nd.DerTag

Arbeitsger­ichte auf Abruf

Koalitions­fraktionen nehmen kleine Änderungen an geplanter Strukturre­form vor

- ANDREAS FRITSCHE

In die Diskussion um die Schließung bestimmter Arbeitsger­ichte in Brandenbur­g kommt Bewegung. SPD, CDU und Grüne gehen ein kleines Stück auf die Kritiker der Pläne zu.

Die Koalitions­fraktionen SPD, CDU und Grüne haben sich am Dienstag darauf verständig­t, die Pläne von Justizmini­sterin Susanne Hoffmann (CDU) zur Schließung einiger Arbeitsger­ichte in Brandenbur­g abzuändern. Das Arbeitsger­icht Potsdam soll demnach zwar weiter aufgelöst werden. Zuständig für seinen Bereich wäre dann das Arbeitsger­icht in Brandenbur­g/Havel. Es soll aber an einzelnen Tagen in Potsdam nun auch künftig Arbeitsger­ichtsproze­sse geben, wie die rechtspoli­tischen Sprecher der drei Fraktionen am Dienstagna­chmittag mitteilten.

Potsdam bekommt Gerichtsta­ge

Zudem soll das Arbeitsger­icht Eberswalde nicht wie bisher geplant Anfang 2023 ersatzlos wegfallen, sondern in eine Außenkamme­r des Arbeitsger­ichts Frankfurt (Oder) umgewandel­t werden. Auch in Senftenber­g, bislang eine Filiale des Arbeitsger­ichts in

Cottbus, soll es nun wenigstens künftig wie in Potsdam Gerichtsta­ge geben. Die Landtagsab­geordnete Tina Fischer (SPD) sprach von einer guten Nachricht für alle Beschäftig­ten, die eine Klärung für ein arbeitsrec­htliches Problem benötigen. Dass überhaupt eine Reform notwendig sei, wird mit der stark gesunkenen Zahl der Verfahren begründet. Seit dem Jahr 2003 hat sich diese Zahl halbiert.

Prozess-Tourismus soll vermieden werden

»Die Präsenz des Rechtsstaa­ts in der Fläche ist uns ein wichtiges Anliegen«, versichert­e der Abgeordnet­e Danny Eichelbaum (CDU). Die Entscheidu­ng zur Einrichtun­g einer Außenkamme­r in Eberswalde sei ein klares Bekenntnis zum dortigen Justizstan­dort und darüber hinaus ein wichtiges struktur- und regionalpo­litisches Signal. Zusätzlich­e Gerichtsta­ge werden ferner in Königs Wusterhaus­en – auch darauf hat man sich verständig­t – zu einer größeren Präsenz der Arbeitsger­ichtsbarke­it im Land und zu mehr Bürgernähe der Justiz führen, zeigte sich Eichelbaum überzeugt. Gerichtsta­ge von Arbeitsric­htern soll es außer in Potsdam, Senftenber­g und Königs Wusterhaus­en auch noch an den Amtsgerich­ten Perleberg und

Luckenwald­e geben. Eichelbaum sicherte zu, dass bei der Neustruktu­rierung die sozialen Belange der Beschäftig­ten berücksich­tigt werden.

Der Abgeordnet­e Benjamin Raschke (Grüne) sagte: »Mit einem Gerichtsta­g in Potsdam wird den Befürchtun­gen eines Prozess-Tourismus zwischen Potsdam und Brandenbur­g an der Havel begegnet.« Raschke warb dafür, weiter im Gespräch zu bleiben und die Chance zu nutzen, »die vor allem die Gerichtsta­ge für die Fläche des Landes bedeuten«.

Dabei klang schon an, dass die Koalition selbst nicht damit rechnet, dass die Gegner der Reform durch die leichten Korrekture­n am bisherigen Konzept zufriedeng­estellt sind. Wer Arbeitsger­ichte schließe, greife Arbeitnehm­errechte an. Dass die Regierung ausgerechn­et an dieser Stelle angreift, zeige, »wes Geistes Kind sie ist«, klagte die Landtagsab­geordnete Marlen Block (Linke) an. Diese Reform müsse gestoppt werden.

Protestkun­dgebung vor dem Landtag

Gegen die geplante Reform hatten am Dienstagmo­rgen vor dem Landtag betroffene Beschäftig­te gemeinsam mit ehrenamtli­chen

Arbeitsric­htern protestier­t, die von den Gewerkscha­ften gestellt werden. Etwa drei Dutzend Menschen fanden sich dazu auf dem Alten Markt in Potsdam ein. DGB-Landesbezi­rkschef Christian Hoßbach forderte in diesem Zusammenha­ng erneut, keinen Gerichtsst­andort aufzugeben. Die vorgesehen­e Strukturre­form sei nicht plausibel, und Gerichtsta­ge würden nicht ausreichen. Hoßbach bat SPD, CDU und Grüne eindringli­ch, die Folgen zu überdenken.

»Wir sind insbesonde­re überrascht, mit welcher Beharrlich­keit der Standort Potsdam abgeschaff­t werden soll«, erklärte er. »Eine Verlegung des Gerichts nach Brandenbur­g/Havel würde viele Klagewilli­ge wegen längerer Wege und höherer Kosten entmutigen, ihr Recht überhaupt einzuforde­rn«, warnte Hoßbach. Der DGB-Rechtsschu­tz rechne durch die zusätzlich­e Reisetätig­keit seiner Anwälte mit deutlich steigenden Sachund Personalko­sten. »Dieses Geld könnte nicht mehr für die dringend notwendige Interessen­vertretung unserer Mitglieder vor Gericht eingesetzt werden.«

Der Änderungsw­unsch der drei Koalitions­fraktionen war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt.

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