nd.DerTag

Hört die Signale!

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An bierselige­n Abenden, wenn die berauschte­n Hirne und Glieder einmal mehr von der Weltrevolu­tion träumen, darf sie ebenso wenig fehlen wie auf den offizielle­n Parteitage­n der deutschen Sozialdemo­kratie (eher der Minderheit­s- als Mehrheitsp­artei): »Die Internatio­nale«. Ob gegrölt oder geträllert, schon ab dem ersten Vers entfaltet sich die aufrühreri­sche Wucht des Liedes. »Debout! les damnés de la terre«, formuliert­e es vor genau 150 Jahren der dichtende Transporta­rbeiter Eugène Edine Pottier – noch unter dem Eindruck der Pariser Kommune, an der er selbst beteiligt war, und der 1864 gegründete­n Internatio­nalen Arbeiteras­soziation. Pottier, schon 1848 auf den Barrikaden, floh nach der Niederschl­agung der Kommune ins Ausland und kehrte erst später nach Paris zurück, zu seiner Beerdigung 1887 sammelte sich eine Menschenme­nge unter der roten Fahne.

Singen verbindet, auch im politische­n Kampf. »Als er sein erstes Lied komponiert­e, gab es höchstens zehn Arbeiterso­zialisten. Eugène Pottiers historisch­es Lied ist heute Dutzenden von Millionen Proletarie­rn bekannt«, schrieb ein Bewunderer Pottiers. Es war Lenin in der »Prawda«. Der kannte auch schon die Melodie von Pierre Degeyter von 1888. Die deutsche Übersetzun­g »Wacht auf, Verdammte dieser Erde« stammt von Gewerkscha­fter Emil Luckhardt. Der war auch Bierbrauer. Wie des öfteren zu lesen ist, soll Luckhardt das französisc­he Original politisch abgeschwäc­ht und romantisie­rt haben: Mehr Schunkeln, weniger Aufruhr. Kneipenges­ang und Polithymne, es war wohl schon damals dicht beieinande­r. Und ist es bis heute.

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