CDU wählt Maaßen als Bundestagskandidat
Thüringens Konservative nominieren Rechtsaußenpolitiker – Brandenburger SPD stellt Olaf Scholz auf
Teile der CDU-Spitze zeigen sich unzufrieden mit der Nominierung des rechten Politikers Hans-Georg Maaßen. Kritik kommt auch von Linkspartei und SPD.
Die Nominierung des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen als CDU-Bundestagskandidat in Thüringen sorgt für Debatten in der Union. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak forderte am Wochenende: »Ich erwarte von jedem Kandidaten: Klares Bekenntnis zu den Werten und der Politik der CDU sowie eine scharfe Abgrenzung zur AfD«, sagte Ziemiak den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Jede Zusammenarbeit mit dieser Partei sei ausgeschlossen. Zugleich hielt sich der CDU-Generalsekretär mit Kritik an der Nominierung: zurück: »Wir sind eine dezentral und föderal organisierte Partei.« Die Mitglieder vor Ort hätten eine demokratische Entscheidung über ihren Wahlkreiskandidaten getroffen.
CDU-Bundesvorstandsmitglied Karin Prien nannte Maaßen eine »Randfigur im demokratischen Spektrum«, mit dem die meisten Christdemokraten wenig gemein haben«. Die Bildungsministerin von Schleswig-Holstein mahnte, auch für Maaßen gelte »das Gebot der nicht verhandelbaren Abgrenzung zur AfD – erst recht nach seiner Nominierung«.
Die nordrhein-westfälische Staatssekretärin für Integration, Serap Güler (CDU) schrieb auf Twitter: »An die 37 Parteikollegen in Südthüringen: Ihr habt echt den Knall nicht gehört! Wie kann man so irre sein und die christdemokratischen Werte mal eben über Bord schmeißen? Wer so große Angst vor der AfD hat, hat so vieles längst aufgegeben. Ein bitterer Tag«.
Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow sagte den Funke-Zeitungen: »Die CDU hat aus dem Dammbruch von Erfurt nichts gelernt« und spielte auf die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum KurzzeitMinisterpräsidenten in Thüringen mit Stimmen der CDU, FDP und der AfD im Februar 2020 an. Die Aufstellung Maaßens sei »eine rote Linie«, erklärte Hennig-Wellsow. »Die
Brandmauer nach rechts ist weg. Maaßen ist Höcke im Dreiteiler. In Südthüringen wird es nun einen Wettlauf um den rechten Rand geben.« Maaßen war am Freitagabend bei einer Vertreterversammlung in Suhl von vier CDU-Kreisverbänden mit großer Mehrheit als Direktkandidat für die Bundestagswahl im September nominiert worden.
Die Brandenburger SPD hat derweil Vizekanzler Olaf Scholz zu ihrem Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gekürt. Eine Delegiertenversammlung wählte den SPDKanzlerkandidaten am Sonntag bei einer Online-Abstimmung mit 93,9 Prozent auf Platz eins der Landesliste. In seiner Rede warb der Bundesfinanzminister für eine Gesellschaft des Respekts und für Investitionen in die Zukunft. Scholz selbst betrachtet die Bundestagsnominierung von Maaßen ebenfalls mit Sorge. »Die Nominierung von Herrn Maaßen ist sicherlich ein schlechter Tag für die CDU, aber leider auch für uns alle«, sagte Scholz den Sendern RTL und ntv. Die CDU habe keinen Plan für die Zukunft. »Deshalb hat sie Schwierigkeiten mit Leuten, die weggehen von dem, was wir für einen Zusammenhalt in Deutschland brauchen.«
»Die CDU hat aus dem Dammbruch von Erfurt nichts gelernt.« Susanne Hennig-Wellsow Ko-Chefin Linke
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz steht im Bundestagswahlkampf im Schatten des Zweikampfs zwischen CDU/CSU und Grünen. Die Sozialdemokraten reagieren mit Zweckoptimismus.
