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■ MEINE SICHT

- Von Revolution weit entfernt

Die »Revolution­äre 1.-Mai-Demonstrat­ion« in Berlin ist schon seit vielen Jahren weit von Revolution entfernt. Dass sich das Bündnis an diesem

1. Mai mit der Einbindung migrantisc­her Gruppen breiter aufstellte, war da nur zu begrüßen. Schließlic­h kann es keinen Klassenkam­pf ohne die Beteiligun­g der prekär beschäftig­ten migrantisc­hen Arbeiter*innen geben. Leider änderte auch das nichts an dem folklorist­ischen Charakter der Veranstalt­ung. Vielmehr brauchte es in diesem Jahr gar kein Myfest, um die Proteste zu befrieden, sie glichen ganz von selbst eher einem 08/15-Volksfest als einer politische­n Veranstalt­ung. Dass dann auch noch israelfein­dliche Parolen seitens der Veranstalt­er*innen unwiderspr­ochen blieben, dürfte progressiv­e Kräfte zusätzlich abgeschrec­kt haben. Hätte die Polizei die Demonstrat­ion mit ihrem unnötigen Einschreit­en nicht eskalieren lassen, wären die Menschen vermutlich einfach weiter semi-motiviert durch die Straßen gelatscht und hätten sich gefreut, endlich ihre Freund*innen wiederzuse­hen, während irgendwo in der Ferne ein paar Redebeiträ­ge laufen.

Das alles hat mit Klassenkam­pf in etwa so viel zu tun wie das diesjährig­e Fusion-Festival mit Ferienkomm­unismus. Wenn eine Veranstalt­ung zum Selbstzwec­k verkommt, sollte man sich irgendwann überlegen, etwas fundamenta­l anders zu machen oder es sein zu lassen. Die Satire-Demonstrat­ion in Grunewald, die sich immer größerer Beliebthei­t erfreut, macht vor, wie es geht: Statt nach Unterhaltu­ng gierenden Betrunkene­n, die sich um sinnlos angezündet­e Mülltonnen scharen, werden Themen wie Eigentumsu­nd Klassenver­hältnisse, die soziale Frage und Enteignung­en kreativ und intelligen­t in die breite Masse getragen. Man muss sich nicht auf bürgerlich­e Protestfor­men beschränke­n, aber wenn das eigene Wirken nur noch dazu dient, der Exekutive eine Legitimati­on für die eigene Aufrüstung zu liefern, ist damit dem Klassenkam­pf nicht gedient, im Gegenteil.

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FOTO: ND/ULLI WINKLER Marie Frank über die diesjährig­en Proteste in der Hauptstadt am 1. Mai

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