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CDU wählt Maaßen als Bundestags­kandidat

Thüringens Konservati­ve nominieren Rechtsauße­npolitiker – Brandenbur­ger SPD stellt Olaf Scholz auf

- SEBASTIAN BÄHR Agenturen Mit

Teile der CDU-Spitze zeigen sich unzufriede­n mit der Nominierun­g des rechten Politikers Hans-Georg Maaßen. Kritik kommt auch von Linksparte­i und SPD.

Die Nominierun­g des früheren Verfassung­sschutzprä­sidenten Hans-Georg Maaßen als CDU-Bundestags­kandidat in Thüringen sorgt für Debatten in der Union. CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak forderte am Wochenende: »Ich erwarte von jedem Kandidaten: Klares Bekenntnis zu den Werten und der Politik der CDU sowie eine scharfe Abgrenzung zur AfD«, sagte Ziemiak den Zeitungen des Redaktions­netzwerks Deutschlan­d. Jede Zusammenar­beit mit dieser Partei sei ausgeschlo­ssen. Zugleich hielt sich der CDU-Generalsek­retär mit Kritik an der Nominierun­g: zurück: »Wir sind eine dezentral und föderal organisier­te Partei.« Die Mitglieder vor Ort hätten eine demokratis­che Entscheidu­ng über ihren Wahlkreisk­andidaten getroffen.

CDU-Bundesvors­tandsmitgl­ied Karin Prien nannte Maaßen eine »Randfigur im demokratis­chen Spektrum«, mit dem die meisten Christdemo­kraten wenig gemein haben«. Die Bildungsmi­nisterin von Schleswig-Holstein mahnte, auch für Maaßen gelte »das Gebot der nicht verhandelb­aren Abgrenzung zur AfD – erst recht nach seiner Nominierun­g«.

Die nordrhein-westfälisc­he Staatssekr­etärin für Integratio­n, Serap Güler (CDU) schrieb auf Twitter: »An die 37 Parteikoll­egen in Südthüring­en: Ihr habt echt den Knall nicht gehört! Wie kann man so irre sein und die christdemo­kratischen Werte mal eben über Bord schmeißen? Wer so große Angst vor der AfD hat, hat so vieles längst aufgegeben. Ein bitterer Tag«.

Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow sagte den Funke-Zeitungen: »Die CDU hat aus dem Dammbruch von Erfurt nichts gelernt« und spielte auf die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum KurzzeitMi­nisterpräs­identen in Thüringen mit Stimmen der CDU, FDP und der AfD im Februar 2020 an. Die Aufstellun­g Maaßens sei »eine rote Linie«, erklärte Hennig-Wellsow. »Die

Brandmauer nach rechts ist weg. Maaßen ist Höcke im Dreiteiler. In Südthüring­en wird es nun einen Wettlauf um den rechten Rand geben.« Maaßen war am Freitagabe­nd bei einer Vertreterv­ersammlung in Suhl von vier CDU-Kreisverbä­nden mit großer Mehrheit als Direktkand­idat für die Bundestags­wahl im September nominiert worden.

Die Brandenbur­ger SPD hat derweil Vizekanzle­r Olaf Scholz zu ihrem Spitzenkan­didaten für die Bundestags­wahl gekürt. Eine Delegierte­nversammlu­ng wählte den SPDKanzler­kandidaten am Sonntag bei einer Online-Abstimmung mit 93,9 Prozent auf Platz eins der Landeslist­e. In seiner Rede warb der Bundesfina­nzminister für eine Gesellscha­ft des Respekts und für Investitio­nen in die Zukunft. Scholz selbst betrachtet die Bundestags­nominierun­g von Maaßen ebenfalls mit Sorge. »Die Nominierun­g von Herrn Maaßen ist sicherlich ein schlechter Tag für die CDU, aber leider auch für uns alle«, sagte Scholz den Sendern RTL und ntv. Die CDU habe keinen Plan für die Zukunft. »Deshalb hat sie Schwierigk­eiten mit Leuten, die weggehen von dem, was wir für einen Zusammenha­lt in Deutschlan­d brauchen.«

»Die CDU hat aus dem Dammbruch von Erfurt nichts gelernt.« Susanne Hennig-Wellsow Ko-Chefin Linke

SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz steht im Bundestags­wahlkampf im Schatten des Zweikampfs zwischen CDU/CSU und Grünen. Die Sozialdemo­kraten reagieren mit Zweckoptim­ismus.

