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Herminafri­ed ÖeÖen Theuderik

Kach dem cußball kommt die deschichte dran: Matthias hlaß erzählt vom »hampf um ThürinÖen« im gahr R3N

- ANDREAS GLÄSER

Hurra, ich kenne mindestens einen schreibend­en Arbeiter! Denn Leute, die auf die strapaziös­e Art arbeiten gehen und nebenher schräge Fußball-Fanzines fabriziere­n, tauschen früher oder später ihre Produkte und besuchen sich gegenseiti­g. Wir verkörpern sozusagen das Gegenteil der herkömmlic­hen Fußball-Fan-Kultur.

Persönlich kennengele­rnt habe ich den Schriftste­ller Matthias Klaß 2002 bei einer Literaturv­eranstaltu­ng auf der Burg in Ranis, Thüringen. Damals arbeitete er noch als Koch in einer Betriebska­ntine. Und amüsierte seine Leser mit dem Fanzine »Kreuzbandr­iss«, in dem es hauptsächl­ich um die Spiele des FC Wartburgst­adt Eisenach ging. Die spielten damals Bezirkslig­a. 2008 resultiert­e daraus in Eigenprodu­ktion das Buch »Knackwursc­htliga. Ein Unterklass­enmärchen«. Das war mal was anderes, beziehungs­weise nichts für den FC-Bayern-Fanshop.

2016 lieferte Matthias mit seinem Büchlein über den FC Rot-Weiß Erfurt für Frank Willmanns »Fußball-Fibel«-Reihe einen literarisc­h überdurchs­chnittlich geschliffe­nen Beitrag ab. Ich besuchte den umtriebige­n Freund einige Male, denn wer kann und will mit seinem Schulkind während der Ferien dauernd mit dem Flieger ins Ausland?

Dann doch lieber mit dem Zug von Berlin nach Eisenach, und dort schön zu Fuß durch die Drachensch­lucht, oder in das Automobilm­useum. Gerne auch auswärts mit dem Bus, um den FC Wartburgst­adt in der RobotronSt­adt Sömmerda zu unterstütz­en. Das taten sich nicht viele Leute an, deshalb wurde das Dutzend unerschütt­erlicher Anhänger in den Mannschaft­sbus verfrachte­t. Nebenei drehte Matthias im fremden Gefilde einen Spielberic­ht und werkelte gedanklich schon am nächsten Heimspielp­rogrammhef­t.

Später begann er damit, außerdem noch Boote zu verleihen, Kanus für die Hörsel. Würde er auch auf die Spree expandiere­n, frage ich ihn. »Ein reizvoller Gedanke. Die Spree fließt aber zu weit an der Wartburg vorbei.« Literarisc­h machte er sich in der Poetry-Slam-Szene einen Namen. Und auch damit, Veranstalt­ungen zu organisier­en. Er agierte sogar mit seinem Bruder Tino als Handpuppen­spieler. »Henner und Frieder« hießen ihre Eisenacher Originale, denen sie Leben einhauchte­n.

Und wenn alle Jahre wieder das älteste Volksfest Deutschlan­ds, »Der Sommergewi­nn«, die Verabschie­dung des Winters in Eisenach, veranstalt­et wird, ist Matthias Klaß genauso engagiert. Während am Tag des traditione­llen Umzugs die meisten Eisenacher gemütlich erwachen, beginnt direkt vor seiner Bleibe, einem ehemaligen Pfarrhaus, eine Blaskapell­e zu spielen. Hier am Ehrensteig, genannt Stiegk, sind die Häuser weitestgeh­end mit Papierblum­en und grausigen Puppen geschmückt. Jedes Jahr locken kleine Preise und große Anerkennun­g. »Ich habe seit 1997 jedes Jahr einen Preis geholt«, sagt Matthias. »Nie schlechter als Platz 4. Darauf bin ich stolz.« Vom »Stiegk« heißt es, hier sei in Deutschlan­d als letztes die Leibeigens­chaft abgeschaff­t worden. Es ist eine frühere Arme-Leute-Gegend. »Noch heute wohnen hier die Wartburg-Esel, nur einige Häuser weiter!«, sagt Matthias.

Als ich dem »Sommergewi­nn« vor Jahren einmal beiwohnte, fragte er mich, ob ich nicht ein Kostüm anziehen wollte, um dem Zug etwas vorauszusc­hlendern. Immer schön vor der ersten Kapelle und Bier trinkend. Das wäre in Ordnung, sagte ich, allerdings nur maskiert, denn das Internet vergisst bekanntlic­h nichts. Es wurde dann ein interessan­ter Tag.

Vor Kurzem veröffentl­ichte Matthias Klaß einen historisch­en Roman, der zwischen 511 und 531 spielt: »Kampf um Thüringen. Der Untergang«. Eine glorreiche Epoche Thüringens geht zu Ende: Das Königreich von Herminafri­ed verliert seine Unabhängig­keit an Theuderik, dem fiesen Franken; auch weil Herminafri­eds ehemaliger Verbündete­r, Wacho, Herzog der Langobarde­n, vorgibt, sein Land gegen die Rugier verteidige­n zu müssen. Es kommt zu diplomatis­chen Verstricku­ngen. Das waren noch Namen im sechsten Jahrhunder­t: Amalafried, Dingold, Theudebert, Rodelinda, Chrothild ... nur selten kommt ein schnöder Hartmut des Weges.

Ziemlich klasse geschriebe­n, das Ganze. Ich frage Matthias, ob dieses Werk für seine bisherige Leserschaf­t nicht zu sprachgewa­ltig daherkommt? »Als so sprachgewa­ltig empfinde ich dieses Buch gar nicht«, antwortet er. »Ich bin ein begeistert­er Freund des Schreibsti­ls von Gustav Freytag, der sich in seinen Romanen einer so blumigen Ausdrucksw­eise bedient, dass es schon an Kunst grenzt. Die hatten früher wohl einfach mehr Zeit.« Und dann berichtet er von der Nichte Herminafri­eds, der heiligen Radegunde, und deren Rolle während der Schlacht an der Unstrut 531. Im grünen Herzen Deutschlan­ds wurde dieses Thema jedenfalls nicht völlig vergessen. Ich stand vor Jahren auf dem Eisenacher Marktplatz und hörte einer Gruppe von Leuten zu, die über Wacho debattiert­en – in der Nähe der immer noch gut markierten Stelle, wo einst der Galgen emporragte.

Träumen denn heutzutage einige Thüringer von einer Rückkehr des Reiches, frage ich Matthias. »Na sicher doch. Die meisten Leute glauben, dass früher alles besser war und übersehen dabei gerne, dass es in Wirklichke­it nur anders kacke war.«

Des Weiteren verriet mir der Tausendsas­sa unter den schreibend­en Arbeitern: »Der nächste Teil handelt von der Besatzung der Franken und dem Aufstand der Thüringer knapp 20 Jahre nach der Niederlage an der Unstrut; der kommt vielleicht noch dieses Jahr.«

Träumen ThürinÖer denn heute von einer oückkehr des oeiches? »Sicher dochK Die meisten Ölauben, dass früher alles besser warK«

Matthias Klaß: Kampf um Thüringen. Der Untergang. THK, 278 S., geb., 19,90 €.

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Vor der WartburÖ und der deschichte ThürinÖens: Der schreibend­e Arbeiter Matthias hlaß K

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