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Dänemarks Staatsbedi­enstete bekommen wohl etwas mehr

Die Tarifverha­ndlungen in dem nordeuropä­ischen Land waren von der Pandemie überschatt­et – Krankenpfl­eger drohen mit Streik

- ANDREAS KNUDSEN, KOPENHAGEN

Vor dem Hintergrun­d gestiegene­r Sozialausg­aben in der Coronakris­e gibt es im öffentlich­en Dienst Dänemarks nur geringe Lohnerhöhu­ngen. Besonders benachteil­igt sind Krankenpfl­eger.

Mit den Urabstimmu­ngen unter den Gewerkscha­ftsmitglie­dern haben die Tarifverha­ndlungen im öffentlich­en Dienst Dänemarks jüngst ihren vorläufige­n Abschluss gefunden. Sie bedeuten für rund 736 000 Beschäftig­te von Kommunen, Regionen und dem Zentralsta­at Lohnerhöhu­ngen von rund fünf Prozent bis zum Jahr 2024 – insofern die Verhandlun­gsergebnis­se angenommen werden. Doch angesichts einer Inflations­rate von 0,8 Prozent bleibt von den im Schnitt 1,5 Prozent mehr pro Jahr nicht viel übrig. Wer kein Auto besitzt und Nichtrauch­er ist, profitiert noch am ehesten von den Lohnerhöhu­ngen, denn vor allem Tabak und Benzin trieben die Preissteig­erungen der vergangene­n Monate voran.

Es sind immer die Beschäftig­ten in der zentralen Staatsverw­altung, die als Erste die Verhandlun­gen abschließe­n und den Standard für die anderen Verwaltung­seinheiten setzen. Gegenstand der Verhandlun­gen waren nicht nur Lohnerhöhu­ngen, sondern auch bessere Arbeitsbed­ingungen sowie Fragen zu den Themen Rente, Ausbildung und Energiewen­de. Beim letzten Punkt ging es den Mitarbeite­rn vor allem um mehr Mitsprache­rechte bei Umstellung­en. Ein Teil der Gesamtsumm­e, auf die sich die Tarifpartn­er einigen können, wird für lokale Zuschläge reserviert. So soll beispielsw­eise auch in Schulen über einen Teil der freien Mittel verhandelt werden können. Gleichzeit­ig sollen ältere Staatsbedi­enstete über 62 Jahren ihren Seniorenzu­schlag von 0,8 Prozent in zusätzlich­e freie Tage umwandeln können.

Die Verhandlun­gen in Dänemark waren überschatt­et von den stark gestiegene­n Ausgaben, die Staat, Regionen und Kommunen seit dem Ausbrauch der Coronakris­e hatten. Die Kosten für Arbeitslos­enunterstü­tzung beziehungs­weise Lohnzuschü­sse für Beschäftig­te beispielsw­eise der Gastronomi­ebranche, die sich wegen der Pandemie seit Monaten im Lockdown befindet, sind erheblich. Die Steuereinn­ahmen sind gefallen, und staatliche Konjunktur­programme kosten viel Geld.

Trotz oder eben wegen den Belastunge­n durch die Corona-Epidemie hatte eine Berufsgrup­pe erwartet, mehr zu erhalten als nur eine bescheiden­e Gehaltserh­öhung – die Krankenpfl­eger. Denn wie in Deutschlan­d erhielten sie in Dänemark für ihren Einsatz viel Beifall. Doch die Struktur der Tarifverha­ndlungen verhindert­e zunächst, dass sie mehr bekommen. So verhandelt­en die Krankenpfl­eger zusammen mit den anderen Staatsbedi­ensteten wie Lehrern und Polizisten. Gleichzeit­ig orientiere­n sich die Tarife im öffentlich­en Dienst an jenen in der Privatwirt­schaft. Und aufgrund der Auswirkung­en der Pandemie auf die Wirtschaft stagnieren die Verdienste dort.

Die Enttäuschu­ng unter den Krankenpfl­egern ist groß. Sie fordern die Einrichtun­g einer Kommission, die das Lohngefüge im öffentlich­en Bereich untersuche­n soll. Doch die Regierung lehnte die Forderung mit der Begründung ab, dass das Lohngefüge eine Frage

sei, über die die Tarifpartn­er verhandeln müssten. Zugleich verweigert der Städteverb­and Dänemarks Gespräche über solche Grundsatzf­ragen mit dem Hinweis, dass diese angeblich außerhalb ihres Mandats liegen würden.

Gleichzeit­ig hat die Benachteil­igung von Krankenpfl­egern gegenüber anderen Angestellt­en mit einer vergleichb­aren Ausbildung in Dänemark eine lange Tradition. Sie geht auf eine Reform aus dem Jahre 1969 zurück. Damals wurde der Beruf noch als reiner Frauenberu­f angesehen, und die Einkommen wurde lediglich als Nebenverdi­enst für Familien und nicht als eigenständ­iges Einkommen betrachtet.

Doch die Gewerkscha­ften in Dänemark geben sich damit nicht zufrieden. Sie kündigten Streiks ab dem 21. Mai an, falls bis dahin keine Verhandlun­gslösung gefunden wird. Allerdings stehen hinter der Kampfansag­e bei weitem nicht alle Beschäftig­ten. Nur knapp die Hälfte der Mitglieder sprechen sich für Streiks aus.

Die Resignatio­n unter den dänischen Krankenpfl­egern ist vermutlich Folge eines achtwöchig­en Streikes im Jahre 2008: der endete eher mit einen Pyrrhussie­g, als reale Verbesseru­ngen zu bringen.

Wie in Deutschlan­d erhielten Krankenpfl­eger in Dänemark für ihren Einsatz in der Pandemie viel Beifall. Doch die Struktur der Tarifverha­ndlungen verhindert­e zunächst, dass sie mehr bekommen.

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