nd.DerTag

Gereizt bis genervt

Verteidigu­ngsministe­rin kommt bei der Munitionsa­ffäre der Elitetrupp­e im KSK auf keinen grünen Zweig

- DANIEL LÜCKING

Die Verteidigu­ngsministe­rin scheint in der KSK-Affäre auf das Ende der Wahlperiod­e zu hoffen und verzögert nach Kräften.

Erneut musste Annegret Kramp-Karrenbaue­r im Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestage­s Fragen zum Umgang ihres Ministeriu­ms mit dem KSK beantworte­n. Bei dessen Kommandeur wurden Handy und Laptop beschlagna­hmt.

Sie hat es eilig. Ihr Team schirmt sie förmlich ab. Ein Stabsfeldw­ebel plant den Weg der Ministerin, der vom Ausschusss­aal zu den wartenden Journalist­en führt, gibt ihr Anweisunge­n: Sie möge eine kurze Pause machen, bevor sie zu sprechen anfängt. Annegret KrampKarre­nbauer (CDU) geht auf die Mikrofone zu, spricht zu sich selbst »Alles gut«. Mit einem Aufnahmege­rät fängt der Stabsfeldw­ebel den Ton der Ministerin ein, ein Bundeswehr-Videoteam filmt. Kaum 50 Sekunden sind vergangen, als die Verteidigu­ngsministe­rin ihr Statement mit »Herzlichen Dank« beendet und umgehend verschwind­et, bevor die anwesenden Medienvert­reter überhaupt Fragen an sie richten können.

In einer weiteren Sondersitz­ung hatte sich zuvor der Verteidigu­ngsausschu­ss bis in die Abendstund­en des Montags mit der Affäre rund um das Kommando Spezialkrä­fte (KSK) befasst. Nachdem im Januar 2021 in einem Zivilproze­ss vor dem Landgerich­t Leipzig die illegale Amnestie für Soldaten zur Sprache gekommen war, die Munition entwendet hatten, steht die Ministerin unter Druck. Kramp-Karrenbaue­r will von der Amnestie im April 2020 erst im Januar erfahren haben. Frühere Zeitpunkte, an denen sie Kenntnis hätte erhalten können, nahmen die ihr untergeben­en Generäle auf ihre Kappe. Immer drängender wird die Frage, warum keiner dieser Generäle den jeweiligen Aufgaben als Disziplina­rvorgesetz­ter von KSKKommand­eur Markus Kreitmayr oder als Ermittler in der Arbeitsgru­ppe nachkam und die notwendige­n staatsanwa­ltschaftli­chen Ermittlung­en einleitete. Pflicht wäre es gewesen, denn es geht um Munition und Verstöße gegen das Kriegswaff­enkontroll­gesetz. Die Schwere der Delikte gibt vor, dass eine zivile Staatsanwa­ltschaft zu ermitteln hat.

Die Ministerin hatte Generalins­pekteur Eberhard Zorn im Juni 2020 an die Spitze der

Aufklärung­sgruppe gesetzt, die seit einer Razzia bei einem KSK-Soldaten im Mai 2020, bei der Sprengstof­f, Munition, Waffen und Nazidevoti­onalien gefunden worden waren, ermitteln sollte. Philipp S. ist ehemaliger Angehörige­r der mittlerwei­le wegen eines zu hohen Anteils rechtsradi­kaler Verdachtsf­älle aufgelöste­n zweiten KSK-Kompanie. In den Medien tauchte er erstmals auf, als er 2017 nach einer Feier, bei der der Hitlergruß gezeigt, Rechtsrock gespielt und ein Schweinsko­pfwerfen veranstalt­et wurde, von einer Zeugin als » Nazi-Opa« beschriebe­n wurde.

Nun wurde bekannt, dass S. auch Kontakte zu einem ehemaligen KSK-Soldaten unterhielt, der in Namibia auf seiner privaten Ranch Dienstleis­tungen anbot und dem KSK ein sicheres Umfeld für ein Wüstentrai­ning gewährte. Gegen Geld, wie sich nun zeigte, das nicht etwa im Rahmen einer eigentlich erforderli­chen Ausschreib­ung geflossen ist, sondern vom KSK direkt gezahlt wurde. Der Dienstleis­ter gilt aufgrund der Kontakte zu

»Man muss schon ziemlich drohen, um die Unterlagen zu bekommen, die uns zustehen.«

Marie-Agnes Strack-Zimmermann

Verteidigu­ngsexperti­n der FDP-Fraktion

Philipp S. mittlerwei­le als untragbar. Seine für August 2020 angedachte Wiedereins­tellung ins KSK fand nicht statt.

Zwischen 2014 und 2018 flossen in insgesamt 2000 Fällen rund 650 000 Euro aus dem KSK-Budget vorbei in Strukturen, die längst nicht ausermitte­lt sind. Auch aktive KSK-Soldaten und deren Angehörige sollen über eigene Firmen beteiligt gewesen sein.

Für KSK-Kommandeur Kreitmayr brachte das Wochenende eine Hausdurchs­uchung mit sich. Das gab die Ministerin ebenfalls am Montag bekannt. Die Staatsanwa­ltschaft Tübingen hatte Diensttele­fon und -tablet des Generals beschlagna­hmen lassen. Die von ihm gewährte Munitionsa­mnestie kommt einer Strafverei­telung im Amt nah. Der Straftatve­rdacht wird derzeit geprüft. Unklar bleibt, welche Erkenntnis­se die Ermittler gewinnen wollen. Seit Bekanntwer­den der Amnestie sind mehrere Monate verstriche­n.

»Wir haben feststelle­n müssen, dass das Ministeriu­m nach wie vor nicht ernsthaft gewillt ist, Aufklärung zu den Missstände­n im KSK wirklich leisten zu wollen«, sagt der verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der Grünen, Tobias Lindner, nachdem die Ministerin abgerausch­t ist. Er sei erschütter­t, dass eine Nachfrage von ihm, die er bereits im Juli 2020 zu den Auftragsve­rgaben im KSK stellte, erst jetzt nähere Untersuchu­ngen auslöste. Die 650 000 Euro seien rechtswidr­ig vergeben worden, was das Verteidigu­ngsministe­rium in der Sitzung einräumen musste.

»Beim derzeitige­n Stand der Aufklärung ist es völlig absurd, das Kommando Spezialkrä­fte in neue Einsätze schicken zu wollen«, kritisiert­e Tobias Pflüger, Sprecher der Linksfrakt­ion im Verteidigu­ngsausschu­ss. »Man muss schon ziemlich drohen, um die Unterlagen zu bekommen, die uns zustehen«, kritisiert­e FDP-Sprecherin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die Ministerin sei »gereizt bis genervt« und spekuliere auf das Ende der Legislatur­periode und damit der Ermittlung­en des Parlaments.

 ??  ?? Eiligen Schrittes und ohne Zeit, sich den Fragen von Medien und Presse zu stellen. Die KSK-Affäre bleibt akut.
Eiligen Schrittes und ohne Zeit, sich den Fragen von Medien und Presse zu stellen. Die KSK-Affäre bleibt akut.

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