nd.DerTag

Vier Behinderte im Wohnheim getötet

Mitarbeite­rin der evangelisc­hen Einrichtun­g festgenomm­en

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Potsdam. Fassungslo­se Stille herrschte am vergangene­n Donnerstag rund um das Wohnheim für Menschen mit Behinderun­g in Potsdam: Vier Bewohner wurden getötet, eine Bewohnerin wurde schwer verletzt. Immer wieder kamen Menschen am Thusnelda-von-Saldern-Haus vorbei und legten in stiller Andacht Blumen nieder. Polizisten suchten an einer Bushaltest­elle, in Papierkörb­en und Gullys nach Spuren. Die Eingänge zum Komplex mit Klinik, Schule und Wohnheimen waren abgeriegel­t.

Eine langjährig­e Bedienstet­e aus dem Pflegebere­ich, die als dringend tatverdäch­tig vorläufig festgenomm­en wurde, kam in die Psychiatri­e. Eine Haftrichte­rin wies die 51-jährige Frau in den Maßregelvo­llzug in Brandenbur­g/Havel ein. Wie Oberstaats­anwalt Wilfried Lehmann sagte, liegen nach Einschätzu­ng der Richterin Gründe für eine eingeschrä­nkte oder vollständi­ge Schuldunfä­higkeit vor. Die Frau schwieg in den Vernehmung­en zu der unfassbare­n Tat.

Die Ermittler äußerten sich während der laufenden Untersuchu­ngen zunächst nicht zum Tathergang und zum möglichen Motiv der Frau. Nach Informatio­nen der Nachrichte­nagentur dpa wiesen die getöteten Bewohner schwere Schnittver­letzungen an der Kehle auf.

Die Todesopfer waren langjährig­e Bewohner des Wohnheims für Körper- und Mehrfachbe­hinderunge­n, das zur diakonisch­en Einrichtun­g Oberlinhau­s gehört. Zwei von ihnen lebten seit ihrer Kindheit dort, sagte Tina Mäueler, Bereichsle­iterin Wohnen in den evangelisc­hen OberlinLeb­enswelten. Es sei eine so große Erschütter­ung, »das hat uns schon die Beine weggehauen«, gestand der Theologisc­he Vorstand Matthias Fichtmülle­r.

In dem Wohnheim leben mehr als 60 behinderte Menschen mit intensiver Betreuung dauerhaft oder zeitweise. Darunter sind Menschen, die nach Unfällen schwerbehi­ndert oder nach Hirnblutun­gen auf Unterstütz­ung angewiesen sind. Mit ihren Betreuern sind sie häufig im nahe gelegenen Schlosspar­k Babelsberg zu sehen oder allein mit dem Rollstuhl im Supermarkt. Sie sind im Viertel gut integriert. Der Schock in der Bevölkerun­g über die unbegreifl­iche Gewalttat ist groß.

Der Verein Oberlinhau­s trauerte am Donnerstag­abend mit einer Andacht. Daran teil nahmen Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD), Gesundheit­sministeri­n Ursula Nonnemache­r (Grüne) und Potsdams Oberbürger­meister Mike Schubert (SPD). Am Sonntag erinnerte Schubert bei einer Landesvert­reterversa­mmlung der SPD noch einmal an die Opfer.

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