Plötzlich fällt in der Potsdamer Schinkelhalle das Licht aus, und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) steht im Dunkeln. Eine Frau lacht kurz auf, aber Scholz spricht unbeirrt weiter. Als es nach etwa 15 Sekunden wieder hell wird, redet der Politiker gerade über die Energieversorgung und die 40 Milliarden Euro, die der Staat in den Strukturwandel in den Braunkohlerevieren investiere.
Brandenburgs SPD nominiert Scholz am Sonntag zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl am 26. September. Er erhält 92 Stimmen, zwei Gegenstimmen und vier Enthaltungen. Nur wenige der 99 Delegierten sind vor Ort. Die meisten sind online zugeschaltet und stimmen per Mausklick ab. Die gesamte Landesliste muss jetzt noch nachträglich per Briefwahl bestätigt werden.
»Diese Bundestagswahl wird sehr spannend, und nichts ist entschieden.« Dietmar Woidke SPD-Landesvorsitzender
Anders als Scholz verzichten die anderen Kandidaten darauf, sich vorzustellen. So kürzen sie das Verfahren ab, wie es von ihnen erwartet wird. Die Bewerbungen liegen den Delegierten schriftlich vor, diese wählen brav abwechselnd die Männer und Frauen, die ihnen der Landesvorstand für den jeweiligen Listenplatz vorschlägt. Es gibt keine einzige Kampfabstimmung. Auf diese Weise erledigt die märkische SPD die Formalien innerhalb von Minuten.
Die ganze Veranstaltung ist eine OlafScholz-Show. Die anderen Kandidaten sind bloße Randfiguren und erscheinen abgesehen von der Bundestagsabgeordneten Sylvia Lehmann, die sich einmal kurz zu Wort meldet, gar nicht erst im Bild. Die 35-jährige Wissenschaftsmanagerin Maja Wallstein und der 50-jährige Stefan Zierke – er ist Staatssekretär im Bundesfamilienministerium – erhalten die Listenplätze zwei und drei. Damit ist über die beiden hier schon mehr geschrieben, als bei der Versammlung über sie gesagt wird.
Es sei eine »große Ehre für Brandenburg«, dass Olaf Scholz sich entschieden habe, in Potsdam zu leben und zur Bundestagswahl anzutreten, sagt der SPD-Landesvorsitzende und Ministerpräsident Dietmar Woidke. Nun ja, Scholz zog praktisch seiner Frau Britta Ernst nach, die seit 2017 als Bildungsministerin in Potsdam arbeitet. Ziel des Wahlkampfes sei, so Woidke, »ein Bundeskanzler
Olaf Scholz«. In den Umfragen pendelt die SPD derzeit bundesweit zwischen 12 und 16 Prozent und liegt damit weit hinter CDU und Grünen.
Woidke erinnert angesichts dessen voller Zweckoptimismus an die Landtagswahl 2019. Im Sommer jenes Jahres war Brandenburgs SPD von Meinungsforschern und Journalisten bereits abgeschrieben. Man traute ihr den Sieg nicht mehr zu. Die SPD konnte das Ruder in den letzten zwei, drei Wochen vor dem Urnengang aber noch herumreißen. Eingedenk dieser Tatsache erklärt Woidke nun: »Diese Bundestagswahl wird sehr spannend, und nichts ist entschieden.« Und Olaf Scholz sagt: »Es ist Bewegung gekommen in die Umfragen, und diese
Bewegung ist gut für uns.« Die CDU liege nicht mehr uneinholbar vorn, meint Scholz. Nach den jüngsten Prognosen von Forschungsgruppe Wahlen und Infratest dimap würde die SPD aber immer noch nur etwa halb so viele Stimmen erhalten wie die Union. Diese muss sich da derzeit wenig Sorgen machen und viel eher fürchten, von den Grünen überholt zu werden.
Christian Görke, Linke-Spitzenkandidat in Brandenburg, hört sich die Rede von Scholz am Sonntag an und nennt sie eine »sozialdemokratische Seifenoper«. Görke kreidet Scholz an, dieser habe groß über den Kohleausstieg schwadroniert, aber als Bundesfinanzminister dem Lausitzer Revier durch Haushaltstrickserei EU-Gelder vorenthalten.