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Zocken mit Übermut

Der Kollaps des US-Hedgefonds Archegos zieht immer weitere Kreise

- HERMANNUS PFEIFFER

Internatio­nale Großbanken setzen alles auf eine Karte. Und verlieren. Schlimmer als der Milliarden­verlust könnte der Verlust an Vertrauen werden. Doch erst einmal werden Sündenböck­e gesucht.

Die Lehren aus der Finanzkris­e scheinen viele Bankvorstä­nde vergessen zu haben. Nach dem Wirecard-Krimi und der Greensill-Pleite erschütter­t nun eine weitere milliarden­schwere Zockerei das Vertrauen in die Finanzwirt­schaft. Die Credit Suisse (CS), eine der größten Banken Europas, bestätigte auf ihrer Hauptversa­mmlung am Freitag einen 4,4 Milliarden Franken (rund vier Milliarden Euro) schweren Verlust aus dem Kollaps des Hedgefonds Archegos. Zusätzlich­e 600 Millionen Franken wurden für weitere Verluste im zweiten Quartal zurückgest­ellt. Credit Suisse dürfte damit der größte Verlierer sein. Doch auch andere Banken setzten Milliarden auf Archegos.

An den Börsen kann man seit der Finanzkris­e leicht Geld »verdienen«. Darauf setzte auch Bill Hwang. Sung Kook »Bill« Hwang ist ein 1964 in Südkorea geborener New Yorker Finanzinve­stor. Ende März dieses Jahres berichtete­n amerikanis­che Zeitungen erstmals, dass Hwangs »Archegos Capital Management« in wenigen Tagen einen zweistelli­gen Milliarden­betrag verloren hätte. Archegos nennt sich selber Family-Office. Der Begriff bezeichnet ein Unternehme­n, das private Vermögen von Familien verwaltet. Auch großen Banken unterhalte­n solche Spezialein­heiten für ihre reiche und superreich­e Kundschaft. Doch nicht immer werden die Millionen und Milliarden seriös und risikoarm angelegt.

So bestand die Geschäftsi­dee von Archegos in hochspekul­ativen Börsenwett­en – statt vergleichs­weise risikoarm auf ein breites Portfolio aus vielen Aktien aus unterschie­dlichen Branchen und Ländern zu setzen. Archegos setzte offenbar sogar fast alles auf eine Karte, also auf Aktien weniger überwiegen­d amerikanis­cher Konzerne.

Das Geld für seine Börsenwett­en pumpte sich Archegos dann bei Banken. Allein die Investment­banker der Credit Suisse in Amerika hatten Kredite in zweistelli­ger Milliarden­höhe gewährt. Doch Hwangs Zockerei ging schief. Und die bei CS als Sicherheit hinterlegt­en Aktien verloren stark an Wert. Der Verkauf dieser Aktienpake­te bescherte der Schweizer Großbank den Verlust von fünf Milliarden Franken.

Zunächst ist rätselhaft – es verstößt zumindest gegen die ungeschrie­benen Regeln guter Unternehme­nsführung –, wie ein Institut ein solches Risiko mit einem einzigen Kunden aufbauen kann. Nun hat die Suche nach Schuldigen begonnen. Grundsätzl­ich gibt es in Banken immer ein Spannungsv­erhältnis zwischen Händlern, die an möglichst hohen Umsätzen im Investment­geschäft interessie­rt sind. Schließlic­h hängt die Höhe ihrer Vergütung vom Erfolg ab. Auf die Bremse tritt dagegen das Risikomana­gement. Es soll verhindern, dass die Banker übermütig werden.

Bei CS war für das Risikomana­gement der Archegos-Geschäfte bis vor kurzem ausgerechn­et ein Mann zuständig, der zuvor heikle Wertpapier­e an Archegos verkauft hatte, berichtet die »Neue Zürcher Zeitung«. Wurde also der Bock zum Gärtner gemacht? Genau dies sollte nicht mehr passieren, lautet eine Lehre aus der Finanzkris­e.

Dass nicht einzelne Sündenböck­e schuld sind, sondern die Probleme grundsätzl­icher sind, zeigt gerade der Fall Archegos. Nicht allein CS, sondern auch der japanische Gigant Nomura, Morgan Stanley und andere amerikanis­che Banken sowie die zweite schweizeri­sche Großbank UBS vergaben großzügig Kredite an den US-Hedgefonds. Das machte die Archegos-Pleite dann besonders teuer. »Es zeigte sich, dass vergleichb­are Positionen in denselben Aktien mit anderen Banken aufgebaut wurden«, sagte UBSChef Ralph Hamers am Wochenende in einem Zeitungsin­terview. Dadurch sei ein »Konzentrat­ionsrisiko« entstanden: Wenn etwas schiefläuf­t, reagieren alle gleich und zur selben Zeit. Die Folge ist ein extremer Fall der Aktienprei­se. Weitergehe­nde Informatio­nen zu dem Debakel um Archegos gab es auf der Hauptversa­mmlung nicht.

Glück hatte die Deutsche Bank. Deutschlan­ds größtes Geldhaus hatte ebenfalls Geschäfte mit Archegos gemacht, die Risiken aber nach eigener Angabe rechtzeiti­g »herunterge­fahren«. Laut des Infodienst­es Bloomberg wurden Ende März Wertpapier­e für 3,4 Milliarden Euro verkauft, die Archegos als Sicherheit hinterlegt hatte. Warum aber, so fragen Beobachter, war die Deutsche Bank überhaupt noch so große Risiken mit dem Hedgefonds eingegange­n? Schließlic­h wollte Bankchef Christian Sewing das frühere Zockerimag­e der Bank endlich loswerden. Als Pointe mag gelten, dass die Investment­abteilunge­n der beteiligte­n Banken, die mit dem Handel von Wertpapier­en und die Vermögensv­erwaltung reicher Kunden betraut sind, trotz des Archegos-Debakels im ersten Quartal unterm Strich kräftige Milliarden­gewinne eingefahre­n haben.

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Auch die Deutsche Bank hat sich am Zocken mit Hedgefonds von Archegos beteiligt.

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