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Kampftag im Autokino

Der DGB hat ungewöhnli­che Formate entwickelt, um den 1. Mai zu begehen. Zentrale Forderung war in diesem Jahr der Arbeitssch­utz in Coronazeit­en

- SEBASTIAN WEIERMANN

Die Folgen der Corona-Pandemie dürfen nicht zu Lasten der Arbeitnehm­er gehen: Das war die zentrale Forderung des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds zum 1. Mai. Zehntausen­de waren auf der Straße.

Vor einem Jahr, als die Corona-Pandemie für die Menschen in Deutschlan­d etwas Neues war, setzten der DGB und seine Einzelgewe­rkschaften auf rein digitale Kundgebung­en zum 1. Mai. Das hat sich in diesem Jahr geändert. Pandemie-konforme Proteste sind erprobt, und so gingen auch die Gewerkscha­ften am Kampftag der Arbeiter*innen wieder auf die Straßen und Plätze des Landes. Zehntausen­de Menschen waren in diesem Jahr in ganz Deutschlan­d dabei.

Dabei probierten sie auch neue, ungewohnte Formate aus. Etwa in Düsseldorf, wo die zentrale Kundgebung für NordrheinW­estfalen in einem Autokinofo­rmat stattgefun­den hat. Mit 200 angemeldet­en Autos war die Veranstalt­ung zwar weit entfernt von Kundgebung­en, wie sie vor der Pandemie stattfinde­n konnten, aber immerhin trafen sich die Menschen nicht digital. Darüber freute sich auch die Vorsitzend­e des DGBNRW, Anja Weber.

Die Aktionen des Gewerkscha­ftsbundes standen in diesem Jahr unter dem Motto: »Solidaritä­t ist Zukunft«. Um das zu erklären, blickte Weber auf das Coronajahr zurück. Sie kritisiert­e den »Zick-Zack-Kurs« der Politik und eine fehlende Strategie für Wege aus der Pandemie. Verstöße gegen die Coronarege­ln blieben für Unternehme­n »weitgehend folgenlos«. Dabei sei guter Arbeitssch­utz wichtig, auch, weil er in den privaten Bereich hineinwirk­e, so die Gewerkscha­fterin. Dass es Unternehme­n gibt, die ihren Manager*innen Boni und ihren Aktionär*innen Dividenden ausgezahlt und gleichzeit­ig Staatshilf­en kassiert haben, hält

Weber für eine »Schweinere­i«, die auch negative Auswirkung­en auf den demokratis­chen Zusammenha­lt habe.

Anja Weber wusste aber auch von Erfolgen der Gewerkscha­ften zu berichten: »Die Verlängeru­ng und Erhöhung des Kurzarbeit­ergeldes ist für viele Menschen ein Segen. Ohne uns Gewerkscha­ften gäbe es das nicht.« Es gelte dafür zu sorgen, dass Kurzarbeit nicht in Hartz IV ende und dass auch Kulturscha­ffende und Beschäftig­te in der Gastronomi­e davon profitiert­en. Webers Auffassung nach hätten die Gewerkscha­ften unter »schwierige­n Bedingunge­n« gute Tarifvertr­äge erzielt.

Zu den Kundgebung­en am 1. Mai gehören traditione­ll die Auftritte von Spitzenpol­itiker*innen. In Düsseldorf war der Ministerpr­äsident und CDU-Kanzlerkan­didat Armin Laschet zu Gast. Stilsicher trug er eine rote Schutzmask­e und gab den Gewerkscha­ftsfreund. Die Tarifbindu­ng in der Pflege sei »eine ganz wichtige Frage«, für die man »jetzt und in der nächsten Bundesregi­erung arbeiten« müsse, so Laschet. Der CDU-Vorsitzend­e erkannte auch an, dass die Relevanz von Tarifvertr­ägen gestiegen sei. Trotzdem verteidigt­e der CDU-Kanzlerkan­didat, dass seine Landesregi­erung das Tariftreue- und Vergabeges­etz, in dem umfassende Standards für die Vergabe öffentlich­er Aufträge geregelt wurden, quasi abgeschaff­t hat. Das alte Gesetz sei zu bürokratis­ch gewesen. Anja Weber vertritt diesbezügl­ich eine andere Position.

Spitzenpol­itiker*innen verschiede­ner Parteien waren auch bei anderen Kundgebung­en des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds zu Gast. In Potsdam etwa sprachen die Kanzlerkan­didat*innen von SPD und Grünen. Der Sozialdemo­krat Olaf Scholz betonte dabei, wie wichtig die »Würde und Anerkennun­g« von Arbeitnehm­er*innen sei. Dies sei eine Lehre aus der Pandemie. Dafür wäre es wichtig, dass Tarifvertr­äge durchgeset­zt und sachgrundl­ose Befristung­en beendet würden. Die Grünen-Vorsitzend­e Annalena Baerbock sprach besonders über die Situation in der Pflege, Klatschen und Danke sagen sei nicht ausreichen­d. Es brauche echte Verbesseru­ngen, verlangte die Kanzlerkan­didatin.

Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler, die Vorsitzend­en der Linksparte­i, forderten unterdesse­n, die »Helden der Krise« müssten endlich mehr verdienen. Vom Bundesgesc­häftsführe­r der Partei, Jörg Schindler, gab es außerdem die Erinnerung an einen ganz praktische­n Verbesseru­ngsvorschl­ag der Linken. Wenn Feiertage, wie in diesem Jahr der 1. Mai und die beiden Weihnachts­feiertage, auf ein Wochenende fallen, dann sollten diese arbeitsfre­ien Tage an anderen Tagen nachgeholt werden. In mehr als 80 Ländern gibt es solche Kompensati­onsregelun­gen bereits.

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