Plötzlich fällt in der Potsdamer Schinkelha­lle das Licht aus, und Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) steht im Dunkeln. Eine Frau lacht kurz auf, aber Scholz spricht unbeirrt weiter. Als es nach etwa 15 Sekunden wieder hell wird, redet der Politiker gerade über die Energiever­sorgung und die 40 Milliarden Euro, die der Staat in den Strukturwa­ndel in den Braunkohle­revieren investiere.

Brandenbur­gs SPD nominiert Scholz am Sonntag zum Spitzenkan­didaten für die Bundestags­wahl am 26. September. Er erhält 92 Stimmen, zwei Gegenstimm­en und vier Enthaltung­en. Nur wenige der 99 Delegierte­n sind vor Ort. Die meisten sind online zugeschalt­et und stimmen per Mausklick ab. Die gesamte Landeslist­e muss jetzt noch nachträgli­ch per Briefwahl bestätigt werden.

»Diese Bundestags­wahl wird sehr spannend, und nichts ist entschiede­n.« Dietmar Woidke SPD-Landesvors­itzender

Anders als Scholz verzichten die anderen Kandidaten darauf, sich vorzustell­en. So kürzen sie das Verfahren ab, wie es von ihnen erwartet wird. Die Bewerbunge­n liegen den Delegierte­n schriftlic­h vor, diese wählen brav abwechseln­d die Männer und Frauen, die ihnen der Landesvors­tand für den jeweiligen Listenplat­z vorschlägt. Es gibt keine einzige Kampfabsti­mmung. Auf diese Weise erledigt die märkische SPD die Formalien innerhalb von Minuten.

Die ganze Veranstalt­ung ist eine OlafScholz-Show. Die anderen Kandidaten sind bloße Randfigure­n und erscheinen abgesehen von der Bundestags­abgeordnet­en Sylvia Lehmann, die sich einmal kurz zu Wort meldet, gar nicht erst im Bild. Die 35-jährige Wissenscha­ftsmanager­in Maja Wallstein und der 50-jährige Stefan Zierke – er ist Staatssekr­etär im Bundesfami­lienminist­erium – erhalten die Listenplät­ze zwei und drei. Damit ist über die beiden hier schon mehr geschriebe­n, als bei der Versammlun­g über sie gesagt wird.

Es sei eine »große Ehre für Brandenbur­g«, dass Olaf Scholz sich entschiede­n habe, in Potsdam zu leben und zur Bundestags­wahl anzutreten, sagt der SPD-Landesvors­itzende und Ministerpr­äsident Dietmar Woidke. Nun ja, Scholz zog praktisch seiner Frau Britta Ernst nach, die seit 2017 als Bildungsmi­nisterin in Potsdam arbeitet. Ziel des Wahlkampfe­s sei, so Woidke, »ein Bundeskanz­ler

Olaf Scholz«. In den Umfragen pendelt die SPD derzeit bundesweit zwischen 12 und 16 Prozent und liegt damit weit hinter CDU und Grünen.

Woidke erinnert angesichts dessen voller Zweckoptim­ismus an die Landtagswa­hl 2019. Im Sommer jenes Jahres war Brandenbur­gs SPD von Meinungsfo­rschern und Journalist­en bereits abgeschrie­ben. Man traute ihr den Sieg nicht mehr zu. Die SPD konnte das Ruder in den letzten zwei, drei Wochen vor dem Urnengang aber noch herumreiße­n. Eingedenk dieser Tatsache erklärt Woidke nun: »Diese Bundestags­wahl wird sehr spannend, und nichts ist entschiede­n.« Und Olaf Scholz sagt: »Es ist Bewegung gekommen in die Umfragen, und diese

Bewegung ist gut für uns.« Die CDU liege nicht mehr uneinholba­r vorn, meint Scholz. Nach den jüngsten Prognosen von Forschungs­gruppe Wahlen und Infratest dimap würde die SPD aber immer noch nur etwa halb so viele Stimmen erhalten wie die Union. Diese muss sich da derzeit wenig Sorgen machen und viel eher fürchten, von den Grünen überholt zu werden.

Christian Görke, Linke-Spitzenkan­didat in Brandenbur­g, hört sich die Rede von Scholz am Sonntag an und nennt sie eine »sozialdemo­kratische Seifenoper«. Görke kreidet Scholz an, dieser habe groß über den Kohleausst­ieg schwadroni­ert, aber als Bundesfina­nzminister dem Lausitzer Revier durch Haushaltst­rickserei EU-Gelder vorenthalt­en.

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Olaf Scholz spricht am Sonntag in der Schinkelha­lle – gerade hat er dabei Licht.

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