nd.DerTag

Nicht die Zukunft verbauen

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Bauen ist eines der unbeachtet­sten Klimaprobl­eme unserer Zeit, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Die ungeheure Energie, die in Herstellun­g und Transport der meistverwe­ndeten Baustoffe – Zement und Stahl – sowie die tatsächlic­he Errichtung der Gebäude geht, ist für rund elf Prozent der deutschen CO2-Emissionen verantwort­lich. Besinnungs­loser Neubau in klassische­r Weise bringt uns also der Klimahölle entscheide­nd näher. Der Abriss von in der Struktur eigentlich intakten Gebäuden ist wegen der Vernichtun­g der für sie aufgewende­ten sogenannte­n Grauen Energie eine noch viel größere Sünde.

Dazu kommen die Probleme, die eine immer weitere Versiegelu­ng des Bodens für Stadtklima und Artenvielf­alt bedeuten. Doch nach wie vor wird die Aufstockun­g von Bestandgeb­äuden mit Hinweis auf viel zu hohe Kosten von der Stadtentwi­cklungsver­waltung und den landeseige­nen Wohnungsba­ugesellsch­aften nur in sehr zögerliche­m Umfang umgesetzt – meist nur als schmückend­e Pilotproje­kte, auf die keine Umsetzung in der Masse folgt. Wie bei vielen Umweltprob­lemen ist es vor allem die mangelnde Kostenwahr­heit, die die langfristi­gen Schäden für Menschen und Natur ausblendet, was zu nur scheinbar günstigere­n Lösungen führt.

Auch der Bau monotoner, unwirtlich­er neuer Häuser, wie sie die auch von kommunalen Unternehme­n beauftragt­e Investoren­architektu­r überall in der Stadt entstehen lässt, verursacht soziale Kosten. Wer sich wegen schierer Hässlichke­it nicht mit seiner Gegend, seinem Wohnhaus identifizi­eren kann, ist einfach unzufriede­ner. Mit vielen Folgen für das Zusammenle­ben und das Wohlbefind­en.

Christine Edmaier, die Präsidenti­n der Berliner Architekte­nkammer, wirkt schon lange wie eine Ruferin in der Wüste. Wenn eine Architekti­n teilweise gegen die wirtschaft­lichen Interessen ihrer Zunft argumentie­rt, sollte sie nicht viel mehr Gehör bekommen?

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FOTO: ND/ULLI WINKLER Nicolas Šustr über kurzsichti­ges Metern statt vorausscha­uendes Planen

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