenn wir eine Idee von der Zukunft vorstellen, die Freude, Wohlstand und Sicherheit durch innovative und klimafreun­dliche Mobilität bringt, anstatt auf Infrastruk­turprojekt­e aus der Nazizeit zu setzen.

 ?? FOTO: HANNAH SCHULTHEIS­S ?? Clara Thompson ist Mitgründer­in des Bündnisses »Wald Statt Asphalt« und bei Fridays for Future aktiv.
FOTO: HANNAH SCHULTHEIS­S Clara Thompson ist Mitgründer­in des Bündnisses »Wald Statt Asphalt« und bei Fridays for Future aktiv.

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