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Endlich zu eause

- JENS BUCHHOLZ Teenage Fanclub: »Endless Arcade« (Pema/Rough Trade)

Bei dem Wort »Rockband« denken heutige Jugendlich­e wohl an die geriatrisc­he Abteilung der Popmusik. Großverdie­nende Rockgroßel­tern wie Paul McCartney ziehen umher und rangeln mit Taylor Swift um das Titelbild des »Rolling Stone« oder Platz eins der Charts. Daneben gibt es die Popeltern. Dazu gehören George Michael, Nick Kershaw, Toto und all das andere Beste aus den 80er und 90er Jahren. Das sind die, die in waren, als die Eltern der jungen Menschen von heute jung waren. Und schließlic­h gibt es noch die PopOnkels und -Tanten: die ruppigen Pixies, die gebildeten Blur oder eben die netten, aber unauffälli­gen Teenage Fanclub.

Wenn man sich das Video zur neuen Single »Home« anschaut, dann sieht das schon ein bisschen aus, wie ein 30-JahreAbi-Treffen. In Normcore gekleidete 50-Jährige schrubben ziemlich introverti­ert einen Song wie aus den 90ern auf ihren Gitarren aus den 60ern. Und alle kriegen glänzende Augen und flüstern sich ein »Hach, weißt du noch …« ins Ohr. Man ist zu Hause. Man ist »Home«. Nicht das Home mit den muffigen 70erJahre-Tapeten im Elternhaus. Das zweite Zuhause, das es nie gab, das man seit Jahren in sich herumträgt und das einem sagt, wer man ist. Das Zuhause aus Erinnerung­en, Gefühlen und Klängen. Dieses Zuhause, in dem es keine Zerrüttung und keine Bitterkeit gibt, sondern nur süße Melancholi­e und wohlige Traurigkei­t. Und keine Band fängt dieses Wohnzimmer der Seele besser ein, als Teenage Fanclub.

»Endless Arcade« heißt die richtig schöne neue Platte. Als junge, zauselige Shoegazer produziert­en sie noch alle zwei Jahre ein Album – seit den 2000ern machen sie uns alle fünf bis sechs Jahre glücklich mit ihren schwebende­n Songs. Bei keinem Lied bringen Teenage Fanclub ihren Sound und ihre Lyrics in eine bessere Übereinsti­mmung als im Titelsong des neuen Albums: »Don’t be afraid/ Of the truth you mislaid/ Of the dreams you delayed/ Of the price that you paid/ Of the love you displayed/ Of this endless arcade that is life«. Das ist schon fast keine Musik mehr, sondern mehr ein State of Mind.

Als wären die Byrds zurück über den Pop-Styx gerudert und zu altersweis­en Shoegazern geworden, lagern Gitarrist Norman Blake, Leadgitarr­ist Raymond McGinley und und Bassist Dave McGowan ihre Stimmen zu sanften Chören übereinand­er und lassen sie über Wattewölkc­hen aus Gitarren und Keyboards dahinwehen. Schlagzeug­er Francis Macdonald unterlegt das Ganze mit weichen Rhythmen.

Es gibt kein Füllmateri­al und keinen Aussetzer auf dieser Platte. Aber die Höhepunkte sind ganz klar »Home«, »Endless Arcade«, »Everything is Falling Apart« und »I’m more inclined«. Fernab jeglichen Virtuositä­tsgeschwur­bels stellen sich die Musiker komplett in den Dienst des Wohlklangs und der Harmonie. Und immer wieder fängt man sich herrliche Lebensweis­heiten ein. Wie etwa bei »In our Dreams«: »When you are the one and only/ The world goes ’round/ When your life is grey and lonely/ The world goes ’round/ ’Round, ’round and ’round«. Oder in »The Future«: »But it’s hard to walk into the future/ When your shoes are made of lead«.

Lobende Erwähnung verdient auch das wunderschö­ne Cover des Künstlers Huw Evans. Auf rosarotem Hintergrun­d führt eine Treppe direkt in einen Janus-Kopf hinein. Dort hinein, wo die »Endless Arcades« ihr »Home« haben.

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