Kampftag im Autokino
Der DGB hat ungewöhnliche Formate entwickelt, um den 1. Mai zu begehen. Zentrale Forderung war in diesem Jahr der Arbeitsschutz in Coronazeiten
Die Folgen der Corona-Pandemie dürfen nicht zu Lasten der Arbeitnehmer gehen: Das war die zentrale Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbunds zum 1. Mai. Zehntausende waren auf der Straße.
Vor einem Jahr, als die Corona-Pandemie für die Menschen in Deutschland etwas Neues war, setzten der DGB und seine Einzelgewerkschaften auf rein digitale Kundgebungen zum 1. Mai. Das hat sich in diesem Jahr geändert. Pandemie-konforme Proteste sind erprobt, und so gingen auch die Gewerkschaften am Kampftag der Arbeiter*innen wieder auf die Straßen und Plätze des Landes. Zehntausende Menschen waren in diesem Jahr in ganz Deutschland dabei.
Dabei probierten sie auch neue, ungewohnte Formate aus. Etwa in Düsseldorf, wo die zentrale Kundgebung für NordrheinWestfalen in einem Autokinoformat stattgefunden hat. Mit 200 angemeldeten Autos war die Veranstaltung zwar weit entfernt von Kundgebungen, wie sie vor der Pandemie stattfinden konnten, aber immerhin trafen sich die Menschen nicht digital. Darüber freute sich auch die Vorsitzende des DGBNRW, Anja Weber.
Die Aktionen des Gewerkschaftsbundes standen in diesem Jahr unter dem Motto: »Solidarität ist Zukunft«. Um das zu erklären, blickte Weber auf das Coronajahr zurück. Sie kritisierte den »Zick-Zack-Kurs« der Politik und eine fehlende Strategie für Wege aus der Pandemie. Verstöße gegen die Coronaregeln blieben für Unternehmen »weitgehend folgenlos«. Dabei sei guter Arbeitsschutz wichtig, auch, weil er in den privaten Bereich hineinwirke, so die Gewerkschafterin. Dass es Unternehmen gibt, die ihren Manager*innen Boni und ihren Aktionär*innen Dividenden ausgezahlt und gleichzeitig Staatshilfen kassiert haben, hält
Weber für eine »Schweinerei«, die auch negative Auswirkungen auf den demokratischen Zusammenhalt habe.
Anja Weber wusste aber auch von Erfolgen der Gewerkschaften zu berichten: »Die Verlängerung und Erhöhung des Kurzarbeitergeldes ist für viele Menschen ein Segen. Ohne uns Gewerkschaften gäbe es das nicht.« Es gelte dafür zu sorgen, dass Kurzarbeit nicht in Hartz IV ende und dass auch Kulturschaffende und Beschäftigte in der Gastronomie davon profitierten. Webers Auffassung nach hätten die Gewerkschaften unter »schwierigen Bedingungen« gute Tarifverträge erzielt.
Zu den Kundgebungen am 1. Mai gehören traditionell die Auftritte von Spitzenpolitiker*innen. In Düsseldorf war der Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet zu Gast. Stilsicher trug er eine rote Schutzmaske und gab den Gewerkschaftsfreund. Die Tarifbindung in der Pflege sei »eine ganz wichtige Frage«, für die man »jetzt und in der nächsten Bundesregierung arbeiten« müsse, so Laschet. Der CDU-Vorsitzende erkannte auch an, dass die Relevanz von Tarifverträgen gestiegen sei. Trotzdem verteidigte der CDU-Kanzlerkandidat, dass seine Landesregierung das Tariftreue- und Vergabegesetz, in dem umfassende Standards für die Vergabe öffentlicher Aufträge geregelt wurden, quasi abgeschafft hat. Das alte Gesetz sei zu bürokratisch gewesen. Anja Weber vertritt diesbezüglich eine andere Position.
Spitzenpolitiker*innen verschiedener Parteien waren auch bei anderen Kundgebungen des Deutschen Gewerkschaftsbunds zu Gast. In Potsdam etwa sprachen die Kanzlerkandidat*innen von SPD und Grünen. Der Sozialdemokrat Olaf Scholz betonte dabei, wie wichtig die »Würde und Anerkennung« von Arbeitnehmer*innen sei. Dies sei eine Lehre aus der Pandemie. Dafür wäre es wichtig, dass Tarifverträge durchgesetzt und sachgrundlose Befristungen beendet würden. Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock sprach besonders über die Situation in der Pflege, Klatschen und Danke sagen sei nicht ausreichend. Es brauche echte Verbesserungen, verlangte die Kanzlerkandidatin.
Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler, die Vorsitzenden der Linkspartei, forderten unterdessen, die »Helden der Krise« müssten endlich mehr verdienen. Vom Bundesgeschäftsführer der Partei, Jörg Schindler, gab es außerdem die Erinnerung an einen ganz praktischen Verbesserungsvorschlag der Linken. Wenn Feiertage, wie in diesem Jahr der 1. Mai und die beiden Weihnachtsfeiertage, auf ein Wochenende fallen, dann sollten diese arbeitsfreien Tage an anderen Tagen nachgeholt werden. In mehr als 80 Ländern gibt es solche Kompensationsregelungen bereits.